Wenn Menschen nur noch in ihrer eigenen Traumwelt leben
Jan ist acht Jahre alt. Er frühstückt jeden Morgen um Punkt 7 Uhr mit seinen Eltern. Doch heute musste sein Vater früher zur Arbeit. Seine Mutter hat verschlafen und weckt ihn deshalb eine Viertelstunde zu spät. Jan empfindet Angst und Stress. Er ist aggressiv. Sein Tagesablauf ist zerstört. Er ist durcheinander.
Wir haben Jan zwar erfunden, aber so oder so ähnlich geht es schätzungsweise einigen 100000 von Autismus betroffenen Menschen in Deutschland. Autismus gilt im Wesentlichen als eine tiefgreifende Entwicklungsstörung in der Wahrnehmung und der Informationsverarbeitung. Die Betroffenen kapseln sich von ihrer Umwelt ab, scheinen in ihrer eigenen Phantasie- und Traumwelt zu leben. Im Spektrum der vielfältigen Erscheinungsformen und unterschiedlichen Ausprägungen unterscheidet man vor allem den frühkindlichen Autismus und den Asperger Autismus.
Bei beiden Varianten leiden die Betroffenen an einer massiven Störung im sozialen Umgang mit anderen, Schwierigkeiten im Sprachgebrauch und dem Sprachverständnis sowie sich wiederholenden und einförmigen Verhaltensweisen. Während der frühkindliche Autismus schon in den ersten drei Lebensjahren diagnostiziert wird, bekommt der Asperger-Autist frühestens ab dem dritten Lebensjahr die Diagnose. Nicht selten erfährt dieser sogar erst im Jugend- oder Erwachsenenalter von seinem Schicksal.
Individuelle Betreuung
Betroffene mit frühkindlichem Autismus zeigen wenig Mimik und Gestik, besitzen eine schlecht ausgeprägte Motorik, fast keine Sprachentwicklung und sind zudem häufig geistig bis schwerst mehrfachbehindert.
Asperger-Autisten besitzen hingegen meist einen normalen IQ und können in Teilbereichen sogar außergewöhnliche Leistungen zeigen. Auch ihre Sprachentwicklung scheint relativ unauffällig. Bei ihnen findet man vor allem Unstimmigkeiten in der Feinmotorik und dem sozialen Miteinander. Oftmals können sie sogar unter therapeutischer Begleitung eine Regelschule besuchen.
Informationen und Hilfe bietet da das 2007 gegründete Autismus Förder- und Therapiezentrum "Leuchtturm". Als einzige fachspezifische Einrichtung im Umkreis von rund 50 Kilometern finden die Betroffenen aller Altersgruppen hier individuelle und ganzheitliche Betreuung und Förderung.
Erstberatung, Frühförderung mit Sprachanbahnung, Schulbegleitung, Beratung und Anleitung der Eltern, das Einüben alltäglicher Handlungen und des sozialen Umgangs miteinander seien Beispiele des vielfältigen Förder- und Therapieangebotes der Einrichtung, so Melina Gless, eine Mitarbeiterin der Institution.
Mit Hilfe spezieller Methoden erfahren die Betroffenen eine "Orientierung in Raum und Zeit". Sie lernen sich zu strukturieren und zu orientieren sowie den sicheren Umgang mit sich ständig ändernden Alltagssituationen. Sie erwerben lebenspraktische Fähigkeiten, trainieren alternative Verhaltensweisen und die grundsätzlichen Regeln für das soziale Miteinander. So ist es für die Betroffenen möglich, Nachteile auszugleichen und ein mehr oder weniger selbstständiges Leben zu führen.
Wegschauen ist falscher Weg
Frau Gless verwies außerdem darauf, dass weitere Aufklärungsarbeit hinsichtlich Diagnostik, Beratung und Förderung in der Gesellschaft, bei Ärzten, Schulen und Kindergärten dringend notwendig sei.
Auch wir SchmaZ- Reporter empfinden die Thematik als außerordentlich aktuell und die tagtägliche Arbeit im "Leuchtturm" als wichtige Säule nicht nur für die betreuten Autisten, sondern gleichsam durch ihre Aufklärungsarbeit auch für alle Menschen. Denn dieses Thema betrifft uns alle. Wir denken, ein geschulter und empfindsamer Geist in der Gesellschaft ist überaus wichtig, wie so oft wäre Wegschauen der falsche Weg.
Wir haben mit einem Kuchenbasar und in Zusammenarbeit mit Mitarbeitern des "Leuchtturms" an unserer Schule aufgeklärt und eine sehr gute Rückmeldung von Schülern, Eltern und Lehrern erfahren. Das gesammelte Geld haben wir dem "Leuchtturm" zugutekommen lassen, um so wenigstens auch einen kleinen Beitrag an der wertvollen Arbeit dieser Einrichtung zu leisten.
Wir wünschen uns nun auch bei Ihnen, liebe Volksstimme-Leser, Verständnis und Engagement für die von Autismus Betroffenen und ihre Angehörigen.
Marie Hillendahl, Luise Hoffmann, Veera Failla, Nadja Schumann, Kaya Wartmann, Paula Hecke, Klasse: 8, Freie Waldorfschule Magdeburg.