Bildung Zweisprachiger Unterricht am Hegel-Gymnasium Magdeburg ist in Gefahr
Eine Hiobsbotschaft gab es kurz vor den Sommerferien für Schüler des Hegel-Gymnasiums: Das Fach Geografie kann im nächsten Schuljahr nicht auf Englisch angeboten werden.

Magdeburg - Eine bilinguale Abiturprüfung in Geografie wird am Hegel-Gymnasium in Magdeburg vorerst nur noch im nächsten Schuljahr möglich sei. Denn beide Lehrerinnen, die das Fach auf Englisch unterrichteten, haben die Schule gewechselt. Ein Ersatz wurde nicht gefunden. Deshalb werden im nächsten Schuljahr nur noch die Schüler der zwölften Klasse bilingual in Geografie unterrichtet. Die Eltern sind entsetzt und fordern vom Landesschulamt eine Lösung. Schließlich haben sie ihre Kinder ganz bewusst am Hegel-Gymnasium angemeldet, damit sie das Abitur in zwei Sachfächern in Englisch ablegen können.
Bilingualer Unterricht bedeutet, dass die Schüler in einem Sachfach Inhalte in einer Fremdsprache vermittelt bekommen. Im Falle des Hegel-Gymnasiums ist es möglich gewesen, die Fächer Geografie und Geschichte auf Englisch zu lernen. Bereits 1996 wurde an dem Europa-Gymnasium der bilinguale Unterricht in einzelnen Fächern als Wahlmöglichkeit eingeführt. Viele Eltern und Schüler hätten sich bewusst für das Hegel-Gymnasium entschieden, weil dort bilingualer Unterricht auch als Prüfungsfach für das Abitur angeboten wird. Die Kinder seien rechtlich verpflichtet, den bilingualen Unterricht bis zur zehnten Klasse beizubehalten. „Warum gilt das nicht auch umgekehrt“, fragt Andrea Jauert als betroffene Mutter. Geld und Zeit seien investiert worden, „und jetzt nimmt man den Kindern diese Möglichkeit“, sagt sie verärgert.
Nachteile beim Wechsel zu Geografie auf Deutsch
Da die Kinder das Fach Geografie nur auf Englisch haben, würden sie nun gegenüber all jenen benachteiligt werden, die das Fach bislang auf Deutsch erlernt haben. Denn viele Begrifflichkeiten würden ihnen auf Deutsch fehlen.
Dass die Botschaft so kurz vor den Ferien kommt, sei ebenfalls ärgerlich, sagt Elternratsvorsitzender Jen-Peters Schwarzfeld. Er hat viele Hinweise aus der Elternschaft erhalten: „Sie sind wütend und ziehen auch rechtliche Schritte in Erwägung“, berichtet er. Selbst jene Eltern, deren Kinder nicht in die Bilingualklassen gehen, hätten Unterstützung zugesagt. Als Europa-Schule gehöre der zweisprachige Unterricht zum Schulprofil. Nimmt man ihn wieder, nimmt man auch der Schule und dem Land Sachsen-Anhalt ein Stück Attraktivität im Hinblick auf den Bildungsstandort. Bevor man eine Lehrerin an eine andere Schule gehen lässt, müsse doch sichergestellt sein, dass der Betrieb an der vorherigen Schule aufrechterhalten werden kann, sei die Elternschaft überzeugt. Eine Abordnung könnte eine Lösung sein.
Eine, die den Bilingualunterricht von Beginn an kennt, ist Lehrerin Sandra Wilk. Als Schülerin gehörte sie zum ersten Jahrgang, der bilingualen Unterricht erhielt, und empfand ihn in vielerlei Hinsicht als Bereicherung. Weltoffenheit und das Denken außerhalb von Mustern würden damit gefördert: „Man kann solche Aussagen wirklich mit Leben füllen.“ Mit dem Unterricht habe sich ihr Berufswunsch entschieden, und auch der Wunsch, nach dem Studium ans Hegel-Gymnasium zurückzukehren, sei früh klar gewesen. Der Plan hat funktioniert. Doch nun ist sie die einzige noch verbliebene Lehrerin an der Schule, die bilingualen Unterricht anbietet. Auch sie würde sich eine Fortsetzung wünschen.
Mehr Kompetenzen im Englisch-Leistungskurs
Ein spezielles Studium benötige man dafür nicht: „Man muss beide Fächer, also Englisch und Geografie, studiert haben. Es gibt aber Zusatzqualifikationen, die man ablegen kann“, sagt sie. Dennoch: Der Unterricht sei mit einem hohen Aufwand verbunden: „Es ist wie ein drittes Fach.“ Trotzdem würde sie sich freuen, wenn sich Kollegen mit entsprechender Qualifikation für das Hegel-Gymnasium finden würden.
