Hygiene Warum Magdeburger Medizinstudenten Spender für Tampons und Binden entwickeln
Kein Tabu: Hygieneartikel wie Binden und Tampons sollten zur Standardausstattung öffentlicher Toiletten zählen. Zwei Magdeburger Studenten entwickelten dafür eine Box - mit vielen Vorteilen.
Magdeburg - Auf dem Magdeburger Mediziner-Campus gibt es ihn schon – einen Spender für Menstruationsartikel. Die Studenten Katharina Weißig und Corvin Groß haben die Box für Binden und Tampons in der Frauentoilette der Bibliothek angebracht. Doch nicht nur das. Sie haben diesen Spender auch selbst entwickelt. Und treffen damit einen Nerv der Zeit.
Bereits im März 2021 brachte die Fraktion Die Linke im Stadtrat einen Antrag zum Thema ein. Ziel: In allen städtischen Schulen, kommunalen Bildungseinrichtungen sowie Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen sollen Menstruationsartikel wie Binden, Tampons und Slipeinlagen kostenfrei für Kinder und Jugendliche zur Verfügung gestellt werden.
Von einigen Magdeburgern belächelt oder in sozialen Netzwerken mit abfälligen Kommentaren gar verhöhnt, will die Fraktion damit der Ungleichbehandlung von Frauen entgegentreten. Denn Hygieneartikel seien eine finanzielle Mehrbelastung. Zudem soll das Thema kein Tabu mehr sein.
Zeichen der Gleichstellung
Das sieht auch die Stadtverwaltung so. Sie erkennt jetzt in einer Stellungnahme den Antrag als „Zeichen der gesellschaftlichen Anerkennung und Gleichstellung an“. Während Toilettenpapier und Seife allen zur Verfügung steht, sucht man Frauen-Hygieneartikel in öffentlichen Gebäuden meist vergebens. Dabei sollte der Umgang mit diesem Thema in einer aufgeklärten Gesellschaft selbstverständlich sein, heißt es weiter. Genauso wie die Verfügbarkeit der entsprechenden Artikel.
Kritisch sei jedoch die finanzielle Umsetzung. Eine gesetzliche Regelung gebe es nicht. Somit wäre die Ausstattung der Toilettenräume mit Periodenprodukten eine freiwillige Leistung. Bislang ist diese im städtischen Haushalt nicht vorgesehen. Ebenso wenig liegen Erfahrungswerte vor. Was wird die Ausstattung am Ende kosten?
Die Medizinstudenten Corvin Groß (23) und Katharina Weißig (22) kennen die Antwort. Unter 100 Euro kostet ihr Kombi-Spender für Tampons und Binden. Auf diesen Preis konnten sie ihre Eigenentwicklung senken. Mehrere Wochen haben sie an ihrem Produkt getüftelt. Sie wollten es besser machen als die Angebote, die es bisher gab, angetrieben von der Idee, auf ihrem Campus mit Unterstützung des Fachschaftsrates und später der Uni-Leitung kostenfreie Menstruationsartikel anbieten zu können - ganz nach dem Vorbild Schottland.
Mit 3D-Drucker Teile für Prototypen gefertigt
Bei ihrer Recherche trafen die Studenten aus Berlin nur auf Produkte, die nicht ihren Ansprüchen genügten. Entweder waren die Spender aus Plastik und damit zu unhygienisch und nicht nachhaltig. Oder die professionelleren Boxen mit etwa 500 Euro zu teuer in Anschaffung, Wartung und Wiederbefüllung. Zudem würden diese Spender oft Strom benötigen und an Produkte bestimmter Hersteller gekoppelt sein.
Die zwei Studenten nutzten im Winter die Semesterferien und bauten an einem Prototypen. Anfangs entstanden Pappmodelle, später entwickelten die beiden mit Hilfe eines 3D-Druckers ein Modell aus einer Art Plastik. Über Nacht spuckte der Drucker die Teile dafür aus.
Für Corvin Groß war es nicht das erste Projekt dieser Art. „Schon seit meiner Jugend probiere ich viel mit Modelltechnik aus. Mein Hobby war unter anderem das Modellfliegen“, erzählt der angehende Mediziner. Kaum war die erste Box fertig, ließen die Studenten ihren Spender bei einer Firma aus zwei Millimeter starkem Edelstahl anfertigen. „Die Firma lasert die Stücke aus einer Platte und biegt sie. Pro Spender sind das zwei bis drei Teile, die wir dann zusammenbauen“, berichtet Corvin Groß.
100 Tampons und 40 Binden passen in einen Spender
Ende April brachten sie die erste Kombi-Box in der Damentoilette ihrer Uni-Bibliothek an. Das Modul besteht aus einem Spender für bis zu 100 Tampons und 40 Binden. Größe und Marke der Produkte spielen dabei keine Rolle. Für die Boxen ist kein Strom notwendig. Durch einen Schlitz an der Seite ist zu erkennen, wie viele Produkte noch im Spender vorhanden sind und wann nachgefüllt werden muss. Eine aufwendige Wartung sei nicht notwendig. Name des Spenders: Periodically.
Mit ihrem Produkt bewegen sich die zwei Studenten auf der Erfolgsspur. Was zunächst als Test begann, soll bald ausgeweitet werden. Ziel ist es, unter anderem die Toiletten auf dem gesamten Campus damit zu bestücken. Mittlerweile gebe es sogar schon Anfragen aus anderen Städten wie Hamburg und Düsseldorf. Nun sollen sogar größere Stückzahlen gefertigt werden.
„Wir haben jetzt aus rechtlichen Gründen eine Firma angemeldet. Damit dürfen wir die Spender auch vertreiben“, berichtet Corvin Groß, der damit ein echtes Start-up gegründet hat. Mit einem Teil der Einnahmen wollen die Studenten später Einrichtungen für Bedürftige unterstützen, zum Beispiel Obdachlosenheime und Frauenhäuser. Und wer weiß, vielleicht hängen ihre Spender bald auch in Magdeburgs Schulen und Kinder- und Jugendeinrichtungen.
Stadtverwaltung Magdeburg will Ergebnisse 2022 vorlegen
Die Stadtverwaltung schlägt unabhängig von der Entwicklung der Studenten ein Pilotprojekt vor. Je Schulform soll eine Schule ausgewählt werden. Projektbeginn könnte zum neuen Schuljahr sein. So sollen Kosten und Verbrauch ermittelt werden. Erste Ergebnisse könnten nach dem ersten Halbjahr, also im Frühjahr 2022, dem Stadtrat vorgelegt werden.