Volksstimme-Serie über das Aufräumen in Rothensee / Heute: Zwei junge Familien berichten Unbändige Fluten zum Start ins Leben
Magdeburg - Rothensee l Glück und Unglück liegen in Rothensee derzeit nah beieinander. Während die eine Straße gerettet werden konnte, wurde die andere zum reißenden Fluss. Zwei Familien berichten.
Die Bilder von der Hohenwarther Straße, die am Sonnabend der Flut durch die Nachrichten gingen, zeigen die Wucht, mit der sich das Wasser dort seinen Weg bahnte. Tage später liegen die Pflanzen und Sträucher in den Rabatten entlang des Gehwegs immer noch am Boden. Die Strömung hatte sie niedergedrückt.
Stefan Rabe geht mit Tochter Lucy und deren Freundin Nele durch die Straße, auf der sich Sperrmüllberge vor jedem Hauseingang auftürmen. Auch Neles Familie wohnt dort, sie hat das Hochwasser mit der eingangs beschriebenen Wucht getroffen. Anfangs haben sie und ihr Mann die Prognosen zwar skeptisch beobachtet, aber den Zusagen des Oberbürgermeisters vertraut, erzählt Jessica Burkhardt.
Doch von seinem Arbeitsplatz konnte ihr Mann beobachten, wie das Hafenbecken II volllief. "Als dann in der Nacht zum Sonnabend über Facebook dort dringend Helfer gesucht wurden, haben wir zumindest den Inhalt der Schränke im Keller und in der Garage gerettet", erinnert sie sich.
Was ohnehin schwierig ist, war für die junge Mutter eine doppelte Belastung. Erst wenige Tage zuvor wurde sie nach einem Kaiserschnitt aus dem Krankenhaus entlassen. Die Möbel wollten sie dann eigentlich am Sonnabend hochräumen. Doch dafür war es längst zu spät, das Wasser lief bereits über den August-Bebel-Damm, im Keller stieg es ebenso unaufhörlich.
Die Ölheizung lief aus, eine stinkende Schicht bedeckt heute den Boden des Erdgeschosses. Die Etage ist unbewohnbar, doch viel tun können sie noch nicht, erzählt sie. Denn erst muss der Gutachter der Versicherung die Schäden dokumentieren. "Doch der kommt frühestens in drei Wochen", sagt Jessica Burkhardt, die sich mit ihrem Neugeborenen behelfsmäßig im Wintergarten eingerichtet hat.
Ein Gutes hatte das Hochwasser jedoch. "Die Leute sind wieder zusammengerückt. Hier hat nicht jeder seinen Sandsack vor seinem Haus geschippt. Die Firma Wuttke hat zum Beispiel die Männer, die dageblieben sind, mit Essen versorgt", erzählt sie.
Familie Rabe wohnt in der Straße Am Deichwall, ganz am Ende. Bis dorthin hat es das Wasser nicht geschafft. Zumindest oberirdisch, durch den Keller drang es doch ein. Auch hier liegt ein Schlauch, aus dem es beständig sprudelt. "Es läuft seit zwei, drei Stunden, drei Treppenstufen sind geschafft", sagt Stefan Rabe. Strom gibt es zu diesem Zeitpunkt noch nicht, das Notstromaggregat leistet aber gute Dienste.
Er ist wie viele andere Rothenseer, vor allem Männer, aber auch "unsere starken Frauen", wie er betont, am Flutwochenende daheim geblieben. Um es gegen das Wasser zu verteidigen und vor möglichen Plünderern zu schützen. "Die Kinder waren schon besorgt um ihre Papas", glaubt er.
Als das Wasser schon am Anfang seiner Straße stand, haben sich die Anwohner selbst von den Sandsack-Paletten bedient, die oben ungenutzt auf dem Bebel-Damm standen. Niemand fühlte sich zuständig. Was die Zerstörung des Anwohnerdamms an der Einfahrt zur Hohenwarther Straße betrifft, hat Stefan Rabe eine klare Meinung: "Das war keine schöne Aktion, aber es musste sein." Kritik hat er aber deswegen an den Einsatzkräften vor Ort. "Hätte man den Leuten einmal richtig erklärt, warum man den Damm einreißen muss, wäre weniger Aufruhr gewesen", meint er.
Auch er schwört auf den Zusammenhalt. Bei einer Familie in seiner Straße hatte ein Stück Treibgut die Trinkwasserleitung gekappt. Aber die Nachbarschaftshilfe funktionierte auch hier, alle versorgten sie mit. "Man hilft sich halt untereinander", sagt Stefan Rabe.
Nach dem Aufräumen stellen sich die Betroffenen auch viele Fragen hinsichtlich der bevorstehenden Arbeit an Haus und Grundstück. Um die schnell und auf kurzem Wege zu klären, führt die Verbraucherzentrale für die Hochwasseropfer in Rothensee morgen einen kostenlosen Aktionstag auf dem Parkplatz der Stadtsparkasse, Forsthausstraße 26, durch. Von 9 bis 16 Uhr stehen Berater zu den Themen Bauen, Energie, Versicherung und Ernährung bereit.