Heimatgeschichte TV-Team zu Gast bei Heimatfreunden in Ummendorf
Auf die Zeit, als man dem Hamster noch auf die Pelle rückte, blickten ehemalige Ummendorfer Hamsterroder auf Heinemanns Hof zurück. Auch der MDR war mit dabei.
Von Ronny Schoof - Ummendorf l Im Rahmen der landesweiten Kartierung von Hamsterbauen weilte kürzlich ein Kamerateam in Ummendorf und bat frühere Hamsterroder des Ortes zum Erfahrungsaustausch. So trafen sich Eckhard Kunth, Burkhard Kunth, Uwe Fest und Reinhard Falke und gaben vor der Kamera Auskunft darüber, wie sich das Hamsterroden als Hauptbeschäftigung in den großen Ferien vor 50 Jahren abspielte.
In den Sommerferien, die damals noch acht Wochen lang waren, wurde fast täglich ausgerückt, um Hamsterbaue auszugraben. Eckhard, Burkhard, Reinhard und Uwe, die Jungs aus der Badelebener Straße, begaben sich, ausgerüstet mit Spaten, Sack und Rackelhaken, jeweils in den Vormittagsstunden in die Feldmark. Die Hamsterbaue waren auf den abgeernteten Stoppelfeldern gut sichtbar. In der Regel konnte man schon von weitem die herausgewühlte Erde mit dem Eingangsloch sehen. Auch das Fallloch, welches dem Hamster für Fluchtzwecke dient, war gut sichtbar, nur dass es nicht von herausgewühlter Erde umgeben war.
Von außen schon konnte man erkennen, ob es sich um ein männliches oder weibliches Tier im Inneren des Baues handelt. Die Behausung der Männchen verfügte über nur ein Fallloch, wohingegen die Weibchen für sich und ihre Jungtiere gleich mehrere Fluchtwege anlegten. Die weiblichen Baue waren für die Jungs aus der Badelebener Straße nicht so interessant wie die männlichen Baue, hatten doch die Pätzen, wie sie die Weibchen nannten, ihr Tun mit der Aufzucht der Jungtiere.
Zwei bis drei Aufzuchten pro Saison waren normal. Die Männchen dagegen, die Böcke, hatten für den bevorstehenden Winter schon reichlich Getreide eingefahren. Darauf hatten die Jungs es abgesehen, denn es war bestes Geflügelfutter.
Der Bau wurde immer den angelegten Gängen folgend, mit dem Spaten ausgegraben. Bis zur Kornkammer. Aus dieser wurde dann mit einem Rackelhaken das Getreide herausgezogen. Auch als Vorsichtsmaßnahme, denn mit der ungeschützten Hand sollte man das eigentlich nicht machen. So manche Narbe an den Fingern zeugt heute noch von Hamsterbissen, denn die kleinen pausbackenen Nager sind durchaus wehrhafte Tiere und verteidigen ihre Beute mit Zähnen und Klauen.
Hinter der Kornkammer erschien er meist, der Hamster, praktisch am Ende der Röhre des Baues. Er hatte dann keine Fluchtmöglichkeit mehr, saß er doch im tiefen, ausgeschachteten Loch. Der Hamster wurde frei gelassen und musste sich dann einen neuen Bau anlegen.
Es kam durchaus vor, dass bis zu 50 Kilogramm Getreide aus einem Bau herausgeholt wurden – ein üppiger Wintervorrat, wenn man bedenkt, dass der Hamster den Winter im Grunde genommen verschläft und nur von Zeit zu Zeit aufsteht, um sich bei Kräften zu halten. Im Frühjahr öffnet er dann seinen verschlossenen Bau und tritt ins Freie, um Nahrung aufzunehmen und sich fortzupflanzen.
Hamster sind Einzelgänger. Pro Bau gibt es immer nur ein ausgewachsenes Tier. Der Nachwuchs wird von den Müttern vertrieben, sobald sich die Jungtiere selbst ernähren können. Sie legen sich dann jeweils ihren eigenen Bau an und horten Wintervorrat für sich selbst.
Früher war die Zeit der Stoppelfelder ausgedehnter als heute. Die Hamster hatten also viel mehr Zeit, ihren Wintervorrat einzufahren und konnten auf den abgeernteten Feldern noch viel Korn finden, das zum Beispiel beim Dreschen liegengeblieben war. Das ist in dem Maße nicht mehr der Fall. Für die Jungs aus der Badeleber Straße ist das auch ein wesentlicher Grund für den Rückgang der niedlich anzuschauenden Nager.
Und dieser ist drastisch. Gab es damals noch richtige Plagejahre mit Tausenden von Hamstern, steht Cricetus cricetus mittlerweile auf der roten Liste der vom Aussterben bedrohten Tierarten.
Dank umfangreicher Schutzmaßnahmen nimmt die Population wieder etwas zu. Das Hilfsprojekt „Feldhamsterland“ hat im vergangenen Jahr rund 500 Hamsterbaue auf untersuchten Ackerflächen von insgesamt etwa 530 Hektar in der Oberen Aller, der Hohen Börde und im südlichen Anhalt ausfindig gemacht.
So wurde auf Heinemanns Hof eine Stunde lang fachgesimpelt, und viele schöne Erinnerungen erhielten eine Auffrischung. Eckhard Kunth, Burkhard Kunth, Uwe Fest und Reinhard Falke sind sich einig: Der Hamster sei ein Stück Kulturgut und gehöre selbstverständlich in die Magdeburger Börde. Auch heute noch. Die MDR-Sendung soll am 26. Oktober ausgestrahlt werden.