Magdeburger des Jahres 2024: Angela Mund Hier spielt das Theater für alle
Die Volksstimme sucht die Magdeburger des Jahres 2024. Zur Wahl steht auch Angela Mund. Sie leitet die freie Theatergruppe „bühnenfrei“ in Olvenstedt. Hier geht es zu Porträt und Abstimmung.
Magdeburg - Jene berühmten „Bretter, die die Welt bedeuten“, müssen nicht unbedingt in einem klassischen Theater- oder Opernhaus liegen. Sie müssen auch nicht unbedingt von professionellen Schauspielern betreten werden, um ihre Wirkung zu entfalten, um das „Große aller Zeiten“ sichtbar zu machen, wie es Friedrich Schiller in seinem Gedicht „An die Freunde“ beschreibt.
Für die freie Theatergruppe „bühnenfrei“ liegen jene bedeutungsschweren Bretter im Familien- und Jugendzentrum (FaJu) am Rennebogen in Neu-Olvenstedt. Dort probt und spielt das Ensemble aus Amateuren.
Video: Magdeburger des Jahres 2024: Kandidatin Angela Mund
(Kamera: Konstantin Kraft, Schnitt: Anna Lena Giesert)Einfach jeder, der dabei sein will, kann bei einem der Treffen am Dienstagabend dazustoßen und sich einbringen. Oder aber einen der Auftritte besuchen, die grundsätzlich eintrittsfrei sind – sodass auch wirklich jeder, der möchte, die Kunst sehen kann. Das Motto der Gruppe lautet: „Theater von allen, für alle.“
Ein Ermöglichungsraum
Angela Mund hat „bühnenfrei“ im Jahr 2014 mitgegründet und ist nun seit Jahren die Leiterin. Sie sagt: „Wir sind eine offene Gruppe, alle Menschen sind eingeladen, an den Theaterprojekten teilzunehmen.“ Entsprechend vielfältig ist die Zusammensetzung. Jung und Alt stehen gemeinsam auf und neben der Bühne.
Es sind Berufstätige, Arbeitssuchende, Studierende oder Menschen mit Migrationsgeschichte, die sich hier kreativ ausleben. „Unser Anspruch ist es, jedem in seiner individuellen Lebensrealität das Theaterspielen zu ermöglichen.“
Zugangsvoraussetzungen gibt es keine, einzig die Lust am Spielen ist entscheidend. Es besteht aber genauso die Möglichkeit, hinter den Kulissen tätig zu werden, in der Dramaturgie, für Bühnenbild oder Kostüm.
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Wer sich dagegen im Rampenlicht zeigen möchte, wird mit darstellerischem Grundlagentraining sorgsam darauf vorbereitet. „Wir fangen immer bei 0 an. Jeder hat die Begabung und Fähigkeit, Theater zu spielen.“
Angela Mund spricht von einem „Ermöglichungsraum“, der da entsteht. „Ich versuche zu bestärken, was schon da ist.“ Es geht um Wahrnehmung und um Ermutigung. Es geht darum, die schöpferische Kraft, die jedem Menschen innewohnt, zu fördern und zum ästhetischen Ausdruck werden zu lassen.
Stücke greifen brisante Themen auf
Das gelingt der erfahrenen Regisseurin immer wieder aufs Neue. In der Regel zeigt die Theatergruppe, die sich im Sprechtheater verortet, eine Produktion pro Jahr.
Die Bühnenstücke werden von Grund auf selbst entwickelt. Am Anfang steht eine umfangreiche Recherchephase. Dabei werden stets brisante, gesellschaftspolitische Debatten aufgegriffen und diskutiert.
In ihrer jetzigen Stückentwicklung „Und sie träumten von der Sonne“, die im Februar 2025 Premiere feiern soll, geht es um die Folgen von Ansiedlungsprozessen großer Technologieunternehmen im ostdeutschen Raum. Die geplante Chip-Fabrik von Intel am Eulenberg in Magdeburg spielt da ebenfalls eine Rolle.
Ohne ganz konkret darauf Bezug zu nehmen, soll im Schauspiel die Frage ausgehandelt werden, welchen Preis wir bereit sind zu zahlen, um neue Arbeitsplätze zu schaffen.
