Für Leseratten Literatur aus dem Schuppen
Familie Schäfer aus Ferchlipp bei Lichterfelde verwirklicht ihr Herzensprojekt: ein öffentliches Bücherregal in ihren Kohlenschuppen.
Ferchlipp l Ein Projekt von Leseratten für Leseratten oder für welche, die es vielleicht noch werden. „Jedenfalls brauchen wir ja gerade in diesen Zeiten Dinge, die uns gut tun“, sagt Sina Schäfer. Die Ferchlipperin liebt Bücher und das Prinzip Bücherzelle habe sie schon immer fasziniert. „Ich schaue auch regelmäßig dort hinein, in Seehausen zum Beispiel“, so die Mutter von zwei Jungs.
Schon länger hegte sie den Gedanken, einmal selbst so eine Bücherzelle zu haben. „Aber sie sind so für sich doch recht teuer.“ Also brauchte es eine kreative Idee und die hatte ihr Mann Gunnar Schäfer. „Wie wärs, wenn wir den Kohlenschuppen zur Straße hin schließen und dort ein Regal hineinbauen?“ Der Schuppen ist gerade voll und hat zum Hof noch eine Tür, die Familie heizt mit Öl, die Kohlen sind zur Sicherheit da. Kurzum: Die Lucke zum Befüllen von der Straße aus braucht‘s gerade gar nicht.
Die Idee war kaum ausgesprochen, da hatte die Luke schon ein kleines Dach über dem Kopf. Gunnar Schäfer war in seinem Element und die Jungs auch, „die finden es ohnehin immer toll, wenn Papa wieder etwas baut“. Die Wintertage bremsten die Familie etwas aus, aber mit den ersten Sonnenstrahlen ging es weiter. Gunnar Schäfer baute einen Rahmen, hatte noch ein passendes altes Fenster zu Hause, wählte hübsche Scharniere aus, während seine Frau zum Pinsel griff. „Ich bin für die Dekoration zuständig.“ Und für die Bücher.
Sina Schäfer nahm welche aus ihrem eigenen Bestand, aber auch einige von ihrer Oma. „Rosamunde Pilcher wäre jetzt nicht so meins.“ Und doch, alles was gut tut in diesen Zeiten, sei richtig. „Man muss doch diese Corona-Angst mal ausschalten und den Fernseher sowieso.“ In der Sonne ein schönes Buch zu lesen, wirke ja Wunder. Wie passend, dass Schäfers gleich nebenan schon vor einem Jahr eine Bank hingestellt haben. Zur Straße hin, die im idyllischen Ferchlipp, einem Lichterfelder Ortsteil, eher einem Weg gleicht. Wenig befahren und schmal, die Kirche vis-à-vis, sozusagen perfekt zum Stöbern in der Bücherkiste, wie Schäfers ihre Bücherzelle tauften. „Besonders schön ist es, wenn die Sonne drauf scheint“, sagt Sina Schäfer.
Auf einem liebevoll gestalteten Zettel hat sie die wenigen Bücherkisten-Regeln für alle notiert: „Du kannst die Bücherkiste zu jeder Zeit nutzen. Du kannst Dir ein Buch aussuchen. Du kannst es leihen und wieder zurückbringen. Du kannst es behalten und stellst dafür ein anderes Buch in die Kiste. Viel Spaß. Eure Familie Schäfer.“
Die Fassade des Schuppens soll noch verschönert werden. Auch besteht die Idee, die Bücherkiste irgendwie indirekt zu beleuchten.
Der Vorsitzende der Bürgerstiftung Stendal, Jürgen Lenski, freut sich über soviel Engagement. „Das ist wunderbar. Wir lassen unsere Idee gerne klauen.“ Gemeinsam mit der Kaschade-Stiftung und den Bücherfreunden Stendal hat die Bürgerstiftung bislang 41 Bücherstützpunkte in und um Stendal herum realisiert, wobei 26 davon als ausgediente Telefonzelle daherkommen. Die letzte war jene an der Gutskirche Schönfeld (Bismark), weitere seien in der Planung.
„Es geht darum, die Hemmschwelle, ein Buch in die Hand zu nehmen, so gering wie möglich zu halten“, sagt Jürgen Lenski. In Ferchlipp hat das in den ersten Tagen schon gut funktioniert. Es ist Bewegung vorm Kohlenschuppen. Die Leute freuen sich. „Es ist einfach etwas fürs Herz“, sagt Sina Schäfer. Für ihr eigenes sowieso, aber ganz bestimmt auch für viele andere.