Weniger Pflanzen, weniger Tiere Gift im Fluss: Rückschlag an diesem Gewässer
Wissenschaftler enttäuscht: Warum erste Erfolge der Renaturierung eines Flüsschens in der Magdeburger Börde plötzlich verschwunden sind.

Magdeburg - Alle Gewässer sollen bis 2027 in einem guten ökologischen und chemischen Zustand sein – dieses Ziel formuliert die Europäische Wasserrahmenrichtlinie. Doch die Realität sieht anders aus: „Nur etwa fünf Prozent der Gewässer in Sachsen-Anhalt haben dieses Ziel bisher erreicht“, sagt Volker Lüderitz, Professor für Gewässer- und Renaturierungsökologie an der Hochschule Magdeburg-Stendal.
Forschungsprojekt in Sachsen-Anhalt: Renaturierung der Aller bei Wefensleben
Die Wiederherstellung eines annähernd natürlichen Zustandes von Fließgewässern ist ein langer Weg. Ein Forschungsteam unter der Leitung von Professor Lüderitz begleitet seit 2008 ein Renaturierungsprojekt an der Aller bei Wefensleben. In Zusammenarbeit mit der Landgesellschaft Sachsen-Anhalt wurden von 2009 bis 2014 Maßnahmen an einem Flussabschnitt umgesetzt, die seither kontinuierlich untersucht werden.
Die Aller war in Wefensleben vor über 100 Jahren begradigt und umverlegt worden, was zu einer starken Einschränkung der Lebensraumqualität führte. Unnatürliche Strömungsverhältnisse und ein Mangel an Strukturen im und am Gewässer ließ die Artenvielfalt erheblich sinken. Auch der Hochwasserschutz wurde beeinträchtigt.
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Die Renaturierungsmaßnahmen zielten darauf ab, den Fluss zurück in seinen ursprünglichen Lauf zu führen und auf diese Weise eine Verbesserung der ökologischen und hydrologischen Situation zu erreichen. Entlang des neuen Allerlaufs wurden zudem Erlen und Weiden angepflanzt, die für mehr Schatten und damit eine sinkende Wassertemperatur sorgen und die Entwicklung eines naturnahen Lebensraums unterstützen sollen.
Renaturierung in der Börde: Positiver Effekt verschwunden
Im Rahmen der Erfolgskontrolle wurden neben der allgemeinen Wasserqualität weitere biologische Aspekte untersucht. „Obwohl die umgesetzten Maßnahmen anfangs positive Auswirkungen zeigten, verschlechterte sich die Gewässerqualität im Laufe der Zeit wieder.
Schon 2019 stellten wir fest, dass der positive Effekt der Renaturierung, der 2014 noch beobachtet werden konnte, fast vollständig verschwunden war“, bemerkt Lüderitz.
Pestizide aus der Landwirtschaft belasten Gewässer
Ein wesentlicher Grund dafür sei laut Lüderitz die intensive Bewirtschaftung von Flächen oberhalb der Renaturierungsstrecke, die Feinsedimente wie Schlamm und Lehm sowie Pestizide in das Gewässer eintrage. Diese verstopfen den ursprünglich aus Kies bestehenden Gewässergrund und führten zum Rückgang anspruchsvoller Arten.
Lüderitz betont, dass der gesetzlich vorgeschriebene Gewässerschonstreifen in Sachsen-Anhalt kaum umgesetzt wird, wodurch der Fluss nicht ausreichend vor landwirtschaftlichen Einflüssen geschützt sei. „Die Rahmenbedingungen stimmen gegenwärtig noch nicht“, sagt der Professor.
Er verweist auf Rheinland-Pfalz und sagt, dass dort durch die Einhaltung von Pufferzonen bereits 30 Prozent der Gewässer einen guten ökologischen Zustand erreicht haben.