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Nur eine Hausnummer entfernt Schulbezirk: Familie Schienemanns Leben an einer "amtlichen" Grenze

Von Peter Ließmann 04.10.2011, 06:46

Das Thema "Schuleinzugsbereich" wird zurzeit in Magdeburg, vor allem im Stadtrat, heiß diskutiert. Darüber kann Jessy Schienemann nur milde lächeln. Sie hat ein ganz persönliches Problem mit den Grenzen von Schuleinzugsbereichen.

Stadtfeld West. Wenn Jessy Schienemann manchmal auf die Nummer ihres Hauses in der Flechtinger Straße schaut, kann sie nur noch den Kopf schütteln. Nicht, dass es ihr in ihrer neuen Wohnung nicht gefällt, allein, sie wohnt an einer "Grenze", die für sie und ihre Kinder fast undurchlässig scheint: Es ist die Grenze zweier Schuleinzugsbereiche.

Seit dem vergangenen Frühling wohnt Jessy Schienemann mit ihrem Lebenspartner und ihren drei Kindern Hannah (3), Elias (5) und Antonio (10) in der Flechtinger Straße 20. Aus Heyrothsberge sind sie nach Magdeburg gezogen, weil Jessy Schienemann im Klinikum Magdeburg eine Ausbildung zur Gesundheits- und Krankenpflegerin begonnen hat.

Sohn Antonio ist Grundschüler und könnte zur rund 700 Meter entfernten Grundschule Schmeilstraße gehen. "Ich dachte, das ist sehr praktisch, ganz nach dem Motto ,kurze Beine, kurze Wege\'". Jessy Schienemann geht also zur Grundschule "Schmeilstraße", um Antonio dort anzumelden. "Geht leider nicht", sagt die Schulsekretärin. Denn: Familie Schienemann wohnt in der Flechtinger Straße 20, der Einzugsbereich für die Grundschule beginnt aber erst ab der Hausnummer "21". Allerdings solle sie sich keine Sorgen machen, sondern zur zuständigen Grundschule gehen und eine Umschulung für ihren Sohn beantragen. Das werde eigentlich immer genehmigt, so die Sekretärin freundlich.

"Ich bin dann brav zur Grundschule Diesdorf gegangen, habe Antonio dort angemeldet und sofort eine Ausnahmegenehmigung beantragt", berichtet Jessy Schienemann. Auch dort habe man ihr gesagt, dass solche Anträge in der Regel genehmigt würden.

Zuversichtlich wartet die Neu-Magdeburgerin auf eine Nachricht vom zuständigen Landesverwaltungsamt in Magdeburg. Die kommt aber nicht und Jessy Schienemann fragt nach. Eine Woche später dann kommt die Mitteilung vom Amt: abgelehnt, allerdings noch nicht ganz, ein Anhörungstermin sei damit verbunden. Auf Nachfrage sagt man ihr, der Termin sei am 5. August beim zuständigen Sachbearbeiter. Ach nein, doch nicht, zu diesem Zeitpunkt sei der Sachbearbeiter im Urlaub. Es gehe am 12. August, da ihre Sache auch nur dieser Sachbearbeiter erledigen könne.

Am 12. August spricht Jessy Schienemann dort vor und bekommt eine Absage. Der Schuleinzugsbereich sei bindend, Ausnahmegenehmigungen nicht möglich. Die Frage nach einem möglichen "Ermessensspielraum" wird klar verneint. Dass ihr Sohn Antonio beispielsweise in seiner neuen Umgebung schon erste Freunde gefunden hat (Sozialkontakte also), die aber alle in die Grundschule Schmeilstraße gehen, dass die Grundschule Diesdorf 1,7 Kilometer entfernt liegt, dass sie als Krankenschwester Schichtdienst leisten müsse und der kurze Schulweg für sie deutlich praktischer wäre, all diese Argumente ziehen nicht. Ablehnung bleibt Ablehnung. Das offizielle Schreiben dazu kam übrigens zwei Tage vor Schulbeginn bei der Familie an.

"Dumm gelaufen", denkt sich Jessy Schienemann. Und plant vor. Für ihren Sohn Elias, der im kommenden Jahr eingeschult wird, beantragt sie vorsichtshalber schon in diesem Jahr die Ausnahmegenehmigung für den Schulwechsel. Die einleuchtende Begründung: Ihr Sohn Antonio wird ab dem Schuljahr 2012/13 in die Sekundarschule "Oskar Linke" gehen, die sich im gleichen Schulgebäude wie die Grundschule Schmeilstraße befindet. Antonio könnte also seinen kleinen Bruder Elias immer mit zur Schule nehmen. Wieder wäre das für die berufstätige Mutter eine sehr praktische Lösung.

Geschwisterregelung kein Argument

Und wieder spielt das Landesverwaltungsamt nicht mit. "In der vergangenen Woche habe ich für Elias ebenfalls die Ablehnung meines Antrags bekommen", berichtet Jessy Schienemann, jetzt richtig verärgert. "Geschwisterregelung" sei keine ausreichende Begründung, so die Schulbehörde. Zwar wurde ihr auch dieses Mal ein "Anhörungstermin" eingeräumt, aber "beim ersten Mal hatte ich schon den Eindruck, dass die Ablehnung bereits feststeht", ist Jessy Schienemann mehr als skeptisch.

Für ihren Sohn Antonio ist die Sache gelaufen, für Elias will Jessy Schienemann aber noch nicht aufgeben und umbedingt Widerspruch einlegen.

Das Ganze hat noch eine spezielle, wenn auch wenig lustige Pointe: Für Antonio, der jetzt mit dem Bus zur Grundchule Diesdorf fahren muss, hat Jessy Schienemann einen Antrag auf Erstattung der Fahrtkosten gestellt.

Und auch dafür eine Ablehnung bekommen. Der Grund: Sie wohnt "nur" 1700 Meter von der Grundschule entfernt, für eine Fahrtkostenerstattung müssten es schon 2000 Meter sein!