Die Schüler, die im nächsten Jahr das Abitur anstreben werden, sind froh, dass sie ihre Prüfungen noch auf Englisch ablegen können. Schon jetzt würden sie spüren, dass sie im Englisch-Leistungskurs ihren Mitschülern ohne vorherigen Bilingualunterricht einiges voraushätten, erzählen die Schwestern Amilie und Emilia Smolarek und Amre Mohamed. „Im Fachunterricht auf Englisch ist die Sprache eigentlich nur noch Beiwerk“, sagt Amelie Smolarek. Die Schüler gehen davon aus, dass ihnen das auch im Studium helfen wird. „Mindestens ein Fach pro Studium ist auf Englisch“, ist sich Amelie sicher, hier hätten sie Vorteile, selbst wenn sie nicht Geografie oder Geschichte studieren. Zudem sei es immer etwas Besonderes gewesen, in der Bilingualklasse zu sein, betont Emilia Smolarek. Alle drei könnten es sich kaum vorstellen, nicht einen Teil des Unterrichts auf Englisch zu haben. Amre hat einen kleinen Bruder in der neunten Klasse. Auch er hat bilingualen Unterricht. Die Stimmung zu Hause sei sehr schlecht, seit die Information bekanntgegeben worden sei.
Die zunehmende Internationalisierung des Bildungs- und Arbeitsmarktes in einer globalisierten Welt setzt die Beherrschung des Englischen als zentrale Schlüsselqualifikation voraus. Die Schüler erwerben die Fähigkeit, über Sachthemen der Geografie und Geschichte nicht nur in der Muttersprache, sondern auch in der Fremdsprache zu kommunizieren.
Schulleiterin: Fehler liegen in der Vergangenheit
Auch Schulleiterin Daniela Möcker bedauert, dass der Unterricht in Geografie vorerst nicht mehr auf Englisch angeboten werden kann. „Zwei Lehrerinnen haben sich anders orientiert. Diese Entscheidung muss man respektieren“, sagt Möcker. Es sei versucht worden, über das Landesschulamt einen Ersatz zu finden. Das sei jedoch nicht gelungen. Das Land treffe daher keine Schuld. Die Lage auf dem Arbeitsmarkt sei allgemein sehr angespannt. „Es ist schwierig, Lehrer zu finden“, erinnert sie. Wenn Fehler gemacht wurden, dann seien sie allenfalls in der Vergangenheit zu suchen, weil zu wenig Lehrer eingestellt wurden. Es werde dennoch weiterhin versucht, eine Lösung beziehungsweise personellen Ersatz zu finden. In den Bilingualklassen seien zumeist die leistungsstärksten Schüler eines Jahrgangs: „Wir hatten sehr gute Ergebnisse, unter anderem haben wir auch eine Landesmeisterin in Englisch gestellt“, berichtet Möcker. Daher werde sie weiterhin dafür kämpfen, dass der bilinguale Unterricht auch in Geografie fortgesetzt wird. Es werde versucht, die fehlenden Lerninhalte etwas zu kompensieren, indem der Englischunterricht thematisch an das Fach Geografie angepasst wird. Die Schüler, die nun Geografie auf Deutsch haben, werden Hilfestellung bei Begrifflichkeiten erhalten.
Dass es Pläne gibt, am Geschwister-Scholl-Gymnasium in Magdeburg ebenfalls die Möglichkeit des bilingualen Unterrichts einzuführen, davon habe Möcker schon gehört. Das sei für das Hegelgymnasium jedoch keine Konkurrenz. Denn nach ihrem Kenntnisstand soll dort neben Geschichte Sozialkunde bilingual unterrichtet werden. Der bilinguale Unterricht in Geschichte wird am Hegel-Gymnasium jedoch wie gewohnt fortgesetzt und „hier verfügt das Hegel-Gymnasium über eine langjährige Erfahrung“.
Tobias Kühne als Pressesprecher des Landesschulamtes betont auf Nachfrage die Kann-Regelung des bilingualen Unterrichts: „Es besteht kein Anspruch auf ein solches Angebot. Sind die personellen Voraussetzungen nicht mehr gegeben, muss ein solches Angebot zwangsläufig reduziert oder gänzlich eingestellt werden.“ Natürlich versuche das Landesschulamt, solche besonderen Profilbildungen einer Schule bei Ausschreibungen und Einstellungen zu berücksichtigen und damit langfristig zu unterstützen. Kühne: „Dies findet aber Grenzen in der aktuell sehr angespannten Situation bei der Gewinnung von Lehrkräften.“ Die Absicherung der Stundentafel der Schulen habe Priorität. Ob die Lehrkraft, die wir dafür gewinnen, auch das Fach Englisch unterrichten kann, müsse im Zweifelsfall nachrangig sein, erklärt Kühne. Die Entwicklung am Geschwister-Scholl-Gymnasium sei vom Hegel-Gymnasium völlig unabhängig. Dort seien die personellen Voraussetzungen gegeben, dass das Fach Geschichte in begrenztem Umfang bilingual angeboten werden kann. Auch hier sei die Grundlage eine Entscheidung der Gesamtkonferenz. Und auch dieses Angebot könne es nur solange geben, wie die Voraussetzungen dafür vorhanden sind, betont Kühne.
Nicht jede Schule, die es könnte, entscheidet sich außerdem für ein solches Angebot. Es gebe bilinguale Angebote nur an insgesamt acht Gymnasien in Sachsen-Anhalt. Es betreffe immer nur einzelne Fächer und der Umfang unterscheidet sich. Nur die Hälfte dieser Schulen führt ein Angebot in dem Umfang, dass auch eine Abiturprüfung in einem solchen Fach möglich ist.