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Freizeit Mit Video: Das ist der Magdeburger Park der namenlosen Gräber

Zahlreiche Parks bereichern Magdeburg. Heute führt eine Volksstimme-Reihe in einen Park mit Gräbern, von denen niemand weiß, wer hier eigentlich liegt.

Von Martin Rieß Aktualisiert: 17.11.2023, 10:16
Blick in den herbstlichen Schneidersgarten in Magdeburg.
Blick in den herbstlichen Schneidersgarten in Magdeburg. Foto: Martin Rieß

Magdeburg - Mit nur 1,3 Hektar gehört dieser zu den kleinen Parks in Magdeburg. Und doch kommt ihm eine besondere Bedeutung zu.

Es geht um Schneidersgarten. Sudenburg verfügt zwar auf seiner Nord- und seiner Westseite über Kleingartensparten, über ein paar Sport- und Spielmöglichkeiten sowie über zwei Friedhöfe. Aber so einen wirklichen Park im klassischen Sinne, in dem es im Fokus steht, den Menschen ein wenig Grün als Ausgleich zum städtischen Grau zu bieten, da gibt es abgesehen von einem kleinen Zipfel des Glacis ganz am Rand eben bislang allein Schneidersgarten.

Diesen Freizeitwert hat Schneidersgarten in Magdeburg

Der Park befindet sich auf der Nordostseite des Stadtteils. Umrahmt wird er von der gleichnamigen Straße, der Brunnerstraße, der Dürerstraße und der Rückseite der Jordanstraße. Gleichwohl ist er auch ein Grenzort.

 
Schneidersgarten in Sudenburg gehört zu den kleinsten Parks in Magdeburg. (Kamera: Martin Rieß, Schnitt: Christian Kadlubietz)

Befindet er sich doch an der Schnittstelle von Epochen: Auf der einen Seite Bebauung aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg, auf der anderen Seite Villen, und wieder auf einer anderen Seite die Brunnersiedlung als eines der Zeugnisse des Neuen Bauens im Magdeburg der 1920er Jahre.

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Auf einem Weg können die Besucher den von hohen Bäumen umstandenen Innenbereich umrunden. Bänke laden zum Verweilen ein. Im Wesentlichen ist der Park barrierefrei.

Auch gibt es einen kleinen Spielplatz. Dieser wurde im Jahr 2020 erneuert. Es wurde die alte Kletter- und Rutschkombination gegen ein 1,45 m hohes sechseckiges Podest aus naturgewachsenem Robinienholz ersetzt, welches die kindliche Fantasie mit einem hölzernen Gesicht und einem Walmdach als Hut anregen soll.

An die mit geschlossenen Robinienbrüstungen versehenen Seitenwände des Podests schließen sich eine Kletterwand, eine Rutschstange, ein schräges Kletternetz und eine Hängebrücke an. Auch für die größeren Kinder geeignet ist die Tischtennisplatte, die hier aufgestellt wurde.

Am Spielplatz wacht eine jölzerne Eule über Schneidersgarten.
Am Spielplatz wacht eine jölzerne Eule über Schneidersgarten.
Foto: Martin Rieß

Blumenbeet und Infotafeln in Schneidersgarten

Im Zuge dessen ist auf dem Spielplatz im Schneidersgarten nun das vierte „Blumenbeet der Kinder“ angelegt worden. Betreut wurde dieses zuletzt von der Grundschule im benachbarten Stadtteil Ottersleben.

Im Frühjahr hatten Jungen und Mädchen der Klasse 3c aus der Grundschule Ottersleben ihr Blumenbeet bepflanzt.
Im Frühjahr hatten Jungen und Mädchen der Klasse 3c aus der Grundschule Ottersleben ihr Blumenbeet bepflanzt.
Foto: Konstantin Kraft

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Auch wenn der Park klein ist – mit der Wissensvermittlung kann Schneidersgarten es auch mit den großen aufnehmen. Mehrere Hinweisschilder informieren über Pflanzen und Tiere der Heimat. Selbst über Tiere wie Wildschweine und Biber, die sich kaum in den Park verirren werden, gibt es Informationen.

