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Projekt Magdeburger Spurensuche geht weiter

Das Projekt "Magdeburger Spuren" des Stadtarchivs spürt verloren gegangenen Dokumenten nach. Neue Dokumente wurden entdeckt.

Von Ivar Lüthe 02.01.2020, 00:01

Magdeburg l Der letzte große Coup des Magdeburger Stadtarchivs liegt wenige Tage zurück. Bei einer Auktion in Zürich konnte das Stadtarchiv einen bislang unbekannten Brief von Otto von Guericke aus dem Jahr 1648 ersteigern. Guericke war damals auf einer Friedensmission. Er sollte mit dem schwedischen Oberbefehlshaber und späteren König Karl Gustav, der mit seinen Truppen an Magdeburg vorbeimarschiert war und in Zerbst lagerte, verhandeln. Guericke soll die Garantie erwirken, Magdeburg nicht noch einmal zum Kampfschauplatz zu machen. Als er noch auf Audienz warten musste, schrieb er einen Brief an den Rat nach Magdeburg.

Mittlerweile haben Stadtarchivar Christoph Volkmar und sein Kollege Jens Kunze eine Transkription des Briefes angefertigt. Eine Abschrift mit Ergänzungen der im Original abgekürzten Wörter hat Christoph Volkmar der Volksstimme zur Verfügung gestellt.

Unterdessen forschen die Archivare weiter im Rahmen des Projektes „Magdeburger Spuren“. In verschiedenen Archiven wird nach Unterlagen mit Bezug zu Magdeburg gesucht. Das passiert zunächst über eine Internetrecherche, in besonderen Fällen auch direkt vor Ort. Besonderes Augenmerk wird dabei auf die Zeit von 1545 bis 1631 gelegt. Denn aus dieser Zeit fehlen sämtliche Unterlagen. Schuld daran war ein Brand des Stadtarchivs 1631 bei dem das Gedächtnis der Stadt verloren ging.

In den vergangenen Tagen haben die Archivare, die durch ehrenamtliche geschichtsinteressierte Magdeburger unterstützt werden, etwa 120 neue Datensätze zusammengetragen. Bei der Suche im Österreichischen Staatsarchiv sowie im Hauptstaatsarchiv in Dresden wurden sie fündig. So stießen sie beispielsweise auf eine Korrespondenz einer Gruppe von Magdeburger Ingenieuren, die dem Kurfürst von Sachsen eine Offerte machten. Sie boten dem Kurfürst ihre „Wasserkunst“, eine Kombination aus Rohrwerken, die für die Trockenlegung von Bergwerken nötig waren. „Magdeburger Ingenieurskunst reicht also weit zurück – bis ins Ende des 16. Jahrhunderts“, sagt Christoph Volkmar.

Im Gegenzug für ihre Wasserkunst wollten die Magdeburger vom Kurfürsten ein Privileg über einen Zeitraum von zwölf Jahren erreichen. Also quasi ein Patent auf ihre Entwicklung. Und das Patent sollte dann in Magdeburg verwahrt werden. Die Korrespondenz samt einer technischen Zeichnung eines Rohrdurchmessers können Geschichtsinteressierte und Forscher auf der eigens für das Projekt eingerichteten Internetseite www.magdeburger-spuren.de nachlesen.

Hier findet sich auch ein weiteres geschichtlich interessantes Dokument, das die Archivare im Stadtarchiv Braunschweig finden konnten. Hierbei geht es um eine Vereinbarung zwischen der Stadt Braunschweig und dem Magdeburger Schöffenstuhl, die weit mehr als die üblichen Rechtsauskünfte des Magdeburger Oberhofs umfasst. Vielmehr erklärte sich der Schöffenstuhl auf Wunsch des Rates der Stadt Braunschweig bereit, sich der Urteilsfindung anzunehmen.

Für drei Jahre wollte der Schöffenstuhl nach Anleitung der Stadt Braunschweig entsprechende Prozesse entscheiden. Dabei war offenbar eine Art Arbeitsteilung vorgesehen. Zeugenaussagen und die gegebenenfalls mit Folter verbundenen Verhöre der Beschuldigten sollten in Braunschweig zusammengestellt, die Urteile dann aber auf Aktenlage in Magdeburg gefällt werden. Mindestens drei Jahre lang wurde die hohe Gerichtsbarkeit auf dem Gebiet der Stadt Braunschweig also nicht mehr von einem örtlichen Gericht wahrgenommen, sondern durch den Magdeburger Schöffenstuhl, heißt es in der Transkription des Stadtarchivs Magdeburg.

Die Schöffen verpflichteten sich, nicht einfach Magdeburger Recht anzuwenden, sondern die lokale Braunschweiger Gerichtsordnung und die reichsweit geltende Peinliche Halsgerichtsordnung Kaiser Karls V. zu beachten.

Unabhängig von der Anzahl der zu bearbeitenden Fälle erhält der Schöffenstuhl dafür von der Stadt Braunschweig jährlich 60 Taler. „Also eine Flatrate. Und 60 Taler waren zu der Zeit sehr, sehr viel Geld. Dieser Fund ist einer der seltenen Fälle, der greifbar macht, wie einträglich die Arbeit des Schöffenstuhls war“, so Christoph Volkmar.

Einträglich ist auch das Projekt des Stadtarchivs. In den nächsten Wochen werden weitere Funde nach und nach präsentiert. Mittlerweile sind auch Geschichtsstudenten aus Leipzig mit an Bord, die im Rahmen eines Seminars, das Christoph Volkmar leitet, anhand der gefundenen Dokumente die Magdeburger Stadtgeschichte erforschen, den Kontext erschließen und die „Schaufensterdokumente“ erstellen – also die Darstellung und Erläuterung der Fundstücke auf der Startseite im Internet. Im Frühjahr 2020 sei mit weiteren Ergebnissen zu rechnen, sagt Christoph Volkmar.

Das Magdeburger Projekt stößt mittlerweile auf großes Interesse weit über die Landeshauptstadt hinaus. Christoph Volkmar hält zahlreiche Vorträge in anderen Städten darüber, was in Magdeburg gemacht wird, wie man an die Recherchen herangeht und welche Möglichkeiten das Projekt bietet.

Über zwei Jahre ist das Magdeburger Projekt zunächst angelegt, es läuft bereits das zweite Jahr. „Wir bemühen uns um eine weitere Förderung des Projektes“, sagt Christoph Volkmar. Denn die Gedächtnislücke, die der verheerende Brand gerissen hat, ist längst noch nicht gefüllt – und es gibt gewiss noch vieles über die Vergangenheit Magdeburgs zu finden.