Schädlinge und Trockenheit Vom langsamen Sterben der Kreuzhorst in Magdeburg
Schädlingsbefall rafft reihenweise Eschen, Ahorn und Ulmen in der Magdeburger Kreuzhorst dahin. Dazu leidet der Baumbestand unter der Trockenheit. Um den Wald für die Zukunft zu erhalten, muss laut dem Revierförster jetzt gehandelt werden.
Magdeburg - Auf den ersten Blick scheint alles grün und gesund. Vögel zwitschern. Ein Specht klopft rhythmisch gegen das Holz. Über den Wipfeln zieht ein Adler seine Runde. Auf der Dornburger Alte Elbe schwimmt eine Schwan-Familie. Die Jungtiere sind noch ganz grau im Gefieder.
Was wie ein Naturparadies anmutet, ist schwer bedroht. Die Kreuzhorst, die sich auf einer Fläche von 282,25 Hektar im Osten von Magdeburg erstreckt, scheint langsam zu sterben. Um das zu erkennen, braucht es den fachmännischen Blick eines Försters. Was der zum Zustand des Naturschutzgebietes berichten kann, ist erschreckend. Wenn nicht allzu bald etwas geändert wird, könnte der Wald in seinem bisherigen Zustand nicht mehr lange bestehen bleiben. Eines der wesentlichen Schutzziele für die Kreuzhorst – den Auenwald als einmaligen Lebensraum etwa für den Elbebiber zu erhalten – würde damit verloren gehen.
Einer, der das Naturschutzgebiet wie kaum ein anderer kennt, will sich damit nicht abfinden. Treffpunkt Wanderparkplatz an der Kreisstraße zwischen Prester und Pechau. Jens Dedow, Leiter des Forstreviers Elbaue, zu der die Kreuzhorst gehört, hat sich Zeit genommen, um bei einem Rundgang über den Zustand des Naturschutzgebietes zu sprechen. „Grundsätzlich kann man davon ausgehen, dass die Natur uns nicht braucht“, sagt er zu Beginn. Klar, der Wald, so krank und geschwächt er sich gerade darstellen mag, würde auf lange Sicht von selbst wieder zu einem Gleichgewicht kommen.
Auf dem Weg dahin würde er sein Antlitz jedoch radikal verändern, licht werden und nicht mehr die Aufgaben erfüllen, die man ihm eigentlich zutraut. „Ein gesunder, leistungsstarker Wald kann deutlich mehr für den Klimaschutz tun.“ Konkret: Er dient als Luftfilter und Klimapuffer, produziert Sauerstoff, bindet das CO2, speichert Wasser im Boden und liefert letztlich auch auf nachhaltigem Wege den Rohstoff Holz.
Plädoyer für einen aktiven Naturschutz im Wald
Warum all dies gefährdet ist, wird wenig später deutlich. Man braucht nicht weit in den Wald zu fahren, da fällt der Fachmann schon die ersten, vernichtenden Urteile. „Hier rechts ist eine Ulme tot“, sagt er und deutet auf den kranken Stamm. „Esche tot, Eiche tot.“
Die Gründe sind verschieden: Eine beträchtliche Anzahl von Eschen in der Kreuzhorst ist von einem Pilz befallen, der dafür sorgt, dass die Bäume nicht mehr austreiben und allmählich absterben. Derart geschwächt, werden sie anfälliger für andere Schädlinge. Um die Symptome des Eschentriebsterbens zu sehen, muss man in die Höhe blicken. „Unten ist es grün, aber oben wird es immer lichter“, erklärt der Förster. Und tatsächlich: Ganze Baumreihen stehen dieser Tage schütter im Wald.
Ein anderer Pilz befällt Ahornbäume. Schwarze Sporen am Stamm zeugen davon. Die Ahorn-Rußrindenkrankheit lässt die Bäume ebenfalls absterben. Jens Dedow konstatiert: „Wenn die Kreuzhorst nicht unter einer Pandemie leidet, dann weiß ich auch nicht.“ Neben Pilz und Käfer setzt zusätzlich die Trockenheit dem Baumbestand zu. Was bei der Runde durch die Kreuzhorst noch auffällt: Entwurzelte Bäume liegen umgestürzt herum. Am Wegesrand breitet sich das Unterholz aus, was wiederum den jungen Bäumen die Möglichkeit nehmen kann, sich zu entwickeln. Was wie ein Urwald anmutet, könnte dem Wald bei der Verjüngung hinderlich sein. Aus der Ferne betrachtet, stimmt noch ein anderes Panorama nachdenklich. Am Waldrand mischt sich viel braun zwischen das Grün.
Jens Dedow plädiert für einen gestalteten Naturschutz: „Es ist eine Sache des gesunden Menschenverstandes zu sagen, wir müssen hier ran.“
Dedow sagt das schon länger. Bisher stößt er auf Granit. Beispiel: Vieles von dem, was da tot im Wald steht, muss stehen bleiben. „Der Baum darf so alt werden, wie er will.“ Grund sei die forstliche Behandlungsrichtlinie für das Naturschutzgebiet Kreuzhorst. Gemäß der zugrundeliegenden Verordnung dürften aktuell maximal 15 Prozent des geringwüchsigen Vorrats sowie 5 Prozent des Alt-Bestandes pro zehn Jahre entnommen werden. Zum Vergleich: Im Wirtschaftswald seien es zwischen 25 und 30 Prozent. Wiewohl auch dort auf ein nachhaltiges Gleichgewicht geachtet würde, meint der Förster. Schließlich sollen noch Generationen danach aus den Wäldern ernten können. Bei der Aufforstung gilt: „Man pflanzt in der Jugend sehr viel mehr Bäume, als es die Natur von sich aus tun würde.“
Aufforstung: Eichen als Initialwald pflanzen
Jens Dedow will dem langsamen Sterben der Kreuzhorst nicht tatenlos zusehen: „Ich könnte sagen, ’nach mir die Sintflut’, aber das ist nicht mein Anspruch.“ Seit vielen Jahren schon kümmert er sich um das Revier. „Wir müssen jetzt handeln, um die Kreuzhorst für nachfolgende Generationen zu erhalten.“
Dafür braucht es einen langfristigen Plan. Zuvorderst müsste jedoch die Naturschutzverordnung angepasst werden, um überhaupt eine nachhaltige Forstarbeit möglich zu machen. Und danach? Der Revierförster meint, es müssten größere Flächen mit kranken und toten Bäumen aus der Kreuzhorst entnommen werden. Nach einer entsprechenden Vorbereitung der Bodenflächen sollte dort dann gezielt neu aufgeforstet werden. „Ich könnte mir gut vorstellen, dass man dort Eichen als Initialwald pflanzt.“ Über den Anflug schicke die Natur dann Eschen, Ulmen und Ahorn ganz von alleine. In den ersten Jahren müsste das junge Waldstück noch konsequent gepflegt werden. Nach drei bis vier Jahren könnte es sich selber überlassen werden.
Die Vorbehalte gegen Fällarbeiten in Größenordnungen dürften groß sein. Auch, weil mitunter ein Verständnis dafür fehle, was die Forstwirtschaft eigentlich erreichen möchte. Ohne einen abschnittsweisen Kahlschlag wird der Waldumbau nicht mehr klappen können, so der Revierförster. Wenn aber weiter nichts unternommen würde, was passiert mit der Kreuzhorst? „Es wird ein Wald werden, der dem natürlichen Lauf folgt. Es wird kein Wald sein, der begehbar ist, weil alles zusammenbricht, kein Holz kann mehr produziert werden und der Wald wird nicht mehr für den Klimaschutz helfen.“