Magdeburger des Jahres 2023: Marlen und Wolfgang Söder Mit Video: Zwei Magdeburger, die Gemeinschaft und Integration vorleben
Die Volksstimme sucht mit ihren Lesern die Magdeburger des Jahres 2023. Zur Wahl stehen auch Marlen und Wolfgang Söder, die den Verein Blickwechsel gegründet haben. Dort bringen sie mit niedrigschwelligen Angeboten Nationen sowie Generationen zusammen und leben Gemeinschaft vor. Hier geht es zu Porträt und Abstimmung.
Magdeburg - Gemeinsam gärtnern, essen, kreativ sein, Musik machen oder miteinander sprechen und Kaffee trinken. Das alles wird unter dem Dach des Vereins Blickwechsel vereint. Hier finden Senioren genauso ihren Platz wie Kinder es tun können.
Dort können Menschen anklopfen, egal wo sie geboren sind, welche Sprache sie sprechen oder an wen und ob sie glauben – und werden mit offenen Armen empfangen. Ins Leben gerufen haben diesen Ort Marlen und Wolfgang Söder.
Nach Neu-Olvenstedt sind die beiden auf Umwegen gekommen, wie die 44-jährige Marlen Söder erzählt: „Ich bin in Chemnitz im Plattenbau aufgewachsen und nach der Wende nach Bayern gezogen, wo ich Wolfgang kennengelernt habe. Wir haben schnell gemerkt, dass ein Leben mit Haus, Hof und ganz normal arbeiten gehen nicht unser Ding ist.“
Von Arbeit im Ausland nach Magdeburg-Olvenstedt
Ihr Ziel sei Straßenkinderarbeit im Ausland gewesen, dafür habe das Paar gebrannt und sie hatten sogar schon feste Stellen in Mosambik. Dann wurde Marlen Söder schwanger: „Ich konnte eigentlich keine Kinder bekommen. Deswegen war Mosambik dann zu riskant.“
Durch ein Praktikum seien sie nach Olvenstedt gekommen. „Der Stadtteil hat uns direkt bewegt, da war 2003 noch alles anders“, erzählen die beiden. Ein besonderes Schlüsselerlebnis habe es gegeben: „Es war kalt und wir haben zwei Kinder gesehen, die drei und sechs Jahre alt waren und viel zu dünn angezogen.
Sie durften aber über Stunden nicht nach Hause, weil ihre Mutter ihren Freund zu Besuch hatte. In Jugendclubs waren nur die älteren Kinder, da dachten wir, dass es doch einen Ort für die Kleinen geben muss.“
Damit hat die Arbeit der beiden angefangen: Angebote für Kinder, kleine Feste, um die Menschen im Stadtteil kennenzulernen. Die jüngeren Kinder hätten schnell ihre älteren Geschwister und Eltern mitgebracht – so seien die Angebote gewachsen und vielseitiger geworden, auch ehrenamtliche Helfer seien dazugekommen. Mittlerweile bieten sie niedrigschwellige Aktivitäten, Kurse und Hilfe für alle Generationen an.
Integration wird vorgelebt
„Dann kam die Flüchtlingsunterkunft und wir hatten Kapazitäten und wollten helfen“, sagt sie. Mit Grillfesten wollten sie die neuen und alten Nachbarn vernetzten. Haben dann Sprachkurse angeboten und Treffen veranstaltet – das Konzept ist aufgegangen. Mittlerweile haben sie sieben Angestellte und zahlreiche Ehrenamtliche. Die Gemeinschaft sei ihnen besonders wichtig, sowohl im Team als auch bei den Menschen, die zu dem Verein kommen. „Wir machen keine Angebote für jemanden speziell, wir machen die immer für alle“, erklären die beiden Olvenstedter.
Daher sei für Wolfgang Söder so erfreulich, wie international der Verein mittlerweile geworden sei: „Am Anfang waren nur Syrer und Iraker da. Neulich haben wir gezählt und mittlerweile sind wir 14 verschiedene Nationen. Nicht nur der Verein, ganz Magdeburg wird internationaler.“ So stelle er sich eine gelungene Großstadt vor. Für das Paar sei das ein positiver Effekt, auch wenn es bedeutet, dass man aufeinander zugehen muss und es manche Menschen aus der Komfortzone holt.
Eine größere Herausforderung sei für die beiden die Finanzierung des Vereins – trotz Spenden und Förderungen von Stadt und Land. „Ich habe lange noch Teilzeit in der Pflege gearbeitet und war für 20 Stunden bei Blickwechsel angestellt, aber der Verein wird immer größer und ich habe gemerkt, dass ich hier Vollzeit gebraucht werde“, erklärt Wolfgang Söder. Förderungen seien oft nur befristet und für die Wahl-Magdeburger ist immer wieder unsicher, ob sie die Stellen für ihre Mitarbeiter wieder gefördert bekommen.
Wer wird Magdeburger des Jahres 2023? Hier können Sie für die Kandidaten abstimmen.
Menschen Hoffnung geben
„Zum Glück haben wir so tolle Ehrenamtliche und Teilnehmer. Ohne sie würde das alles nicht funktionieren“, sagen sie. Trotz finanzieller Unsicherheiten wagen sie einen Blick in die Zukunft ihrer Arbeit.
„Wir merken, dass immer mehr Menschen Fragen zum Glauben oder zum Tod beispielsweise haben“, sagt die 44-Jährige. Sie selbst sind evangelische Christen, aber bisher habe das keine größere Rolle für den Verein und ihre Arbeit dort gespielt. „Wie alles bei uns soll es ganz niedrigschwellig sein. Ein paar Lieder singen, eine kurze Predigt und ein gemeinsames Essen“, erklären die beiden. „Wir wollen Hoffnung geben, dort eine Kerze anzünden, wo es gerade dunkel ist.“
Wer wird Magdeburger des Jahres 2023? Hier können Sie für die Kandidaten abstimmen.
Ganz unabhängig vom Glauben sei Wolfgang Söder die Nächstenliebe und der Blick für diejenigen, die Hilfe brauchen, wichtig: „Wir müssen Menschen sensibilisieren für Alltagssituationen, auf sie zugehen, ein offenes Ohr und Auge haben. Ich will hinschauen, wo Menschen Hilfe brauchen.“ Das sei in der heutigen Gesellschaft ein Manko: „Niemand soll die Welt retten, aber schauen, was man geben kann.“
Das sagt Magdeburgerin Ute Awan, eine Ehrenamtliche des Vereins, zu den Söders:
„Es ist bewundernswert, wie die beiden jedem Hilfe anbieten, der sie braucht. Marlen und Wolfgang Söder bieten für alle Menschen ein umfangreiches Programm an. Sie leben das Miteinander und die Gemeinschaft vor und sind ein Vorbild für alle, weil dort jeder kommen darf.“