Fassade an der Regierungsstraße fertig / Mehr als 100 Mieter lebten monatelang auf einer von Magdeburgs bekanntesten Baustellen So lebt es sich hinter der "Wobau-Welle"
Von Kleingarten bis Sonnenbank - viele Mieter der "Wobau-Welle" an der
Regierungsstraße freuen sich über neue große Balkone und eine schöne
Aussicht. Die Fassade des ehemaligen Bauarbeiterhotels ist nun offiziell
fertig. Doch neben Lob gibt es auch Kritik.
Altstadt l Wenn Marie Madeleine Wagner auf ihrem Balkon steht, zwischen all ihren Pflanzen, und auf die Elbe schaut, dann ist sie glücklich. "Die Aussicht ist einfach schön", sagt die 84-Jährige. Mit ihrem Mann Max lebt sie seit mehr als 30 Jahren in dem Wohnblock an der Regierungsstraße. Die geschwungene Fassade (Wobau-Welle) ist in ganz Magdeburg Gesprächsthema.
Am späten Dienstagnachmittag wurde das ehemalige Bauarbeiterhotel (siehe Infokasten) offiziell übergeben. Oberbürgermeister Lutz Trümper (SPD) und Heinrich Sonsalla, Chef der Wohnungsbaugesellschaft Magdeburg (Wobau), waren da. "Alle freien Wohnungen sind vermietet. Es gibt lediglich fünf ehemalige Studenten-Wohnungen, die noch innen hergerichtet werden müssen", sagt Sonsalla auf Volksstimme-Nachfrage.
Hobby-Gärtnerin Marie Madeleine Wagner kennt in ihrem Eingang fast alle. "Unser Haus ist jetzt ein echter Hingucker", schwärmt sie. Auf ihrem Balkon stehen Olivenbäumchen, Palmen, Tomatenpflanzen und sogar kleine Zitronen-Gewächse. Durch die neue Balkon-Verglasung entwickeln sich die Planzen gut. "Wenn die Sonne scheint, ist es wie im Gewächshaus", sagt sie. Dann sitzt auch die 84-Jährige entspannt in ihrem Liegestuhl.
Da stört sie es auch nicht, dass es eine Mieterhöhung geben wird. "Es wird eine Modernisierungspauschale auf die Jahresmiete umgelegt. Hierüber haben wir jeden Mieter individuell informiert", sagt Wobau-Chef Sonsalla. Bei Marie Madeleine Wagner sind das ungefähr einhundert Euro mehr. "Wenn mein Mann und ich nicht beide Rente bekämen, würde das nicht reichen", sagt sie. Für ihre Zweiraum-Wohnung bezahlt das Ehepaar derzeit etwas mehr als 400 Euro im Monat.
Auch Ingrid und Bernhard Maring wissen bereits, dass sie für ihre 70-Quadratmeter-Wohnung bald monatlich mehr zahlen müssen. Wie viel, steht noch nicht fest. "Aber unser Ausblick ist unbezahlbar", schwärmt Ingrid Maring, die mit ihrem Mann seit 17 Jahren in dem Block an der Regierungsstraße wohnt. Anfangs sei sie skeptisch gewesen. "Ich finde, die Fassade sieht richtig gut aus. Und wenn Touristen vor unserem Haus entlang- schlendern, sind wir der Hingucker", freut sie sich.
Ein gutes Gefühl beim Anblick des Hauses hat auch Architektin Sandra Oheim. "Sogar französische Gazetten haben über unseren eleganten Plattenbau berichtet. Da freut sich das Architektenherz und das motiviert für neue Projekte", sagt Oheim. Ins Schwärmen gerät sie, wenn sie von der Planung des außergewöhnlichen Objektes spricht. Denn während der Sanierung blieben alle Mieter drin. "Hier muss man mit vielen Grenzen umgehen können", sagt Oheim. Ziel sei es gewesen, eine besonders leichte Konstruktion zu entwickeln, die statisch nicht mehr Lasten als vorher in das Gebäude einbringt. "Gleichzeitig sollte natürlich der Wohnwert erhöht werden durch größere Balkonflächen. Das ist ein scheinbarer Widerspruch, doch wir konnten ihn lösen", erklärt die Architektin.
So wurden etwa die Eckbalkone zusätzlich durch eine Stahlkonstruktion vom Dach her abgehängt und mit einem Gegengewicht rückgesichert. "Das hatte etwas von Uhrmacherarbeit im Großformat", sagt Oheim. Die weiße Wellenfassade besteht aus einem Wechselspiel aus verglasten Wintergärten und offenen Balkonen.
Das von Ortskundigen häufig als "Bauarbeiterhotel" bezeichnete Wohnhaus an der Regierungsstraße 37 ist Mitte der 1960er-Jahre errichtet worden.
In den fünf Eingängen befinden sich mehr als 140 Wohnungen. Laut Wohnungsbaugesellschaft Magdeburg (Wobau) sind mehr als drei Millionen Euro in die Sanierung des Wohnhauses geflossen. Das meiste Geld (1,7 Millionen Euro) hat dabei die Sanierung der Balkone gekostet.