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Premiere Schwer in Ordnung mit neuem Ausweis

Statt "Schwerbehindertenausweis" heißt es nun "Schwer in Ordnung". Die ersten dieser Hüllen wurden in Oschersleben übergeben.

Von Sebastian Pötzsch 06.07.2018, 01:01

Oschersleben l „Ich freue mich auf jeden Fall über die neuen Ausweise. Nun kann sich keiner mehr lustig machen“, erzählt Stefanie Lampe. Die 31-Jährige arbeitet seit September 2013 in der Montageabteilung der Matthias-Claudius-Haus-Stiftung in Oschersleben und ist geistig benachteiligt. Deshalb trägt sie seit Jahr und Tag ein Dokument bei sich, das sie als schwerbehindert ausweist.

Doch nun hält sie den „Schwer-in-Ordnung-Ausweis“ in ihren Händen. Dabei handelt es sich um eine durchsichtige Einsteckhülle, die auf einem grünen Streifen die Aufschrift „Schwer-in-Ordnung-Ausweis“ trägt. Dieser Streifen wiederum überdeckt die amtliche Bezeichnung „Schwerbehindertenausweis“. „Es ist schön, dass so etwas gemacht wird. Nun kann ich nicht mehr abgestempelt werden“, findet Stefanie Lampe.

Einen zweiten dieser neuen Ausweise hat soeben Kollege Christoph Behnisch aus den Händen von der Staatssekretärin im Sozialministerium, Beate Bröcker (SPD), erhalten. Auch er ist geistig benachteiligt und arbeitet in der Metallabteilung der Claudius-Stiftung. Er findet die Idee mit den neuen Ausweisen super, wie er sagt. „Ich denke, dass wir nun anders behandelt werden“, hofft der 34-Jährige.

„Genau das ist unser Anliegen“, erklärt unter dessen Beate Bröker, „wir wollen ja nicht nach den Defiziten eines Menschen gehen, sondern nach seinen Fähigkeiten.“ Mit den neuen Hüllen werde die Zugehörigkeit von Menschen mit Behinderung in der Gesellschaft mehr in den Mittelpunkt gerückt. „Die ,Schwer-in-Ordnung-Ausweise‘ tragen vor allem dem Inklusionsgedanken Rechnung, wobei jeder Mensch respektiert wird und gleichberechtigt sowie selbstbestimmt am Leben in der Gemeinschaft teilhaben kann“, sagt Bröcker weiter.

Auch Michael Lange kann den neuen Hüllen nur positives abgewinnen. „Für uns sind sie ein Zeichen gegen Betriebsblindheit“, erklärt der Geschäftsführer der Matthias-Claudius-Haus-Stiftung. So würden Bewohner und Mitarbeiter der Stiftung, weil sie behindert sind, als solche stigmatisiert. „Nun sind alle auf Augenhöhe“, so der Stiftungschef.

Die Idee für die Ausweishülle stammt von einer 14-jährigen Schülerin aus dem schleswig-holsteinischen Pinneberg, die mit dem Down-Syndrom lebt und sich durch die Bezeichnung ihres Schwerbehindertenausweises diskriminiert fühlte. Sie veröffentlichte im vergangenen Jahr dazu einen literarischen Text, der sich für Menschen mit Down-Syndrom einsetzt. In dem Text deutete sie die vorhandene Bezeichnung in die aus ihrer Sicht positivere Variante „Schwer-in-Ordnung-Ausweis“ um und präsentierte eine Fotografie einer entsprechend beschrifteten Ausweishülle, die sie gemeinsam mit einer Lehrerin erstellt hatte.

Diese Idee fand in sozialen Netzwerken positive Resonanz und erhielt große Aufmerksamkeit. Mittlerweile können auch in Hamburg, Rheinland Pfalz, Niedersachsen und Berlin „Schwer-in-Ordnung-Ausweise“ beantragt werden.

Betroffene können sich die Einsteckhülle für Schwerbehindertenausweise kostenfrei zusenden lassen, indem sie diese anfordern beim Landesverwaltungsamt, Referat 511, Maxim-Gorki-Straße 7, 06114 Halle, Telefon: 0345/5140, Telefax: 0345/514 31 65.