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Magdeburger des Jahres 2023: Stefan Perlbach Mit Video: Wenn Helfer selbst Hilfe brauchen

Die Volksstimme sucht mit ihren Lesern die Magdeburger des Jahres 2023. Zur Wahl steht auch Stefan Perlbach für den Verein Hilfe für Helfer in Not. Hier geht es zu Porträt und Abstimmung.

Von Ivar Lüthe Aktualisiert: 25.11.2023, 12:20
Stefan Perlbach ist Vorsitzender des Vereins „Hilfe für Helfer in Not/Polizei-Feuerwehr-Rettungsdienst e.V.“.
Stefan Perlbach ist Vorsitzender des Vereins „Hilfe für Helfer in Not/Polizei-Feuerwehr-Rettungsdienst e.V.“. Foto: Viktoria Kühne

Magdeburg - Einsatzkräfte von Rettungsdienst, Polizei und Feuerwehr sind zur Stelle, wenn es darum geht, Menschen in Not zu helfen. Bei einigen Einsätzen werden die Hilfskräfte mit großem Leid konfrontiert.

Das geht auch bei gestandenen Einsatzkräften nicht immer spurlos vorbei. Nach solchen Einsätzen sind die Helfer selbst ausgelaugt, brauchen selbst eine Weile, um das Erfahrene zu verarbeiten. Manchmal geraten sie dann aber an einen Punkt, wo sie das Erlebte nicht mehr selbst verarbeiten können – selbst Hilfe brauchen.

 
Stefan Perlbach und Dennis Brandt vom Hilfe für Helfer in Magdeburg. (Video: Ivar Lüthe)

An diesem Punkt kommt der Magdeburger Verein „Hilfe für Helfer in Not/Polizei-Feuerwehr-Rettungsdienst e.V.“ ins Spiel. Wie es der Name schon aussagt, kümmert sich der Verein sich um Menschen, die selbst in Hilfsberufen tätig sind und mit belastenden oder traumatischen Situationen konfrontiert sind.

Er gibt Unterstützung, wenn Helfer selbst Hilfe benötigen. „Wir helfen unverschuldet in Not geratenen Mitarbeitern von Rettungsdienst, Feuerwehr – egal ob ehrenamtlich oder im Hauptberuf – und Polizei“, sagt Stefan Perlbach.

Auslöser für die Gründung war, dass er gemerkt habe, dass der jeweilige Dienstherr nur bis zu einem gewissen Punkt helfen kann. Damit Hilfskräfte dann nicht allein auf sich gestellt sind, springt der Verein ein.

Mittlerweile mehr als 70 Mitglieder, darunter rund 30 aktive, zählt der ehrenamtliche Verein, der in Reform seine Heimstatt hat. Die Mitglieder kommen selbst unter anderem aus Hilfsberufen, wissen also genau, mit welchen Situationen die Helfer bei den Einsätzen konfrontiert sind, kennen Abläufe und Mechanismen.

Sie haben den nötigen „Stallgeruch“, wie es Vorstandsmitglied Dennis Brandt, Verbindungsmitglied Kriseninterventionsdienst (KID) im Verein, ausdrückt.

Der KID ist eine der Hauptsäulen der Vereinsarbeit. In diesen Bereich fallen alle Maßnahmen im Bereich der psychosozialen Notfallversorgung. Der Verein und der Kriseninterventionsdienst haben sich im Laufe der Jahre weiterentwickelt.

„Dies haben wir unter anderem Dennis Brandt zu verdanken. Seit dem er den KID übernommen hat, wurde das Team in drei Arbeitsbereiche aufgeteilt. Heute agiert der KID in den Bereichen der psychosozialen Notfallversorgung für Betroffene, Unternehmen und Einsatzkräfte“, sagt Stefan Perlbach.

Leser-Wahl: Wer wird Magdeburger des Jahres 2023? Hier können Sie für Ihren Favoriten abstimmen

Kriseninterventionsdienst: Helfer werden angefordert

Bei Bedarf werden die Mitglieder des Vereins bei akuten Ereignissen von der jeweiligen Hilfsorganisation vor Ort über die Leitstelle angefordert. Egal zu welcher Uhrzeit kümmern sich die Vereinsmitglieder dann um die Einsatzkräfte und Betroffenen vor Ort. Und längst nicht nur dann.

