Politik Ratschef wegen Corona-Kritik unter Beschuss
Gegen den CDU-Ratsvorsitzenden Michael Hoffmann hagelt es in Magdeburg Rücktrittsforderungen.
Magdeburg l Mit Rücktrittsforderungen sieht sich der Magdeburger Stadtratsvorsitzende Michael Hoffmann nach scharfen Angriffen auf die Bundesregierung und politische Gegner im Internet konfrontiert. Allein die AfD hält dem CDU-Mann noch die Stange.
Auf inzwischen gelöschten Einträgen in seinem Facebook-Profil zog Hoffmann im Januar 2021 gegen den Virologen Christian Drosten und die Bundesregierung als ein „Zentralkomitee Merkel“ zu Felde. Die Äußerungen stehen in einer Reihe mit älteren Wortmeldungen Hoffmanns, in denen er Verfechtern rot-rot-grüner Bündnisse „Hochverrat an der Deutschen Einheit“ vorwarf und sie „vor ein politisches Gericht“ wünschte. Bereits am Donnerstag hatte Oberbürgermeister Lutz Trümper (SPD) indirekt Hoffmanns Rücktritt gefordert und konstatiert, er habe sich mit diesen Äußerungen und einer brandgefährlichen Rede gegen Corona-Tests am 25. Januar 2021 im Stadtrat für das Amt disqualifiziert.
Gestern legen die Ratsfraktionschefs von Grüne/future!, SPD und Linke offene Rücktrittsforderungen nach. Olaf Meister (Grüne) nennt einen Rücktritt „die angemessene Reaktion“. Hoffmann könne nach solchen Äußerungen nicht mehr den Stadtrat repräsentieren. „Für den Fall, dass er nicht von selbst handelt, führen wir mit anderen Fraktionen bereits Gespräche über einen Abwahlantrag“, so Meister.
In die gleiche Kerbe schlägt SPD-Fraktionschef Jens Rösler. „Herr Hoffmann ist schon in der Vergangenheit mit kruden Äußerungen und grenzwertig-abwertenden Bemerkungen über politische Gegner aufgefallen.“ Dennoch hätte die SPD seine Wahl zum Ratsvorsitzenden 2019 mitgetragen, „auch weil er vor der Wahl versprochen hat, sich künftig zurückzuhalten und sachlich zu agieren“. Von dieser Vereinbarung sei Hoffmann klar abgerückt, urteilt Rösler und sagt: „Ich lege ihm eindeutig den Rücktritt nahe.“ Hoffmann teile inzwischen offenbar Ansichten und rhetorisches Auftreten von Corona-Leugnern, so Rösler. „Das passt viel eher zur AfD als zur CDU und schon gar nicht zum Repräsentanten des Stadtrates einer Landeshauptstadt. Auch die SPD werde für den Fall, dass Hoffmann nicht selbst zurücktritt, eine Abwahl in Betracht ziehen.
Ebenso wie Rösler rückt Linksfraktionschefin Jenny Schulz den Christdemokraten Hoffmann nach seinen jüngsten Äußerungen in die Nähe von Corona-Leugnern. „Nachdenken nicht Querdenken“, übertitelt sie namens ihrer Fraktion eine gestern abgegebene Erklärung. „Die Auftritte und Äußerungen zu den Corona-Maßnahmen durch den Stadtratsvorsitzenden Michael Hoffmann während der beiden vergangenen Stadtratssitzungen waren bereits außerordentlich irritierend für uns. Nun kommen Aussagen in den sozialen Netzwerken hinzu, die dem Anspruch, sich als Stadtratsvorsitzender neutral zu verhalten, in keinster Weise gerecht werden. Michael Hoffmann hat ganz offenbar jedes Maß an politischem Integrationswillen verloren“, schreibt Schulz. Die Linke fordert Hoffmann auf, sein Amt zurückzugeben, um Imageschaden für die Stadt abzuwenden und eine vertrauensvolle Arbeit für alle demokratischen Fraktionen im Stadtrat zu ermöglichen.
