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Magdeburger des Jahres 2024: Beate und Gerhard Grellmann Sie sind die guten Seelen von Magdeburg-Neustadt

Die Volksstimme sucht die Magdeburger des Jahres 2024. Zur Wahl stehen auch Beate und Gerhard Grellmann von der „Grünen Oase“. Hier geht es zu Porträt und Abstimmung

Von Stefan Harter Aktualisiert: 29.11.2024, 18:28
Beate und Gerhard Grellmann von der "Grünen Oase" in Magdeburg-Neustadt sind Kandidaten für die Wahl zum Magdeburger des Jahres 2024.
Beate und Gerhard Grellmann von der "Grünen Oase" in Magdeburg-Neustadt sind Kandidaten für die Wahl zum Magdeburger des Jahres 2024. Foto: Viktoria Kühne

Magdeburg - Während andere in ihrem Alter mit dem Eintritt in die Rente ihren wohlverdienten Ruhestand genießen, legen Beate und Gerhard Grellmann erst so richtig los. Seitdem das Paar im Frühjahr 2023 ihre „Grüne Oase“ in Magdeburg-Neustadt eröffnet hat, sind sie dort jeden Tag vor Ort, um allen, die Hilfe brauchen, Fragen haben oder einfach nur reden wollen, einen Anlaufpunkt zu bieten.

Vor allem die Kinder der Roma-Familien aus der direkten Nachbarschaft haben sie von Anfang an bestürmt. Da trifft es sich, dass Beate Grellmann Kinder über alles liebt und seit bald 50 Jahren mit ihnen arbeitet, wie sie sagt.

Herzensprojekt statt Reisen im Ruhestand

Der tiefgläubigen Christin war aufgrund ihrer Religion der Weg zum Abitur und zum Studium in der DDR verwehrt geblieben. Erzieherin durfte sie auch nicht werden. So bildete sie sich stattdessen zur Kinderkrankenschwester aus. „Für mich war die Wende die Rettung“, sagt sie heute.

Zur Umfrage Magdeburger des Jahres: Stimmen Sie hier ab

Denn als die beiden Töchter groß genug waren, konnte sie dann noch einmal mit über 40 Jahren eine Ausbildung zur Pharmareferentin machen und arbeitete anschließend 15 Jahre in dem Beruf. „Das hat mir geholfen, eine angemessene Rente zu haben“, sagt sie. Und diese nutzt sie jetzt nicht für Reisen oder Ähnliches, sondern ihr Herzensprojekt, die „Grüne Oase“.

Mädchen-Café liegt besonders am Herzen

Neben den Roma-Kindern kommen aber auch alle anderen zu den Grellmanns, die Gemeinschaft suchen. Zum Beispiel, um beim Bibeltreff über Gott und die Welt zu reden. „Manche kommen immer schon eine halbe Stunde früher, weil sie so einsam sind“, sagt Beate Grellmann. „Am liebsten würden sie den Schlüssel haben“, ergänzt sie lachend.

Besonders am Herzen liegt ihr auch das Mädchen-Café. Dort ermutigt sie die jungen Teilnehmerinnen dazu, das Gymnasium zu besuchen und später einen Beruf zu ergreifen.

Erfülltes Versprechen im Ruhestand

Warum aber gerade im als Brennpunkt bekannten Viertel zwischen Umfassungsstraße und Moritzplatz? Göttliche Fügung könnte man meinen, wenn man der 65-Jährigen zuhört. Schon seit 2018 habe sie die Idee für eine „Oase“ für andere im Kopf gehabt, sagt sie. Ein erstes Objekt in Neu-Olvenstedt kam noch nicht zustande, „weil damals noch der Mut fehlte“, sagen die beiden. Ihr Mann hatte ihr aber versprochen: „Wenn wir im Ruhestand sind, machen wir uns selbstständig, egal mit was.“ Mit dem Sozialtreff ist das nun Wirklichkeit geworden.

