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Protest Wilo-Arbeiter kämpfen für ihre Jobs in Oschersleben

Protestaktion vor den Werkstoren / Unternehmensführung hält an Schließung fest

Von André Ziegenmeyer Aktualisiert: 27.4.2021, 05:50
Vor den Toren prostestierten die Wilo-Mitarbeiter gestern gegen die geplante Schließung ihres Standortes. Das Transparenz ist ein Seitenhieb auf die angeblich schlechte IT-Technik vor Ort.
Vor den Toren prostestierten die Wilo-Mitarbeiter gestern gegen die geplante Schließung ihres Standortes. Das Transparenz ist ein Seitenhieb auf die angeblich schlechte IT-Technik vor Ort. Foto: André Ziegenmeyer

Oschersleben. Mit Trillerpfeifen, Ratschen und Transparenten verliehen die Beschäftigten ihrer Empörung Ausdruck. Auf einer Grünfläche standen symbolische Kreuze. Auf den Asphalt der Zufahrt waren mahnende Worte gesprüht.

„Wir haben die Aktion heute geplant, um die hohen Herren aus der Unternehmenszentrale entsprechend zu empfangen“, erklärte Toralf Gruschinski. Er ist der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende. Wie die Unternehmensgruppe letzte Woche per Pressemitteilung informiert hatte, soll das Wilo-Werk in Oschersleben geschlossen werden – und zwar bis Ende März 2022. Damit stehen rund 120 Arbeitsplätze auf der Kippe.

Die Erklärung des Unternehmens sorgte für Entrüstung. Oscherslebens Bürgermeister Benjamin Kanngießer bezeichnete die drohende Schließung als „Katastrophe für die ganze Stadt“. Immerhin gehe es nicht nur um die Beschäftigten selbst, sondern auch um ihre Familien. Auch gestern waren Politiker verschiedener Parteien vor Ort, um die Wilo-Beschäftigten zu unterstützen.

Mitarbeiter kritisieren Begründung für Standort-Aus

Für Unverständnis hatte vor allem die Begründung der geplanten Schließung gesorgt. Wie Unternehmenspressesprecher Klaus Hübscher erläuterte, spiele eine moderne digitale Infrastruktur für Wilo eine entscheidende Rolle. Das Oschersleber Werk entsprechend aufzurüsten, würde Investitionen notwendig machen, die betriebswirtschaftlich nicht zu verantworten seien. Auch der Fachkräftemangel in der Region würde für Probleme sorgen.

Darüber hinaus habe sich die Wilo-Gruppe das Ziel gesetzt, bis 2025 an allen Hauptproduktionsstandorten klimaneutral zu arbeiten. Auch deshalb sei die Entscheidung gefallen, das Werk in Oschersleben zu schließen. Die Produktion solle nach Hof und Laval in Frankreich verlagert werden.

Janek Tomaschefski von der IG Metall bezeichnete die Begründung für das Standort-Aus gestern als „Lüge“. Bereits vergangene Woche hatte er zusammen mit dem Betriebsratsvorsitzenden Thomas Dippe betont, dass der Standort in Oschersleben seit vielen Jahren profitabel wirtschafte. Ein betriebswirtschaftlicher Grund für die Schließung sei nicht zu erkennen.

Werk arbeite rentabel

„Das Thema Wirtschaftlichkeitsanalyse scheinen die Wilo-Manager nicht zu kennen. Denn warum schließt man den Standort mit den billigsten Stundenlöhnen und der längsten Arbeitszeit? Hat man uns hier nicht jahrzehntelang erzählt, dass dies unser größter Standortvorteil wäre?“, fragte Janek Tomaschefski.

Janek Tomaschefski von der IG Metall (links) und der Betriebsratsvorsitzende Thomas Dippe wandten sich an die Arbeitnehmer.
Janek Tomaschefski von der IG Metall (links) und der Betriebsratsvorsitzende Thomas Dippe wandten sich an die Arbeitnehmer.
Foto: André Ziegenmeyer

Der Vertreter der IG Metall erklärte, dass die digitale Infrastruktur am Standort Oschersleben gut sei. Die Systeme, die tatsächlich fehlten, nachzurüsten, würde etwa 40.000 Euro kosten. Auch eine Solaranlage für eine nachhaltige Produktion bedeute für ein Unternehmen wie die Wilo-Gruppe keinen „relevanten Kostenaufwand“. Der Neubau des Hauptsitzes in Dortmund habe 350 Millionen Euro gekostet und damit deutlich mehr, als zunächst geplant. „Aber ein bisschen Technik für das rentable Werk in Oschersleben zu kaufen, ist plötzlich nicht mehr drin?“, fragte Janek Tomaschefski.

Er forderte, dass die Produktion in Oschersleben weitergeht. Für den Fall, dass die Unternehmensführung auf ihrer Entscheidung beharre, erklärte der IG-Metall-Vertreter: „Entweder machen wir einen teuren Sozialtarifvertrag, für den wir auch streiken können, oder wir machen einen Sozialplan mit ordentlichen Abfindungen. Welchen Weg wir gemeinsam auch einschlagen, eins ist jetzt schon klar: Es wird teuer für Wilo.“

Protest in Dortmund geplant

In jedem Falle werde man erbittert kämpfen, und zwar nicht nur in Oschersleben. „Wenn die Manager von Wilo glauben, dass wir den Kampf im Osten lassen, dann haben sie sich getäuscht. Wir werden den Kampf auch vor die Werkstore in Dortmund tragen“, betonte Janek Tomaschefski.

Nach der Protestaktion fand am Nachmittag eine Belegschaftsversammlung statt. Mehrere hochrangige Wilo-Vertreter stellten dabei Details zu den Plänen des Unternehmens vor. Die Presse hatte keinen Zutritt. Im Nachgang sprach Pressesprecher Klaus Hübscher mit der Volksstimme. Er hielt fest, dass die Mitarbeiter aus Forschung und Entwicklung in Oschersleben weiterbeschäftigt würden. Das betreffe etwa 20 Personen. Sie würden in der Stadt ein neues Büro beziehen.

Für die übrigen Beschäftigten sieht es weniger rosig aus. Die Verhandlungen über einen Sozialplan sollen laut Klaus Hübscher so bald wie möglich beginnen. Für die Beschäftigten, die bereit seien, an einen anderen Wilo-Standort zu wechseln, werde man versuchen „gleichwertige Arbeitsplätze“ zu finden. Auch alle anderen Beschäftigten wolle das Unternehmen bei der Suche nach einem neuen Job unterstützen.

Unternehmensführung bleibt bei Entscheidung

Der Betriebsratsvorsitzende Thomas Dippe zeigte sich vom Ergebnis der Versammlung ernüchtert. Er kritisierte, dass seitens der Unternehmensführung nicht gesagt worden sei, wie hoch der Investitionsbedarf am Standort Oschersleben sei. Das wollte auch Klaus Hübscher auf Nachfrage der Volksstimme nicht beantworten. Man bewege sich auf jeden Fall im „Millionenbereich“, so der Pressesprecher.

Laut Thomas Dippe seien Aussagen seitens der Unternehmensleitung während der Versammlung teilweise widersprüchlich gewesen. Konkreten Fragen seien die Unternehmensvertreter mehrfach ausgewichen.