Magdeburger des Jahres 2024: Lukas Schneider Der Kämpfer für Adipositas-Betroffene
Die Volksstimme sucht die Magdeburger des Jahres 2024. Zur Wahl steht auch der Magdeburger Lukas Schneider. Der 26-Jährige ist Gründer einer Selbsthilfegruppe für Adipositas-Betroffene. Hier geht es zum Porträt und zur Abstimmung.
Magdeburg - Abwertende Blicke im Alltag, Mobbing in der Schule und zunehmende Insolation: Der heute 26-jährige Lukas Schneider hat eine schwere Zeit hinter sich. Mit Anfang 20 war er ein Pflegefall, konnte kaum gehen, war inkontinent. Der Grund: Er wog über 270 Kilogramm und war stark adipös. „Ich war als Kind schon immer der Dicke. Habe das aber lange mit Humor genommen und immer gesagt, dass es mir gut geht“, erzählt der Fermersleber. „Sich selbst zu belügen ist typisch für Adipöse. Das habe ich auch jahrelang.“
Bereits im Jugendalter hatte er einige Diäten hinter sich und ist immer wieder rückfällig geworden und hat noch mehr zugenommen. Dass es ihm nicht gut geht und er etwas ändern will, hat er erst bemerkt, als er zum Geburtstag eines Freundes laufen wollte: „Auf einer Strecke von 500 Metern musste ich sechs Pausen einlegen. Da dachte ich, dass ich es nicht schaffe 50 Jahre alt zu werden wenn ich jetzt nichts ändere.“
Video: Magdeburger des Jahres 2024: Kandidat Lukas Schneider
(Kamera: Lena Bellon, Schnitt: Anna Lena Giesert)Mehr Lebensqualität
Ab diesem Zeitpunkt hat er aus eigenem Antrieb sein Leben umgekrempelt: Durch eine Operation und die Umstellung seines Lebensstils konnte er sein Gewicht bereits halbieren – und seine Lebensqualität somit mehr als verdoppeln. Zum ersten Mal in seinem Leben habe er sich bewusst mit Lebensmitteln und deren Inhalte beschäftigt, geht regelmäßig zum Sport, kann wieder arbeiten und auch seine Blutwerte haben sich verbessert. Er strahlt Lebensfreude, Stolz und Positivität aus.
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„Ich weiß, wie viel Mut es braucht, um sich alleine aus einer solchen Situation zu kämpfen. Deswegen wollte ich mein Wissen weitergeben und anderen dabei eine Stütze sein“, erklärt der 26-Jährige und strahlt. Er hat daher eine Selbsthilfegruppe (SHG) für Adipositas-Betroffene aus ganz Sachsen-Anhalt gegründet, die immer mehr Mitglieder gewinnt.
Insgesamt 28 Betroffene sind bereits Teil der „Adipositiv SHG“ – Bewerbungen gebe es weitaus mehr. Willkommen seien zunächst alle. In persönlichen Gesprächen verschafft sich Lukas Schneider einen ersten Eindruck, bevor jemand zur Selbsthilfegruppe beitreten kann.
Gemeinsam gesund kochen
„Nicht für jeden ist die Gruppe der richtige Ort. Manche Betroffene haben zum Beispiel eine Essstörung, die zunächst behandelt werden muss“, erklärt er. Dazu stünde er im engen Austausch mit Beratungsstellen, an die er die Betroffenen vermitteln kann. Die Gruppe trifft sich einmal im Monat und kocht gemeinsam, geht zusammen einkaufen und tauscht sich aus. „Bei uns sind alle Themen erlaubt. Wir teilen Glücksmomente und Erfolge, aber eben auch Ängste, Sorgen oder Ärger mit der Krankenversicherung. Da gibt es kein Tabu“, sagt Lukas Schneider. „Denn nur wenn man Negatives verarbeitet, kann es positiv werden.“
Seit er regelmäßig ins Fitnessstudio geht, hat er auch für die Gruppe einen Sportraum organisiert. Dort können sie sich ungestört gemeinsam bewegen – ganz ohne Blicke der anderen. „Mir ist wichtig, dass die Hemmschwelle abgebaut wird und die Motivation wächst. Meine Erfahrung ist, dass manche Leute zwar vielleicht erst blöd schauen, aber auch total Respekt für das haben, was ich mir erkämpft habe“, erzählt er.
Komplimente statt blöde Blicke
Generell bemerke er, wie anders er von der Außenwelt wahrgenommen wird, seit sich seine Kleidergröße um sechs Nummern verringert hat: „Früher haben sich Leute geekelt, sind mir ausgewichen. Heute lächeln sie mir auch mal zu und machen Komplimente.“ Dieses Gefühl motiviere ihn auch, anderen Betroffenen zu helfen. „Ich will dieses Projekt auf Biegen und Brechen durchsetzen. Ich will dass jeder die Möglichkeit hat, einen anderen Lebensstil zu haben“, sagt der junge Mann.
„Eine Selbsthilfegruppe ist gut, um einen Anfang zu schaffen.“ Ihm liege besonders am Herzen, das gesunde Kochen für wenig Geld zu zeigen. Dass viel ungesundes und schnelles Essen oft günstiger ist, sei ein großes Problem für adipöse Menschen. Aber auch wenn er inzwischen bewusster isst und sich immer mehr Wissen darüber aneignet, bleiben süße Leckereien nicht aus: „Ich trinke gerne mal eine Cola oder esse Gummibärchen. Nur eben eine Handvoll und nicht mehr vorm Fernseher eine ganze Packung. Man muss sich aber auch belohnen.“
Der Kandidat im Kurzporträt
- Alter/Familienstand/Kinder: Er ist 26 Jahre alt, ledig und hat keine Kinder.
- Beruf/Tätigkeit: Lukas Schneider ist gelernter Berufskraftfahrer, aktuell arbeitet er als Kurierfahrer für einen Essenslieferanten.
- Das mag ich an Magdeburg: Ich habe Magdeburg in den fünf Jahren, in denen ich hier lebe, lieben gelernt. Besonders die Orte am Wasser, also die Elbe und die Seen.
- Hier kann Magdeburg noch besser werden: Die Parkmöglichkeiten. Außerdem gibt es so viele Baustellen, daran könnte echt noch gearbeitet werden.
- Magdeburg ist in zehn Jahren: Noch immer das Magdeburg, das ich liebe. Aber natürlich entwickelt sich die Technik weiter und das ist auch gut so.
Ziele für die Gruppe
Ein Blick in die Zukunft zeigt, was er noch alles erreichen will. Sein Zielgewicht liegt bei 120 Kilogramm – dafür müsste er nur noch 15 Kilo abnehmen. „Jetzt geht es etwas langsamer mit dem Gewichtsverlust. Gleichzeitig baue ich aber auch Muskeln auf“, sagt der Magdeburger stolz. Anfang nächsten Jahres steht eine weitere OP zur Entfernung der überschüssigen Haut an. Für die SHG wünsche er sich auf lange Sicht Sponsoren, die die Lebensmittel für das gesunde Kochen finanzieren. Das sei ein wichtiger Bestandteil der Gruppe.
Das sagt Chirurgin Stefanie Wolff über ihn:
„Mit seinem Werdegang und seiner Entwicklung ist er ein absolut positives Beispiel und Vorbild. Dass er die SHG selbst initiiert hat, dort kocht und eine Sportstätte vermittelt hat, ist toll. Mit seiner positiven Energie hat er einen guten Einfluss auf andere Betroffene. Hut ab!“