Nicht ganz so üppig fallen die Hinweise zur Geschichte des Parks und seiner Umgebung wie zum Beispiel auf die Siedlung aus der Zeit des Neuen Bauens aus. Zwar befindet sich in der Mitte des Parks ein Hinweis, doch die Historie des Geländes enthält noch viel mehr, als dort nachzulesen ist.

Hier muss niemand verhungern

In Schneidersgarten gibt es selbst zwar kein Restaurant und keinen Imbiss. Doch in Richtung Jordanstraße und Halberstädter Straße ist die Auswahl groß: „Medaillon“ und „Sudenburger Kartoffelhaus“, „Basta“ und „Bene-deto“, „Taverna Sobras“ und „Basta“ haben die Wirte hier ihre Restaurants genannt.

Einkaufsmöglichkeiten gibt es ebenfalls an der Halberstädter Straße.

Das Land der Schneiders

Der Park ist typisch für eine Entwicklungsphase der Stadt, während private Gartenanlagen unter verschiedenen Umständen in städtisches Eigentum übergingen. Vergleichbar ist auch der Strube-Park im Magdeburger Stadtteil Buckau, der vom Industriellen Gruson der Stadt geschenkt wurde. (Magdeburg beherbergte um die Jahrhundertwende rund 230.000 Einwohner, davon waren 89 Millionäre.

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Um die Jahrhundertwende gehörte das ganze Areal bis zur Sudenburger Wuhne dem Großgrundbesitzer Wilhelm Schneider. Auf Plänen aus dieser Zeit erkennt man das geschwungene Wegesystem und die Villa Schneiders, die bis heute noch erhalten sind. Der Park war ein beliebter Treffpunkt der Bürgerschaft, besonders der Sudenburger.

Da Sudenburg die wenigsten Grünflächen besaß, bestand großes Interesse an der Erhaltung und Öffnung des Parks für die Allgemeinheit. Von den Bürgern wurden in diesem Sinne seinerzeit Petitionen verfasst. Der Magistrat kaufte den Park dann auch relativ günstig auf ein Angebot Schneiders hin, der im Gegenzug die Genehmigung zu einer Randbebauung erhielt.

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Entlang der Jordanstraße entstand eine Zeile von Mietshäusern. Diese erhielten, bemerkenswert für diese Zeit, kein Hinterhaus, so dass von den Wohnungen ein freier Blick in den Park möglich war. Auch diese Häuser sind heute noch erhalten.

Inzwischen abgebrochen werden soll die alte Schneidersche Villa an der Straße Schneidersgarten gleich gegenüber dem gleichnamigen Park. Seit Jahren steht das Gebäude leer. Dass es nun für eine Neubebauung Platz machen soll, hatte in den vergangenen Wochen bei einigen Sudenburgern für Verdruss gesorgt.

In den Jahren 1928 und 1958 wurde das Wegenetz überarbeitet. Dabei blieben die Grabstätten der Familie Schneider unangetastet. Heute sind sie sehr stark verwittert.

1992 fand die letzte umfassende Parksanierung statt. Dabei wurde die Gestaltung von 1958 weitestgehend beibehalten. Seit 1993 steht Schneidersgarten unter Denkmalschutz.

Unbekannte Gräber

Aus früheren Zeiten stammt ein kleines Gräberfeld in der Mitte des Parks. Es handelt sich um Angehörige der Familie Schneider, die hier beerdigt sind. Unklar ist heute allerdings, wer da genau bestattet ist. Linke-Stadtrat Oliver Müller engagiert sich für den Park, ist auch Spielplatzpate, und bedauert das sehr. Falls irgendjemand Informationen zu den Gräbern hat, möge er sich melden.

Zuletzt jedenfalls hatte das Magdeburger Stadtarchiv sich der Geschichte des Schneidersgartens angenommen. Als die Schneiders und die Stadt das Gelände neu sortierten, übergab sie seinerzeit auch ein Gelände an die Sudenburger Ambrosiusgemeinde. Es handelte sich um ein Gelände im Bereich der Ackerstraße.

