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Naturschutz "Natura 2000" fällt bei der Stadt durch

Die Natur der Magdeburger Elbe und Elbaue soll im Rahmen eines EU-Projekts rechtlich geschützt werden. Die Stadt ist gegen den Entwurf.

Von Jana Heute 10.11.2017, 00:01

Magdeburg l Schwere, graue Wolken hängen über der Magdeburger Elblandschaft. Ein Bild, das sich kaum passender einfügen könnte in die aktuelle Debatte um genau diesen wertvollen Naturraum. „Natura 2000“ ist ein gigantisches Naturschutzprojekt, das im Grunde Gutes will: Europaweit sollen Hunderte Vogelschutzgebiete und bereits ausgewiesene Flora-Fauna-Habitate (FFH-Gebiete) gesetzlich unter Schutz gestellt werden, sodass sie besonderen Biotopen und geschützten Arten eine sichere Heimat bieten können. Jedoch mit teils weitreichenden Folgen für die Anrainer.

Bis zum 4. Dezember haben Verbände, Institutionen, Vereine, aber auch einzelne Bürger die Chance, ihre Hinweise und Bedenken vorzubringen. In Magdeburg sind vier FFH-Gebiete betroffen: die Elbaue zwischen Saalemündung und Magdeburg, das Sülzetal bei Sülldorf, die Stromelbe im Stadtzentrum von Magdeburg und die Ehle zwischen Möckern und Magdeburg.

Vier Seiten lang ist die Stellungnahme der Stadt Magdeburg zum 45-seitigen Entwurf der Landesverordnung. Die Stadtverwaltung lässt kaum ein gutes Haar an dem Papier und lehnt es ab. Aus zwei wesentlichen Gründen. Erstens: Der Entwurf sei ein Eingriff in die Planungshoheit der Stadt. Zweitens: Dem Hochwasserschutz werde keine Priorität eingeräumt. Im Gegenteil: Die Hochwasservorsorge werde weiter erschwert, laufende Planverfahren verschleppt, so der Eindruck der Stadt. Das sehen auch die Stadträte im Bau- sowie Umweltausschuss mehrheitlich so.

Beide Gremien empfehlen dem Stadtrat, dem Vorstoß der Verwaltung – also Ablehnung des Entwurfs – zu folgen. Der städtische Baubeigeordnete Dieter Scheidemann ist von Hause aus Jurist und bezog im Bauausschuss deutlich Stellung: „Wir sehen die im Grundgesetz im Artikel 28 festgelegten Rechte der Kommune auf Verwaltung der eigenen Belange verletzt.“ Daher sei es wichtig, dass der Stadtrat als höchstes Gremium unabhängig von den fachlichen Stellungnahmen der Ämter in Kürze noch sein Votum abgibt.

Wichtige Punkte spricht unterdessen schon das Papier der Ämter an. Laut Entwurf würden z. B. neben der eigentlichen Elbe auch Uferbereiche bis zur Oberkante Uferböschung und zehn Meter Gewässerrandstreifen zum besonderen Schutzgebiet gehören. Uferpromenaden der Innenstadt, des Wissenschaftshafens und der südöstlichen Stadtteile Buckau, Salbke und Westerhüsen sowie Hafenareale auf dem Trennungsdamm würden demnach im besonderen Schutzgebiet liegen und wären den Schutzbestimmungen unterworfen.

Wichtige innerstädtische Flächen wären damit ihren „Entwicklungsmöglichkeiten entzogen“, kritisiert die Verwaltung. Noch etwas stößt den Fachleuten der Verwaltung bitter auf: Selbst außerhalb des Geltungsbereiches könnte es Probleme geben, wenn „Handlungen in das besondere Schutzgebiet hinein wirken“, heißt es da. Die Befürchtung ist, dass selbst Veranstaltungen im Stadtpark oder im Wissenschaftshafen bedroht sein könnten. Ebenso Firmenansiedlungen im Hafen in Elbnähe. Kurzum: Es sei im Entwurf nicht ausreichend berücksichtigt, dass zwei große FFH-Gebiete direkt im Stadtgebiet liegen. Hier müsse dringend nachgebessert werden.

Auch bei den Anglern stieß der Entwurf bisher auf wenig Gegenliebe. Heftig diskutiert wurde u. a. das geplante Betretungsverbot für die ersten 500 Meter eines jeden Elbkilometers an den Ufern der Elbe in der Brutzeit vom 15. April bis 31. Juli. Das scheint inzwischen vom Tisch, wie aus der Antwort des Landesverwaltungsamtes auf eine Volksstimme-Anfrage hervorgeht. Andere geplante Verbote dürften weiter für Diskussionen sorgen. So sollen die Schutzzonen nicht außerhalb der Wege betreten und weder neue Bootsstege angelegt noch Schneisen ins Röhricht geschlagen werden. Damit könnten auch keine Angelstellen mehr angelegt werden.

Drohen tatsächlich derartige Eingriffe? Das Landesverwaltungsamt versucht, die Wogen zu glätten. In der Antwort heißt es u. a.: „Eine Einschränkung für Anwohner in der Nutzung und Unterhaltung ihrer Wohngrundstücke“ werde es z. B. nicht geben. Erholungssuchende, Spaziergänger oder Sportler brauchten im Bereich der Stromelbe „im Wesentlichen nur das Verbot des Verursachens von Lärm zu beachten“. Doch ist dann noch eine Party am Fluss möglich?

Einschränkungen für das freie Betreten der „Natura 2000“-Gebiete solle es nur für „besonders sensible Uferbereiche geben“, die aber zum Beispiel mit den Anglerverbänden abgestimmt und noch einmal gesondert ausgelegt werden sollen. Für das Stadtgebiet von Magdeburg betreffe dies das FFH-Gebiet „Elbaue zwischen Saalemündung und Magdeburg“. Die noch abzustimmenden Bereiche für das Betretungsverbot befänden sich für dieses Gebiet „ausschließlich im Norden von Magdeburg“ im Bereich der Barleber Wiesen am Maikäferwerder (linkselbisch vom Flusskilometer 335,5 bis Flusskilometer 336,3 - hiervon ca. 240 Meter in Magdeburg). Eine Kennzeichnung dieses Uferbereiches in der Landschaft sei geplant, so das Landesverwaltungsamt weiter.

Im Bereich der Elbaue seien zudem Baue von Bibern und Fischottern im nahen Umfeld sowie Quartiere von Fledermäusen nicht zu betreten. Als „stärker einschränkend“ werde jedoch das Verbot des Bootsverkehres (dies gelte nur abseits der Stromelbe, der Elbeumflut und eines Bereichs der Alten Elbe) empfunden, räumt die Behörde ein. Beispiele, die allemal zeigen, wie viel Zündstoff noch in dem Entwurf steckt. Bis zum 4. Dezember besteht Gelegenheit, sich einzumischen.