Ein Bekannter rief sie an und sagte, dass es an der Grünstraße eine Ladenfläche gibt, die nicht vermietet werden könne. Diesmal zögerten die Grellmanns nicht lange. Doch bis sie das Objekt übernehmen konnten, vergingen noch einige Wochen. „Ich bin dann schon vorher hingefahren und habe von außen die Scheiben geputzt. Ich wollte einfach loslegen“, erzählt Beate Grellmann.

Ein Stück Nächstenliebe im sozialen Brennpunkt

Ihr Mann Gerhard schraubte und hämmerte dann im Inneren. Das liegt ihm im Blut, unter anderem war er 15 Jahre lang für die Bauplanung an der Uniklinik verantwortlich. Unter seiner Leitung entstanden die Gebäude 44 und 60. Im Vergleich dazu ist die „Grüne Oase“ zwar „ein kleiner Fisch“, aber einer, der ihm und seiner Frau sehr am Herzen liegt.

Dass dieser in einem sozialen Brennpunkt liegt, sei ihnen bewusst gewesen. Sie sehen es als „Herausforderung, vor der wir uns nicht scheuen“. Sie zitieren aus dem Lukas-Evangelium, wo Jesus sagt: „Die Gesunden bedürfen keines Arztes“. Deshalb sind sie nun für jene da, die Hilfe brauchen oder einsam sind. „Ein Stück Nächstenliebe“, wie sie sagen.

Treff muss schon kurz nach dem Start erweitert werden

Schon kurz nach der Eröffnung war klar: Der Platz reicht nicht aus. Also wurde auch noch die benachbarte Ladenfläche angemietet und ein Durchbruch geschaffen. Von Dienstag bis Freitag ist dort nun nachmittags geöffnet. Darüber hinaus sind die beiden immer ansprechbar, wenn Hilfe gefragt ist.

„Wir haben es bislang nicht bereut“, sagen sie. Obwohl es auch schon Rückschläge gab, zum Beispiel als ein gespendetes Trampolin durch zu viel Übermut direkt wieder zerstört wurde. Das ärgert und entmutigt, sagen sie. Aber nur etwas. „Deswegen brauchen wir auch ein paar Jungs, die draußen mit den Kindern Fußball spielen“, sagt Beate Grellmann. Denn es sei leider sehr schwierig, freiwillige Helfer zu finden. Deshalb bestreiten die beiden mehr oder weniger alles allein.

Zuschuss für Betriebskosten aus der eigenen Rente

Die gesamte Einrichtung wurde ihnen zwar geschenkt. Aber die wenigen Spenden, die sie für den Betrieb erhalten, reichen bei weitem nicht aus. Das heißt, die laufenden Kosten schießen sie aus ihrer eigenen Rente dazu. „Das ist es uns wert“, meint Gerhard Grellmann. Zudem sei Geld für sie nicht alles. Eine Kreuzfahrt, wie sie andere Ruheständler unternehmen, würde sie nicht so erfüllen wie die aufopferungsvolle Arbeit in ihrer „Grünen Oase“

Die Kandidaten im Kurzporträt

Alter/Familienstand/Kinder: Beate (65) und Gerhard (68) Grellmann, verheiratet, zwei Töchter

Beruf/Tätigkeit: Rentner, vorher Projektsteuerer beziehungsweise Pharmareferentin

Das mögen wir an Magdeburg: sehr viel Grün, unsere Elbe, viele soziale Angebote und Menschen, die sich wie wir Kindern und Randgruppen annehmen

Hier kann Magdeburg noch besser werden: Mehr Menschen ermutigen und begleiten, wieder einer Tätigkeit nachzugehen. Vielleicht durch ehrenamtliche Paten, die sie „aufbauen“.

Magdeburg in zehn Jahren: Unsere Roma-Kinder haben alle einen guten Schulabschluss und durch Angebote der Stadt eine Berufsausbildung bekommen.

Das sagen andere: „Beate und Gerhard Grellmann sind ein großes Geschenk für die Neustadt. Ihre Vision – ein Begegnungszentrum zu erschaffen, das mitten im Kiez an einem Ort ist, den Viele ablehnen, mitten bei den Menschen, die am gesellschaftlichen Rand stehen – ist Wirklichkeit geworden.“ Franziska Müller, Quartiersmanagerin Neustadt