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Soziales Warum Oschersleben ehrenamtliche Betreuer braucht

Mehr Selbstbestimmung und eine bessere Qualität der Betreuung, das waren die Hauptziele bei einer umfangreichen Reform des Betreuungsrechts, die seit Januar 2023 gilt. In der Praxis stößt die Änderung auf mehr Beratungsbedarf, etwa beim Betreuungsverein Oschersleben.

Von Jan Dahms 21.09.2023, 21:30
Der Betreuungsverein Oschersleben hilft etwa bei den bürokratischen Hürden.
Der Betreuungsverein Oschersleben hilft etwa bei den bürokratischen Hürden. Foto: stock.adobe.com

Oschersleben - Kann ein erwachsener Mensch etwa durch psychische Krankheiten oder Behinderungen seine Angelegenheiten ganz oder nur zum Teil nicht selbst regeln, wird er von einem Betreuer unterstützt. Das sind zum größten Teil die Angehörigen des Betroffenen und ehrenamtliche Betreuer, die etwa bei Geld- oder Gesundheitsfragen zur Seite stehen.

Kostenlose Hilfe und Beratung zum Thema finden beide im Betreuungsverein Oschersleben, der 1992 gegründet wurde. Heute hat der Verein neben der Bodestadt noch ein Standort in Haldensleben. An beiden Orten werden nach eigenen Angaben jeweils bis zu 20 Sprechstunden in der Woche angeboten. Das Ziel ist dabei oft, den Weg durch den Behördendschungel zu ebnen. „Wo stelle ich welche Anträge, was kann ich überhaupt beantragen? Und was ist dabei zu beachten?“, seien demnach häufige Fragen der Betreuer.

Mit der Reform des Betreuungsrechts zu Beginn des Jahres würden nun die Beratungswünsche steigen, erklärt Sigusch. „Insgesamt finde ich die Änderungen gut. Es ist im Sinne des Betroffenen positiv, weil er viel mehr einbezogen wird. Es ist aber auch ein riesen Mehraufwand für alle Betreuer und wir müssen erstmal lernen, damit umzugehen“, so seine Einschätzung. Er meint damit auch eine gravierende Änderung in der Beziehung der Betreuer zum Betroffenen. So könne dieser jetzt auch unvernünftig sein und mehr sein Leben so leben, wie er möchte, und als Betreuer müsse man das akzeptieren können. Wenn Angehörige die Betreuer seien, könne das ein langer Prozess werden, so Sigusch

Schulungen helfen Betreuern

Das bestätigt auch Bärbel Volkmann aus Wanzleben. Sie betreut ihren 45-jährigen Sohn, der in einer Werkstatt der Matthias-Claudius-Haus-Stiftung arbeitet. Praktisch hätte sie jedoch noch keine Änderungen durch die Reform feststellen können. Volkmann beschreibt ihre Arbeit als Betreuer so: „Das, was man als Eltern für sein Kind tut, macht man weiter. Bloß ist es diktiert von Behörden, man muss überall Rechenschaft ablegen. Das ist umfangreich und man muss versuchen, sich freizuschwimmen in dem ganzen Gewühl“, so Volkmann. Deshalb kommt sie regelmäßig zu den Schulungen und Treffen, die der Betreuungsverein anbietet. „Es ist hilfreich, wenn man sich untereinander trifft und ins Gespräch kommt, weil es viele Themen gibt, wo man nicht weiter weiß“, sagt die Wanzleberin.

Das könnte beispielsweise wieder bei den obligatorischen Jahresberichten der Fall sein, welche die Betreuer schreiben müssen. Aufgrund der Reform seien diese aufwendiger geworden, sagt Vereinsgeschäftsführer. Nach seinen Angaben umfasse der Bericht nicht mehr vier Seiten mit allgemeinen Formalitäten, sondern sieben bis zwölf Seiten. „Jetzt ist es ganz wichtig, dass man in den einzelnen Aufgabenbereichen dazu schreibt, was der Wunsch des Betroffenen ist und ob der Wunsch umgesetzt werden konnte“, so Sigusch.

Wo sind die ehrenamtlichen Helfer?

Ihn treibt aber noch eine weitere Herausforderung an. So werden mit der Gesetzreform auch neue Aufgaben für die Betreuungsvereine definiert. „Wir haben jetzt die Möglichkeit, mit ehrenamtlichen Betreuern eine Vereinbarung abzuschließen, die etwa Urlaubsvertretung, Krankheitsvertretung und Schulungen regeln“. Das Problem: Der Verein weiß demnach gar nicht, wer bereits als ehrenamtlicher Betreuer tätig ist. Laut Sigusch existieren zwar zehn Jahre alte Datensätze, die aber etwa wegen veralteter Adressen nicht mehr zu gebrauchen seien. Eine Aktualisierung sei wegen der Datenschutzgrundverordnung nicht möglich. „Alle ehrenamtlichen Betreuer können sich deshalb gerne bei uns melden“, lautet deshalb der Aufruf des Geschäftsführers.

Aber auch neue ehrenamtliche Betreuer seien willkommen. „Wir sehen, dass der Bedarf da ist. Es gibt immer mehr Menschen, die Unterstützung brauchen.“ Zudem würden die aktuellen Betreuer immer älter werden, sagt Sigusch und ergänzt: „Viele Eltern betreuen ihre Kinder, sie werden aber 70 Jahre und älter. Es ist absehbar, dass sie das im Prinzip kaum noch schaffen werden. Und dann ist es schön, wenn man schon ehrenamtliche Betreuer hat, die dann vorher die Familie kennenlernen“, so Sigusch. Die Hürden für den Einstieg als ehrenamtlicher Betreuer seinen gering. So müsste man etwa zwei bis vier Stunden in der Woche Zeit haben. Zur Einführung gehören demnach sechs Schulungen, die monatlich stattfinden. Die Betreuung könnte aber als Quereinstieg schon während der Schulungen beginnen.