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Verkehr Schummelt die Stadt Magdeburg mit ihren Radwegen?

In Magdeburg gibt es ganz offiziell 533 Kilometer an Radwegen. Eine Zahl, an der einige Radfahrer erhebliche Zweifel haben.

Von Martin Rieß 16.06.2021, 00:21
In der Jakobstraße in Magdeburg beginnt der Radweg an der Einmündung der Straße Bei der Hauptwache und endet 150 Meter weiter an der Ernst-Reuter-Allee schon wieder.
In der Jakobstraße in Magdeburg beginnt der Radweg an der Einmündung der Straße Bei der Hauptwache und endet 150 Meter weiter an der Ernst-Reuter-Allee schon wieder. Foto: Martin Rieß

Magdeburg - Wie Magdeburg genau tickt, ist nicht ganz klar: Die eine Großstadt mag es nur schick finden, über viele Radwege zu verfügen. Die andere sieht in den Strecken eine Chance, den Radverkehr zu fördern und den einen oder anderen Autofahrer zum Umsteigen zu bewegen. Beide eint, dass sie Interesse daran haben, nach außen hin ein umfangreiches Radwegenetz zu präsentieren.

Laut der Magdeburger Stadtverwaltung gibt es in Magdeburg dementsprechend derzeit 533 Kilometer an Radwegen. Das sind 244 Kilometer mehr als noch im Jahr 2000. Doch hat sich die Gesamtlänge Magdeburger Radweg in reichlich zwei Jahrzehnten tatsächlich um 84 Prozent erhöht? Manch Radfahrer hat da Zweifel. Und der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) wird deutlich. In einem Statement heißt es klipp und klar: „Die Angaben zur Länge der Radwege in Magdeburg sind falsch.“

Zweifel bei den Radfahrern

Mitglieder des ADFC hatten sich mit Mitgliedern der Initiative „Gemeinsam-Handeln-Magdeburg“ ausgetauscht und die Zahlen der vergangenen Jahre überprüft. Nach Berechnung des ADFC ist die Zahl weit von der Realität entfernt.

Der Trick: Einen nicht unerheblichen Teil der 533 Kilometer machen ländliche Wege aus. Diese, so die Radfahr-Lobbyisten, seien aber „natürlich keine ausschließlich dem Radverkehr vorbehaltenen Strecken“. Magdeburgs ADFC-Vorsitzender Norman Dreimann erläutert die Kritik seines Verbands: „Feldwege werden manchmal von Radfahrenden mitgenutzt. Dies macht sie jedoch noch nicht zu Radwegen.“ Auf echten Radwegen dürften nämlich keine Landmaschinen oder andere Kraftfahrzeuge fahren, berichtet er.

150 statt 800 Meter an der Jakobstraße

Aber nicht allein die ländlichen Wege trieben die Radwegkilometer der Stadt in die Höhe. Auch bei der Zählung der straßenbegleitenden Radwege gebe es Probleme. So gab die Stadt in einer kürzlich veröffentlichten Stellungnahme im Stadtrat an, dass ein Radweg anhand der Länge der Straße erfasst wird. Führt der Radweg aber nicht entlang der gesamten Straße, bliebe die Differenz unberücksichtigt. „Entlang der Jakobstraße gibt es beispielsweise einen 150 Meter langen Abschnitt, an dem auf beiden Seiten ein Radweg existiert. Insgesamt ist die Jakobstraße aber 800 Meter lang. In die Statistik gehen also 1600 Meter Radweg statt der real existierenden 150 Meter beidseitigem Radweg ein, da die Stadt zusätzlich noch beide Richtungen gesondert darstellt“, erklärt Norman Dreimann. Bei Straßen ist eine solche doppelte Zählung hingegen nicht üblich.

Nur in einem Punkt widerspricht Michael Reif, Sprecher der Stadtverwaltung, den Vorhaltungen des ADFC: „In den statistischen Zusammenstellungen erfolgt nicht - wie angenommen - eine doppelte Erfassung bei beidseitigen Radwegen.“ Berechnet werden die Längen auch von Fuß- und Radwegen anhand einer Achse, die sich in der Regel in der Mitte der Fahrbahn befindet.

Doch das Beispiel aus der Jakobstraße entkräftet Michael Reif nicht: „Wenn der Radweg nicht den gesamten Straßenabschnitt entlang führt, bleibt diese Differenz unberücksichtigt“, bestätigt er auf Nachfrage der Volksstimme den Vorwurf des ADFC.

Nur ein kurzes Stück der Jakonstraße in Magdeburg hat einen echten Radweg.
Nur ein kurzes Stück der Jakonstraße in Magdeburg hat einen echten Radweg.
Kartenmaterial: OpenStreetMaMitwirkende, Grafik: prePress Media Mitteldeutschland GmbH

Im Falle der ländlichen Wege ist die Stadt aber auch in guter Gesellschaft. Denn in ganz Sachsen-Anhalt wird beim Ausbau der ländlichen Infrastruktur auf eine Mehrfachnutzung des Wegenetzes gesetzt. Das bedeutet: Hier sollen landwirtschaftlicher Verkehr, Forstverkehr und Radverkehr fließen. Und teilweise handelt es sich auch um Deichverteidigungswege.

Die Koordinierung dieser Wege in den Wäldern und Feldfluren erfolgt über die Ämter für Landwirtschaft, Flurneuordnung und Forst. „Daher wurde bei der Erfassung des Wegenetzes grundsätzlich auch von einer Nutzung als Radweg ausgegangen“, erläutert Michael Reif.

Zuletzt hatte es auch im Stadtrat Diskussionen um Radwege gegeben. Anlass war, dass ein asphaltierter Weg am Klosterbergegarten weggenommen wird, so dass nur noch eine parallel verlaufende, befestigte Strecke vorhanden ist. Kritiker befürchten, dass es nun auf dem auch von Fußgängern viel genutzten Weg eng wird.