Auch wenn der Einsatz vor Ort längst erledigt ist, sind die Helfer für Helfer weiterhin für traumatisierte Menschen da, arbeiten in der Nachsorge das Erlebte weiter auf, geben Halt und Unterstützung – in Einzelinterventionen oder in Gruppen, so Dennis Brandt.

So beispielsweise bei dem tragischen Straßenbahnunfall im Mai 2023, als ein Mann am Willy-Brandt-Platz auf die Kupplung zwischen zwei Waggons gestiegen war. In einer Kurve war er abgerutscht und unter die Waggons geraten.

Er erlitt tödliche Verletzungen. Hier wurde der Verein von den Magdeburger Verkehrsbetrieben über die MVB-Leitstelle angefordert, um sich vor Ort um die Fahrerin der betroffenen Straßenbahn und den Fahrer einer entgegenkommenden Bahn, der alles mitansehen musste, zu kümmern. Im Nachgang waren die Mitglieder des KID auch für Gespräche mit Hilfsorganisationen, die vor Ort im Einsatz waren, da.

Verein Hilfe für Helfer in Not: Prävention gehört zur Arbeit

Über ihre Arbeit mit traumatisierten Hilfskräften reden die Vereinsmitglieder nicht. Oberstes Gebot ist die Schweigepflicht. Wer auch immer sich an die Helfer wendet, kann sicher sein, dass darüber nichts nach außen dringt, sagt Stefan Perlbach.

Nur so viel: Helfer sind auch gewillt, Hilfe in Anspruch zu nehmen. „Was deutlich zugenommen hat, ist, dass Hilfsdienste auf uns zukommen und Präventionsveranstaltungen anfragen“, so der Vereinsvorsitzende.

Dann erklären die Vereinsmitglieder, was bei schwierigen Einsätzen auf die Hilfskräfte zukommen kann und was bei traumatischen oder belastenden Ereignissen für körperliche Reaktionen auftreten können.

„Wir erklären, was normale körperliche Reaktionen sind und ab wann es problematisch und zu einer Traumastörung/Belastungsstörung kommen kann“, sagt Dennis Brandt. Thematisiert wird auch, wie Vorgesetzte agieren können, damit es erst gar nicht zu solchen Dingen kommt. Prävention wird im Verein ohnehin groß geschrieben.

Denn zu den weiteren Säulen des Vereins gehören die Kriminalprävention – hier geben die Mitglieder in Pflegeheimen Hilfestellung zu den Themen wie Enkeltrick, Diebstähle oder zum sicheren Umgang im Alltag – sowie die Gewaltprävention für Zeugen oder Opfer von Gewaltstraftaten, die davon seelisch belastet sind. Auch Präventionstrainings an Schulen und Kitas gehören zur Arbeit des Vereins.

Kandidat im Kurzporträt

Alter/Familienstand/Kinder: 60 Jahre, verheiratet, zwei Kinder

Beruf/Tätigkeit: Polizeivollzugsbeamter a.D.

Das mag ich an Magdeburg: die Geschichte unserer Stadt, den Dom, die Museen, den Zusammenhalt der Menschen in unserer Stadt in Notsituationen (Hochwasser 2002 und 2013) und die ehrenamtliche Arbeit in und mit den Hilfsorganisationen für unsere Bürgerinnen und Bürger.

Hier kann Magdeburg noch besser werden: bei der Fertigstellung der vielen Baustellen, um wieder ohne viele Umwege an sein Ziel zu kommen.

Magdeburg ist in zehn Jahren: Ich hoffe, dass sich Magdeburg weiter so rasant entwickelt und sich neben Intel auch weitere große Unternehmen hier ansiedeln und sich so die Lebensqualität für die Bürger weiter verbessert wird.

Das sagt Annette Siedentopf, Wehrleiterin der Freiwilligen Feuerwehr Olvenstedt, über den Verein: Der Verein steht für uns Feuerwehrleute bereit, wenn belastende Erlebnisse von Einsätzen verarbeitet werden müssen. Der Verein hat ein gut ausgebautes System von speziell ausgebildeten Leuten etabliert, die eine schnelle unbürokratische, ehrenamtliche Hilfe leisten – rund um die Uhr für uns.