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Magdeburger des Jahres 2023: Waltraut Zachhuber und Dieter Steinecke Mit Video: Mission Synagoge für Magdeburg erfüllt

Die Volksstimme sucht die Magdeburger des Jahres 2023. Zur Wahl stehen auch Waltraut Zachhuber und Dieter Steinecke vom Verein Neue Synagoge Magdeburg. Hier geht es zu Porträt und Abstimmung. 

Von Rainer Schweingel Aktualisiert: 30.11.2023, 14:18
Kandidaten für die Wahl zu den Magdeburgern des Jahres 2023: Waltraud Zachhuber und Dieter Steinecke haben mit ihren Vereinsmitgliedern lange Jahre den Bau und die Fínanzierung der neuen Synagoge für Magdeburg unterstützt. Im Dezember 2023 wird die Synagoge eingeweiht.
Kandidaten für die Wahl zu den Magdeburgern des Jahres 2023: Waltraud Zachhuber und Dieter Steinecke haben mit ihren Vereinsmitgliedern lange Jahre den Bau und die Fínanzierung der neuen Synagoge für Magdeburg unterstützt. Im Dezember 2023 wird die Synagoge eingeweiht. Viktoria Kühne

Magdeburg - Der Dezember 2023 in Magdeburg wird ein geschichtsträchtiger Monat. 85 Jahre nach einem der schwärzesten Kapitel deutscher und Magdeburger Geschichte – dem Novemberpogrom 1938 gegen Juden und ihre Einrichtungen wie der Magdeburger Synagoge – wird erstmals ein Neubau für ein jüdisches Gotteshaus in Magdeburg eingeweiht.

Jüdisches Leben wird damit seit diesen schrecklichen Geschehnissen wieder über eine angemessene religiöse Heimstätte abseits von Provisorien verfügen.

 
Waltraut Zachhuber und Dieter Steinecke vom Förderverein „Neue Synagoge Magdeburg“ e.V. in Magdeburg. (Video: Rainer Schweingel)

Verein 1999 gegründet

3,4 Millionen Euro kostet der Neubau von Gemeinderäumen und Synagoge mit 120 Plätzen in der Julius-Bremer-Straße, nur wenige Hundert Meter neben dem Standort der damals zerstörten Synagoge. Das Land trägt den Großteil der Kosten. Die Stadt Magdeburg stellt das Grundstück kostenlos zur Verfügung. 200.000 Euro steuert die Synagogengemeinde selbst bei.

Ein Mahnmal erinnert an die Zerstörung der Alten Synagoge in Magdeburg. Wenige Hundert Meter weiter entsteht nun die neue Synagoge.
Ein Mahnmal erinnert an die Zerstörung der Alten Synagoge in Magdeburg. Wenige Hundert Meter weiter entsteht nun die neue Synagoge.
Konstantin Kraft

Dass dies möglich wird, ist untrennbar mit engagierten Magdeburgern unterm Dach des 1999 gegründeten Fördervereins „Neue Synagoge Magdeburg“ verbunden, der den zweitgrößten Posten aufbringt. Sie unterstützen den Neubau, der zugleich Begegnungszentrum für alle werden soll – finanziell und ideell.

Viele fleißige Unterstützer

An der Spitze stehen seit 2002 Waltraut Zachhuber (82) als Vorsitzende und Dieter Steinecke (79) als ihr Stellvertreter. Beide sind im Umgang mit Verantwortung überaus kundige Magdeburger. Sie war von 1995 bis 2003 Superintendentin des evangelischen Kirchenkreises Magdeburg. Er unter anderem Landtagspräsident (2006-2011).

Bild vom Spatenstich für die neue Synagoge mit Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) Mitte und dem Vorsitzenden der Synagogengemeinde Wadim Laiter.
Bild vom Spatenstich für die neue Synagoge mit Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) Mitte und dem Vorsitzenden der Synagogengemeinde Wadim Laiter.
Klaus-Dietmar Gabbert/dpa

Beide verfügen zudem über Erfahrungen in Ehrenämtern, ein großes Netzwerk, genießen Ansehen und versprühen Ausstrahlung. Und beide winken schnell ab, wenn es um den Verein geht. „Ja, wir stehen an der Spitze. Aber wir sind keine Einzelkämpfer. Der Verein besteht aus vielen Mitstreitern, die sich für den Neubau starkgemacht haben“, erklären beide.

Magdeburgs OB Willi Polte ergreift die Initiative

Die Initiative für ein neues Gotteshaus für Magdeburger Juden geht aber in den 1990er Jahren vor dem Hintergrund einer wachsenden Magdeburger Synagogengemeinde mit Zuwanderern aus der Ex-Sowjetunion vom damaligen OB Willi Polte (SPD) aus.

Motiv ist schon seinerzeit die aktive Aufarbeitung furchtbarer Heimatgeschichte. Schließlich seien es Magdeburger gewesen, die einst die Synagoge zerstörten und die Judenverfolgung mit unterstützten, so Zachhuber. Wenn acht Jahrzehnte später Magdeburger einen großen Beitrag für eine neue Synagoge leisteten, sei das ein starkes und wichtiges Zeichen.