Dort sollte im Zuge einer Erweiterung der Stadt eine weitere Kirche gebaut werden. Vereinbart war, dass die Gräber aus dem nun öffentlichen Schneidersgarten dann zu der neuen Kirche in eine Gruft verlegt werden.

Grab der Familie Schneider in dem Park in Sudenburg.
Grab der Familie Schneider in dem Park in Sudenburg.
Foto: Uli Lücke

Gebaut worden ist diese neue Kirche für eine evangelische Gemeinde jedoch nie. Einzig das Gemeindehaus wurde errichtet. Mit der Weltwirtschaftskrise hatte sich die Investition erledigt, und die Gräber blieben, wo sie sind.

Alte Bäume im Gelände

Besonders viel Rückzugsort für die Natur gibt es angesichts der geringen Größe des Parks bei einer hohen Nutzung durch die Menschen zwar nicht. Doch ein paar Hecken bieten Schutz, und die Gräber in der Mitte des Parks sind sogar eingezäunt.

Vor allem gibt es aber auch in Schneidersgarten hochaufragende Bäume, die hoch über den Köpfen der Menschen, die hier offenbar von ihren Hunden ausgeführt werden, Unterschlupf für Vögel, Insekten und kleine Säugetiere bieten.

Am höchsten ragen von ihnen die Bäume auf der Südwestseite in den Himmel. Mehr als 30 Meter sind hier inzwischen zwei Eschen und eine Schwarz-Pappel-Hybride hoch. Nur wenig an der 30-Meter-Marke fehlt bei anderen Bäumen in Schneidersgarten. Zu ihnen gehören eine Linde und ein Spitzahorn, eine Schwarzkiefer, Robinien und auch ein Götterbaum.

Letztere Baumart hat zwar in den vergangenen Jahren arg an Beliebtheit verloren: Sie hat sich als so ausbreitungsfreudig erwiesen, dass sie einheimische Bäume verdrängt und als invasiv gilt. Auf der anderen Seite wird hier kein Stadtgärtner unbedacht die Säge ansetzen wollen: Muss man doch heute über jeden Baum froh sein, der heiße und trockene Sommer überlebt.

Während bei jüngeren Nachpflanzungen auch im Zuge der Kampagne „Mein Baum für Magdeburg“ genauestens bekannt ist, wann die Gehölze gesetzt wurden – bei den älteren Bäumen sind die Daten zur Pflanzung nicht mehr vorhanden. Es ist aber gut denkbar, dass einige der Bäume noch zu den Zeiten der Sudenburger Schneiders und damit vor mindestens 120 Jahren begannen, im Sudenburger Boden zu wurzeln.

In den vergangenen Monaten hat die Magdeburger Volksstimme in einer Serie bereits viele der Magdeburger Parks porträtiert: Lesen Sie unter anderem, warum der Hohepfortepark in der nördlichen Altstadt ein düsteres Geheimnis birgt und wieso der Klosterbergegarten einen Rekord für die Ewigkeit innehat.

Mit Bus und Bahn: Die nächstgelegene Straßenbahnhaltestelle ist die an der Jordanstraße. Normalerweise von der Straßenbahnlinie 10 bedient, fährt dort wegen der Sperrung der Hallischen Straße derzeit nur die Linie 5. Auch die Bus- und Straßenbahnhaltestellen Südring und Westring, wo neben der Linie 5 auch die Linien 1 und 52, am Südring auch die Linie 10, verkehren, sind fußläufig gut erreichbar. Der Bahnhof Magdeburg-Sudenburg, wo die Züge zwischen Burg und Braunschweig über Magdeburg halten, befindet sich in einer Entfernung von 1,3 Kilometern.

Mit dem Fahrrad: Die Hauptstraßen in der Umgebung – der Südring und die Halberstädter Straße verfügen über Radwege. Bei der Sudenburger Wuhne ist dies nicht durchgängig der Fall.

Mit dem Auto: Über eigene Parkplätze verfügt Schneidersgarten nicht. Allenfalls kann man sein Auto in den Anliegerstraßen abstellen. Dort herrscht zum Teil aber ein hoher Parkdruck.