Und was passiert erst, wenn es durch die Ansiedlung zu einer Wasserknappheit für die Bevölkerung kommt. Hier werden Diskurse angestoßen, die unser aller Zukunft betreffen und kaum aktueller sein könnten.
Alle sind gleichberechtigt
„Wir wollen einen hochwertigen Theaterabend liefern. Kein Stück geht unter zwei Stunden“, erzählt Angela Mund. An einer Produktion wirken um die 40 Personen mit.
Allesamt tun dies ehrenamtlich, freilich einschließlich der Leiterin. Und das, obwohl gerade in der Endprobenphase gerne einmal 20 Stunden und mehr in der Woche zusammenkommen.
Im Ensemble sind alle gleichberechtigt. Jede Entscheidung wird basisdemokratisch gefasst. Auch auf der Bühne gibt es keine Hierarchien. Angela Mund achtet darauf, dass alle Mitspieler möglichst die gleiche Zeit und Präsenz haben.
Gruppe finanziert sich selbst
„Bühnenfrei“ ist ein freier Zusammenschluss aus Theaterbegeisterten. Es ist kein Verein und kann folglich auch nicht auf eine institutionelle Förderung zurückgreifen. Die Gruppe finanziert sich im Wesentlichen selbst.
Bei ihrem Proben- und Spielort werden sie vom Träger „Die Brücke“ unterstützt. „Das wir im Familien- und Jugendzentrum sein dürfen, ist für uns ein großes Geschenk“, sagt Mund.
Trotz der finanziellen Herausforderung, die mit jeder neuen Stückentwicklung einhergeht, sind die Aufführungen von „bühnenfrei“ immer bei freiem Eintritt zu erleben. Wer will, kann am Einlass eine Spende geben, das muss aber keiner.
„Geld darf kein Ausschlusskriterium sein. Wir wollen Menschen für Theater begeistern, die sonst eher selten oder gar nicht ins Theater gehen. Es geht darum, Barrieren abzubauen“, erklärt Mund.
Sie schaffen Teilhabe
Dazu passt, dass die Gruppe in Neu-Olvenstedt agiert. Der Stadtteil im Westen von Magdeburg verfügt über keine echte Kultureinrichtung. Genau hier gestalten „bühnenfrei“, die jetzt seit zehn Jahren existieren, mit ihren regelmäßigen Aufführungen einen lebendigen Ort der Kultur.
Einen Ort, der jeden willkommen heißt. Das Theater funktioniert da eben nicht nur als Ästhetik, sondern es eröffnet einen Raum, in dem essenzielle Fragen unserer Gegenwart verhandelt werden – und zwar mit allen, die es angeht und nicht nur mit denen, die es sich leisten können.
Die Arbeit und die Vorstellungen von „bühnenfrei“ sorgen für soziale und kulturelle Teilhabe, sie spielen in der Herzkammer unserer Demokratie.
Kandidatin Angela Mund im Kurzporträt
Alter/Familienstand/Kinder: 38 Jahre/ledig/eine unfassbar fantasievolle Tochter.
Beruf/Tätigkeit: Leiterin der freien Theatergruppe „bühnenfrei“, Theatermacherin, Bildungsreferentin.
Das mag ich an Magdeburg: Die Menschen, die sich entschieden haben, hier zu bleiben und die Stadt zu gestalten.
Hier kann Magdeburg noch besser werden: Warmherzigkeit, Zuversicht, Geduld, Utopien.
Magdeburg ist in zehn Jahren: Vielleicht kein ungeschliffener Diamant mehr.
Das sagt Stefan Köder, Stadtteilmanager in Neu-Olvenstedt: „Bühnenfrei“ und Angela Mund sind ein echter Glücksfall: für Magdeburg, Neu-Olvenstedt sowie den dortigen sozialen Träger „Die Brücke“, mit dem eine vorbildliche Zusammenarbeit mit großer Strahlkraft weit über den Stadtteil hinaus entstanden ist.
Auch für all die Menschen, die sonst selten Theater machen oder besuchen können – bei diesem niedrigschwelligen Projekt kann jede:r mitmachen!
Es ist immer kostenfrei, selbstorganisiert und mit eigenen Stücken zu aktuellen Themen. Damit ist „bühnenfrei“ eine lebendige Vision in der Verbindung von Kunst, Aktivismus und Stadtteil-Kultur – genau das, was es heute braucht!