Leser-Wahl: Wer wird Magdeburger des Jahres 2023? Hier können Sie für Ihren Favoriten abstimmen

Stadt gibt das Grundstück frei

Knapp 70 Mitglieder zählt der Förderverein heute. Erste Vorsitzende war einst die MDR-Funkhauschefin Elke Lüdecke. Verschiedene Synagogen-Konzepte sind über die Jahre im Spiel. Ab 2012 nimmt das Projekt Fahrt auf: Mit dem 2022 verstorbenen Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde Wadim Laiter wird das Ziel energisch und konsequent angesteuert.

Kirche gibt einen Grundlage für die Spenden

Magdeburgs damaliger OB Lutz Trümper (SPD) stellt mit dem Stadtrat die Schenkung einer Fläche unweit des früheren Synagogenstandortes in Aussicht, was 2019 vollzogen wird. Im selben Jahr stimmt der Landtag als Hauptgeldgeber der Finanzierung zu.

Fortan wird auch die Arbeit des Vereins noch aktiver. Geld wird bei vielen Gelegenheiten gesammelt, so bei mehr als 60 Benefizkonzerten. Zudem stellt die evangelische Kirche mit gezielten Kollekten und Spenden einen großen Grundstock von rund 130.000 Euro zur Verfügung.

„Dennoch haben wir am Anfang gedacht: Die 400.000 Euro als Ziel schaffen wir nie“, so Zachhuber. Aber es kam anders, „weil wir so viele Unterstützer hatten, denen wir ganz großen Dank aussprechen“, erklärt Stellvertreter Dieter Steinecke.

Viel Aufklärung

Doch das Finanzielle ist das eine, Aufklärung das andere. Zum Beispiel zur Frage, warum die jüdische Gemeinde ihr Gotteshaus nicht selbst bezahlt?

„Grundsätzlich muss jede Religion ihre Gotteshäuser aus eigenen Mitteln finanzieren, das ist richtig“, erklärt Waltraut Zachhuber, „aber hier gibt es eine historische Verantwortung: Magdeburger haben der jüdischen Gemeinde 1938 das Gotteshaus genommen. Deshalb halten wir es für wichtig, dass wir der Magdeburger Synagogengemeinde als Rechtsnachfolgerin der damaligen Gemeinde ein eigenes Gotteshaus zurückgeben.“

Übrigens habe es auch viele Spenden von Nachkommen Magdeburger Juden aus aller Welt gegeben. Zudem sei es in Zeiten von Antisemitismus wichtig, einen Ort der Begegnung für Juden und Nichtjuden in unserer Stadt zu haben.

Mitglieder entscheiden

Was aber wird aus dem Verein, wenn mit der Einweihung der Synagoge sein Zweck erreicht ist? Zachhuber und Steinecke sind sich auch da einig.

Für einen Förderverein gebe es auch weiterhin viel zu tun. Aber das entscheide die Mitgliederversammlung im April. Fest stehe nur für beide: „Wir wollen unseren Vorsitz in andere Hände abgeben“. Das überrascht nicht: Ihre Mission ist schließlich in diesem so historischen Magdeburger Monat Dezember 2023 erfüllt.

Die Kandidaten im Kurzporträt

Alter/Familienstand/Kinder:

Waltraut Zachhuber: 82, verheiratet, zwei Kinder, neun Enkel, drei Urenkel

Dieter Steinecke: 79, verheiratet, zwei Kinder, 1 Enkel

Beruf/Tätigkeit:

Zachhuber: Evangelische Pfarrerin, Superintendentin im Ruhestand

Steinecke: Dipl.-Ing. (FH)

Das mag ich an Magdeburg:

Zachhuber: Magdeburg mit seiner Lage an der Elbe, dem Dom, den vielen Parks und mit vielen freundlichen und engagierten Menschen, mit denen ich mich verbunden fühle, ist für mich ein vertrautes Zuhause und ein Ort, an dem ich mich einbringen kann und möchte.

Steinecke: Magdeburg ist eine weltoffene und bunte Stadt.

Hier kann Magdeburg noch besser werden:

Zachhuber: Es könnte hier noch mehr zufriedene Menschen geben, noch mehr Bewohner, die deutlich Gesicht zeigen für Demokratie und gegen Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit; es könnte noch schneller daran gearbeitet werden, die Stadt noch kinder- und senioren- und behindertenfreundlicher werden zu lassen.

Steinecke: Wünsche mir die weitere Aufwertung der Innenstadt, um ihr damit ein unverwechselbares Gesicht zu geben.

Magdeburg ist in zehn Jahren:

Zachhuber: … hoffentlich endlich ausgestattet mit guten ICE-Verbindungen, weil Magdeburg auch in ganz Deutschland noch viel bekannter und anerkannter ist wegen all seiner schönen Seiten, seiner Geschichte und seiner Kultur.

Steinecke: Stadt mit weltstädtischem Flair und Hauptstadt der Chip-Industrie.