Mindestens „schwierig“ findet auch FDP-Ratsfrau Lydia Hüskens Hoffmanns Äußerungen. „Wir waren schon von seinem Auftritt am Montag (25. Januar 2021) im Stadtrat sehr irritiert.“ Hoffmann hatte sich gegen Corona-Tests vor der Ratssitzung positioniert, weil er an deren Sinnhaftigkeit zweifele. „Was muss ein Ratsvorsitzender leisten?“, fragt Hüskens vielmehr rhetorisch und gibt die Antwort gleich selbst: „Er muss die Sitzungen ordentlich leiten können. Das kann er. Und er muss in der Lage sein, den Stadtrat fraktionsübergreifend zu repräsentieren. Daran, dass er das kann, habe ich inzwischen Zweifel.“ Eine Rücktrittsforderung will Hüskens aber nicht aussprechen, sondern zunächst das persönliche Gespräch mit Hoffmann suchen. „Das gebietet einfach die Fairness und ich würde das bei jedem anderen auch so machen.“ Allerdings müsse er, Hoffmann, schon sehr gute Argumente zu seiner Verteidigung vorbringen können, um ihre Irritation und die weiter Teile des Rates zu beseitigen. Welche das sein könnten, kann sich Hüskens gestern selbst nicht vorstellen und geht auf Distanz zu Hoffmann.
Gleich tut es ihr Hoffmanns eigener Fraktionschef im Stadtrat, Wigbert Schwenke (CDU). Der Ball, sich zur Sache und zu den Rücktrittsforderungen zu äußern, liege zunächst einmal bei ihm selbst, so Schwenke. „Ich weiß, dass er schon selber mir sich ringt.“ In der Fraktion wolle man sich am kommenden Montag zum Thema besprechen, „dem will ich nicht vorgreifen“, sagt Schwenke und hält mit Kritik am eigenen Ratsvorsitzenden doch nicht hinterm Berg. „Seine Äußerungen auf Facebook sehe ich schon seit Jahren kritisch und habe ihn oft darauf hingewiesen und gewarnt. Kritik ist in Ordnung, aber nicht in dieser Art und Weise.“ Das werfe er ihm vor, so Schwenke, dass er diese Warnungen nicht ernst genommen habe. „Nun ist die Sache eskaliert. Das nehme ich mit großem Bedauern zur Kenntnis.“
Er selbst, so Schwenke, teile viele von Hoffmanns Ansichten nicht, „aber wir sind nun mal eine Volkspartei“. Weil er selbst schon länger genervt von Hoffmanns Einlassungen auf Facebook gewesen sei, habe er sich inzwischen von ihm entfreundet. „Ich habe aber natürlich Hinweise zu den jüngsten Einträgen erhalten, dann gesehen, dass er kaum Reaktionen darauf bekam – ein, zwei Likes vielleicht und davon noch eins von ihm selbst.“ Schwenke hat den Sprengstoff in Hoffmanns Äußerungen unterschätzt und auf Erledigung mangels Wahrnehmung gesetzt. Das Gegenteil ist jetzt der Fall und Hoffmanns Zitate machen in überregionalen Medien die Runde.
Michael Hoffmann selbst hatte in einer ersten Reaktion am Donnerstag gegenüber der Redaktion „überspitzte Formulierungen“ eingeräumt und dass „die Pferde mit ihm durchgegangen“ seien. An seiner kategorischen Ablehnung der Corona-Politik des Bundes hielt er aber fest und forderte ein schnelles Ende des Lockdowns. Zu Rücktrittsforderungen und Vorwürfen gegen seine Person will Hoffmann am Freitag nicht mehr Position beziehen und reagiert auf Nachfrage nur knapp: „Dazu gebe ich keinen Kommentar ab.“
Das einzige Ratslager, das sich mit Hoffmann solidarisiert, ist die AfD. „Die Worte von Herrn Hoffmann mögen hitzig gewesen sein, aber eine eigene Meinung zu haben, zu vertreten und auch zu äußern, ist Grundpfeiler unserer Demokratie“, sagt AfD-Fraktionschef Frank Pasemann. Es sei daher „eine Schande für die linksdriftende CDU, sich nicht vor Hoffmann zu stellen und einen potenziellen Oberbürgermeisterkandidaten zum Abschuss freizugeben“. Die AfD werde sich nicht an dieser „politischen Hexenjagd“ beteiligen. Tatsächlich hat sich Hoffmann CDU-intern als OB-Kandidat empfohlen. Pasemanns Statement kommt einer Einladung Hoffmanns zum Wechsel in die AfD und einer dortigen Kandidatur gleich.
Der Stadtrat tritt am 18. Februar 2021 zur nächsten Sitzung zusammen. Der von Grüne/future!, SPD und Linke erwogene Abwahlantrag bräuchte im Rat mindestens 29 Stimmen. Auf genau diese Zahl kommt das rot-rot-grüne Lager.