Theaterpremiere in Magdeburg Olvenstedt probiert's bringt Komödie von Dürrenmatt auf die Bühne
Den Laienschauspielern von „Olvenstedt probiert’s“ gelingt trotz Schicksalsschlägen eine hintersinnige, komödiantische Premiere nach Dürrenmatts Stück „Romulus der Große“.
Altstadt. - Gartenzwerge, eine Hollywoodschaukel, der traditionelle blaue Getränkekiosk und ein Zelt gehören zur Dekoration des sommerlichen Theaterangebots unter freiem Himmel. Und noch mehr erwartet das Publikum bei der Dürrenmattkomödie „Romulus der Große“, die Olvenstedt probiert's auf die Bühne bringt.
Auf den ersten Blick scheint das völlig verrückt, denn gespielt wird „Romulus der Große“, ganz frei nach dem Erfolgsstück von Friedrich Dürrenmatt. Dessen „ungeschichtliche historische Komödie“, uraufgeführt 1949, stellt den letzten römischen Kaiser, Romulus den Großen, in den Mittelpunkt. Der Herrscher weigert sich, sein deutlich zerbröckelndes Imperium gegen die im Anmarsch befindlichen Germanen zu verteidigen. Für ihn hat die Hühnerzucht Priorität.
Im Hof des Forums Gestaltung agieren in diesem Monat die Freien Kammerspiele Magdeburgs. Zum bereits 36. Mal heißt es „Olvenstedt probiert’s“. Eine Reihe feiert fröhliche Urstände, ist seit 1998 aus der Landeshauptstadt nicht mehr wegzudenken.
Die Magdeburger Schauspielgruppe peppt Klassiker auf
Das Konzept funktioniert nach wie vor. Klassische Stücke werden von der Laienspielgruppe „Braune-Sommer-Wiese“, die ihre Ursprünge in der Olvenstedter Plattenbausiedlung hat, auf die Bühne geholt. Ob Wagners „Lohengrin“, Schillers „Wallenstein“ oder „Peter und der Wolf“ von Prokofjew, die Akteure zeigen keine Angst vor großen Stoffen. Im Vordergrund steht der Spaß an der Sache.
Lediglich die geplante 36. Inszenierung „König Drosselbart“ musste krankheitsbedingt Ende 2023 ausfallen. Zwei der Hauptdarsteller, Susanne Bard und Michael Günther Bard, waren schwer erkrankt.
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Sie prägten als Beate und Achim die kultige Reihe. Deren Tod vor wenigen Wochen im Abstand von wenigen Tagen hat die Kammerspiele verändert. „Die beiden sind nicht ersetzbar. Sie wollten, dass es weitergeht“, sagte Jochen Gehle vor der Premiere.
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Stammautor Dirk Heidicke erfüllte diesen Wunsch. Mit dem Dürrenmatt-Stück griff er auf eine Vorlage zurück, die kaum aktueller hätte sein können. Die Parallelen zur heutigen Zeit und ihrer weltpolitischen Lage sind erschreckend. Die Figuren um Romulus, den „kaiserlichen Hühnerzüchter“, der mit seiner Faulheit und seinem Desinteresse seine Mitstreiter in die Verzweiflung treibt, zeigen sich von absurder und nahezu grotesker Komik.
Die bunte Theatertruppe versammelt sich am Getränkekiosk von Appel an der Ehle. Fast jeder hat ein persönliches Problem im Gepäck, da helfen nur ein Bierchen, ein Piccolöchen oder ein Schnäpschen. Bei den Proben für ihr Theaterstück geht es nicht ganz ernstzunehmend zu.
Dürrenmatt im Eiltempo
Dürrenmatt bekommt der Zuschauer im Eiltempo dargeboten. Von manchen Szenen bleibt nach einer kurzen Einführung nur eine Art Pantomime übrig. Beim ersten Akt, der in dieser Art nur wenige Minuten dauert, geschieht das turbulent zu den lautstarken Klängen von Toto Cutugnos Erfolgstitel „L’italiano“ (lasciatemi cantare).
Das Ganze gerät zu einem Riesenspaß, so mag es das Publikum. Die Grenze zwischen Klamauk und zeitgenössischem Volkstheater sind keinesfalls eng gesteckt. Den Akteuren gelingt dieser Spagat erstaunlich gut. Jeder zeigt Spielfreude, agiert gekonnt und ist immer für ein kleines Kabinettstückchen gut. Durchaus an die realen Meinungen angelehnt, räumt Jochen Gehle als Jens Kühle ein, dass er sich mit seinem Bürgergeld „na klar“ eingerichtet hat. Das sei bequem und mit eigener Arbeit wolle er keinesfalls die Kapitalisten stärken. Als Gegenpart agiert Michael Magel in der Rolle des Andreas Manni alias Ente. Gut ausgebildet will er keine Almosen, möchte aus seinem künstlerischen Studium Nutzen ziehen.
Je länger die Proben laufen, je mehr geht die Handlung zu den Ereignissen im Weströmischen Reich über. Dessen Untergang steht bevor, doch Kaiser Romulus scheint das vollkommen gleichgültig und wenn dann die Germanen da sind, sollen sie hereinkommen. Prächtige Kostüme (Ulrike Gehle) versetzen in die Vergangenheit. Sogar Hühner (gespielt von den Girls of Gerwisch) in Menschengröße tauchen plötzlich auf der Bühne auf, herrlich bei ihrem Tanz von Vicky (Samanta Hinz) angeführt.
Starke Leistung der Akteure
Solche Szenen offenbaren die solide schauspielerische oder tänzerische Ausbildung fast aller Darsteller. Zum Ende der Inszenierung werden mehrfach die Kostüme gewechselt im Schnelldurchlauf wird das Stück noch einmal zum Lied „Felicità“ des italienischen Popduos Al Bano & Romina Power geprobt. Dass das funktioniert, ist bei dem rasanten Tempo erstaunlich. Alle komischen Register werden gezogen, das Publikum klatscht lange Beifall. Und im Schlussapplaus dankt das Ensemble den in jüngster Zeit verstorbenen Mitbegründern der Freien Kammerspiele Susanne Bard, Michael Günther Bard und Meyke Schirmer für die lange Freundschaft.