1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Oschersleben
  6. >
  7. Kündigungen: Pumpenhersteller Wilo in Oschersleben droht die Schließung

Wirtschaft Kündigungen: Pumpenhersteller Wilo in Oschersleben droht die Schließung

Mehr als 120 Arbeitsplätze stehen auf dem Spiel. Mit der Schließung von Wilo geht in Oschersleben (Börde) eine Tradition zu Ende. 2019 hatte das Werk sein 25-jähriges Bestehen gefeiert.

Aktualisiert: 20.4.2021, 20:40

Oschersleben (az/wb). Die schlimme Nachricht aus der Dortmunder Wilo-Zentrale kam am Freitag: Bis März kommenden Jahres soll der Oscherleber Standort mit seinen rund 120 Beschäftigten geschlossen und die Produktion nach Hof in Bayern und nach Laval in Frankreich verlagert werden. Lediglich der Forschungs- und Entwicklungsbereich soll laut Pressemitteilung „in einem eigenen Büro in der Region fortgeführt“ werden. Wie viele Mitarbeiter dort dann beschäftigt werden können, darüber schweigt sich Pressesprecher Klaus Hübscher aus. Darüber, und über alle weiteren Details wie Sozialplan und Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten an anderen Wilo-Standorten, sollen die Mitarbeiter in einer Betriebsversammlung am Montag informiert werden.

Kampflos wollen die Beschäftigten das Aus für ihr Unternehmen nicht hinnehmen. „Wir ziehen alle Register“, sagte der Betriebsratsvorsitzende Thomas Dippe. Er hat von der bevorstehenden Werkschließung bereits am Freitag erfahren, als die Dortmunder Firmenchefs per Vidoeschaltung ihm und seinen Betriebsratskollegen das Aus für den Standort angekündigt haben. Für glaubhaft halten weder er noch Janek Tomaschefski, der auch für Oschersleben zuständige IG-Metall-Vertreter, die von den Firmenchefs ins Feld geführte Begründung. Die ist auch in der Pressemitteilung nachzulesen. Demnach spiele eine moderne digitale Infrastruktur eine entscheidende Rolle. Das Oschersleber Werk dementsprechend aufzurüsten, würde Investitionen notwendig machen, „die im Sinne der gesamten Unternehmensgruppe betriebswirtschaftlich nicht zu verantworten sind“.

Schließung ist nicht nachvollziehbar

Dippe und Tomaschefski sehen das anders. Betriebswirtschaftlich sei das drohende Aus nicht nachvollziehbar, meint Tomaschefski. Das Oschersleber Werk hätte in der Vergangenheit „unglaublich hohe Gewinne eingefahren“ mit Mitarbeitern, die länger arbeiten und weniger verdienen als ihre Kollegen an anderen Standorten: „Das ist ein Schlag ins Gesicht.“ Der Betriebsratsvorsitzende sieht das ähnlich. „Wir waren immer rentabel. Wir haben immer schwarze Zahlen geschrieben“, sagt Dippe, der wie der Mann von der IG-Metall vermutet, dass die Oschersleber Fehlentscheidungen der Unternehmensführung ausbaden müssen, wie etwa den teuren Bau der Firmenzentrale in Dortmund. Dippe glaubt ohnehin, dass die Schließung schon länger anstand.

So seien bereits in den vergangenen Jahren ausscheidende Mitarbeiter nicht ersetzt worden und die Personalstärke damit von mehr als 190 auf nun 120 geschrumpft. Doch auch die verbleibenden dürften es sehr schwer haben, in der Region eine neue Arbeit zu finden. Viele seien über 50 Jahre alt. „In dem Alter sieht es schlecht aus“ - zumal in Zeiten von Corona, in denen Unternehmen kaum neue Mitarbeiter einstellen. Und die jüngeren Kollegen hätten erst eine Familie gegründet und hätten sicherlich kaum eine Möglichkeit, an andere Standort zu wechseln.

Das weiß auch Oscherslebens Bürgermeister Benjamin Kanngießer. Er bezeichnet die Entscheidung zur Werksschließung als eine „Katastrophe für die ganze Stadt“. „Wir reden immer von der Stärkung des ländlichen Raumes. Jetzt soll die Produktion verlagert werden, und zwar zum Teil in ein städtisches Gebiet im Westen. Das trifft bei mir nicht auf Verständnis“, so das Stadtoberhaupt.

Werk gehört zu Oschersleben dazu

In seinen Augen stehe hinter der Werksschließung keine kaufmännische Entscheidung, sondern eine andere Überlegung, die er nicht nachvollziehen könne. „Es ist bekannt, dass der Standort in Oschersleben profitabel arbeitet“, betont der Bürgermeister. Die Rahmenbedingungen seien gut. Es gebe gute Mitarbeiter und die Belegschaft habe eine gute Altersstruktur. „Das Oschersleber Wilo-Werk ist eigentlich ein solides, mittelständisches Unternehmen mit guten Arbeitsplätzen in der Region, so wie man sich das wünscht“, erläutert Kanngießer. Durch seine lange Geschichte gehöre das Werk zu Oschersleben dazu.

Außerdem gehe es bei dieser Entscheidung nicht nur um die Beschäftigten selbst, sondern auch um ihre Familien. „Die Betroffenheit ist für einen Ort wie Oschersleben enorm“, hält Benjamin Kanngießer fest. Dieser Konsequenzen scheine man sich innerhalb der Wilo-Gruppe noch nicht bewusst zu sein. Besonders ärgere ihn, dass das Unternehmen immer wieder seine soziale Verantwortung betone. Bei der nun getroffenen Entscheidung sei aber nicht zu erkennen, dass man ihr auch nachkomme.

Zur Versammlung eingeladen

Möglicherweise wird Kanngießer das den Firmenchefs am Montag auch selbst sagen können, denn er ist vom Betriebsrat zur Mitarbeiterversammlung eingeladen worden. Ebenso wie Vertreter der Landespolitik, laut Dippe sei bereits Kontakt zu Landes-Wirtschaftsminister Armin Willingmann (SPD) und zur Landes-CDU aufgenommen worden.

Mit der Schließung von Wilo geht in Oschersleben eine Tradition zu Ende. 2019 hatte das Werk sein 25-jähriges Bestehen gefeiert. Die in Dortmund ansässige Wilo-Unternehmensruppe ist nach eigenen Angaben ein weltweit agierender Produzentvon Pumpen und Pumpensystemen für die Gebäudetechnik, die Wasserwirtschaft und die Industrie. Heute sind rund 8000 Mitarbeiter für das Unternehmen tätig.