Sprache Magdeburger*in auf Ratsbefehl
Die Reaktionen auf den Antrag, die Stadt zu gendergerechter Sprache zu verpflichten, waren gespalten. Eine Mehrheit stimmte am Ende zu.
Magdeburg l Was immer im Namen der Stadt Magdeburg künftig aufgeschrieben wird – in Broschüren und Hausmitteilungen, Briefen und Formularen, Flyern und E-Mails – es soll geschlechtergerecht zugehen. Im Klartext: Aus Teilnehmern werden Teilnehmende, aus Veranstaltern werden Veranstaltende, aus Wahlberechtigten wird die wahlberechtigte Bevölkerung. „Ist eine solche Formulierung nicht möglich, wird das Gender-Sternchen eingesetzt“, heißt es im Vorschlag der Linksfraktion und meint etwa die Magdeburger*innen.
Die hauptsächlich das generische Maskulinum verwendende Sprache sei „das Ergebnis jahrhundertelanger Benachteiligung von Frauen“, begründete Nadja Lösch (Linke) den Antrag ihrer Reihen. „Jetzt muss ich mich zusammenreißen“, raunte CDU-Mann Matthias Boxhorn zurück – und tat es, indem er die weitere Debatte wohl kopfschüttelnd, aber wortlos verfolgte.
Anders Ronny Kumpf (AfD). „Man hat das Gefühl, das Land wird von Idioten regiert“, ätzte der zornig ins Mikrofon. Gender-Gaga zerstöre die Sprache. „Und wenn Herr Trümper einmal nicht mehr ist – obwohl wir hoffen, dass er uns noch lange erhalten bleibt –, bekommen wir eine Bürger*innen-meister*inkandidat*in?“
Jens Rösler (SPD) gab Kumpf Kontra: „Wenn man Ihre Sprache hört, finde ich die noch viel schlimmer.“ Die Gleichstellungsbeauftragte Heike Ponitka verwies darauf, dass die geschlechtergerechte Sprache Grundgesetz-Ziel sei und auch die Duden-Redaktion nach anfänglicher Skepsis ihre Haltung geändert habe. Eine geschlechtergerechte Sprache setze geltendes Recht um. Die „Europäische Charta für die Gleichstellung von Frauen und Männern auf lokaler Ebene“ fordert einen neuen Sprachgebrauch. Der Deutsche Städtetag empfiehlt Kommunen im Lande, dem zu folgen.
SPD-Frau Julia Brandt räumte ein, selbst zu den Skeptikern gehört zu haben – bis zu einem persönlichen Erlebnis. „Ein Bekannter hat mich gefragt, ob – wenn wir uns schon im Sprachgebrauch keine Gedanken darüber machen, wirklich alle zu erreichen – nicht auch anzunehmen sei, dass wir auch wirklich nicht an alle denken in unserer Gesellschaft.“ Dass daran Teilen des Stadtrates auch gar nicht gelegen sei, das sei offensichtlich, so Brandt mit Blick auf die AfD.
Brandt selbst ist heute Verfechterin neuer Sprachpraxis, die neben Geschlechtergerechtigkeit auch Verständlichkeit (keine Fremdwörter) einbezieht. „Sie schließen rückwärtsgewandt Menschen aus. Wir setzen geltendes Recht um“, attackierte Brandts Fraktionskollege Christian Hausmann die AfD.
René Hempel (Linke) beobachtet eine Entwicklung unter jüngeren Menschen, der die Realität im Rathaus noch weit hinterherhinke. „Schon im Kindergarten fordern Mädchen ein, auch als solche angesprochen zu werden. Ich glaube, manche im Saal fühlen sich heute einfach in ihrer Männlichkeit schwer getroffen, so wie die Stadträtin Kumpf. Ich schlage vor, dass wir hier mal ein ganzes Jahr lang nur in weiblicher Form reden.“
Am Ende stimmte eine Ratsmehrheit aus Linke, Grüne/future!, SPD und einzelnen Räten von FDP und Kleinfraktionen für eine neue und gendergerechte Sprachkultur im Rathaus. AfD, Teile der CDU und einzelne Stadträte wie Gartenpartei-Mann Marcel Guderjahn lehnten genau dies ab; weitere Christdemokraten enthielten sich der Stimme.
Oberbürgermeister Lutz Trümper (SPD) richtete sich zum Schluss mit einem Appell an die Ratsgemeinde: „Ich bitte Sie nur darum, dass Sie diese Anforderung nicht nur an künftige Veröffentlichungen der Verwaltung stellen, sondern dass die Fraktionen diesen Beschluss ebenso umsetzen.“