Glasknochen Benny ist ein tapferes Bürschchen
Benny (5) hat die Glasknochenkrankheit. Meistens kommt er gut klar damit. Mehr noch: Der junge Idener hat seine Familie stark gemacht.
Iden l In der 24. Schwangerschaftswoche hatten sie Gewissheit. Aus „mit ihrem Jungen ist irgendwas“ wurde die Glasknochenkrankheit. Welche Form davon war noch nicht abzusehen. Auch nicht, ob das Kind von Anja Herstowski und Tobias Wawrzyniak überhaupt lebensfähig ist. Die Beine des Ungeborenen waren lange Zeit überhaupt nicht erkennbar. Aber eine Abtreibung „war für uns überhaupt keine Option, ob nun möglich oder nicht“, sagt Anja Herstowski. Als die Idener die Diagnose erhielten, bewegte sich längst etwas im Bauch der Mutter. „Je mehr wir darüber nachgedacht haben, wie das alles bloß werden soll, je mehr hat er gestrampelt.“
Die Geburt war nicht ohne. Eine natürliche kam nicht in Frage und selbst beim Kaiserschnitt mussten die Ärzte höllisch aufpassen. „Sie konnten ihn nicht normal am Kopf, Nacken herausziehen, das war ein zu großes Risiko.“ Das Team entschied sich für den Arm, brach ihn, aber Benny war auf der Welt – mit 38 Zentimetern Länge. Jetzt, mit fünf Jahren, misst er 85 Zentimeter, ist also kleinwüchsig, aber clever und gewitzt obendrein. Vor allem aber lebensfähig! Benny geht seit Januar in die Kita Iden und das war gar nicht so einfach durchzusetzen. „Wir haben uns den Platz erkämpft.“ Eine 1:1-Betreuung hatte er vorher schon in der Integrativen Kita Flessau. Sie wechselte mit nach Iden, wo der Junge auch hinwechseln sollte, um die Fahrtzeiten zu verkürzen und Kontakt im Dorf zu knüpfen.
Benny kann Vieles nicht allein. Er hat zwar viel Energie, aber es fehlt ihm die Kraft. Zum Schuhe anziehen oder einen Pullover über den Kopf ziehen, zum alleine auf die Toilette gehen. Längst hat Benny Freunde in der Idener Kita, „vor allem Mädchen“. Paula und Frieda spielen viel mit ihm. Sie besuchen sich auch zu Hause.
Bennys Eltern mussten nicht zum ersten Mal Kampfgeist zeigen. Vorher gingen sie, um für ihren Jungen einen Schwerbehindertenausweis (80 Prozent) zu erhalten, bis in die zweite Instanz vor Gericht. Sie haben das durchgezogen. „Ich bin so stark geworden durch Benny, das ist der Wahnsinn“, sagt Anja Herstowski. Und sieht schon die nächsten Herausforderungen auf sich zukommen. Benny soll in Iden zur Schule gehen, der Schulleiter sieht darin kein Problem. Aber das Schulamt verlangt nun erstmal ein sonderpädagogisches Gutachten, deren Zweckmäßigkeit den Eltern spanisch vorkommt. Außerdem braucht der Junge einen zweiten Rollstuhl, weil er darauf angewiesen und das Hin- und Hertransportieren beschwerlich ist. „Und wenn er kaputt geht, stehen wir da, das hatten wir schon.“ Die Kasse aber schickte eine Absage. Die Antwort: ein Widerspruch.
Benny hat sich seit der Geburt weitere vier Brüche zugezogen, das ist vergleichsweise wenig. Seine gleichaltrige Freundin, die er durch die „Deutsche Glasknochengesellschaft“ kennenlernte und heiraten will, hatte schon 40 Brüche. Mittlerweile hat Benny stabilisierende Teleskopnägel in den Ober- und Unterschenkeln. Er kann über das Krabbeln hinaus kurze Wege watschelnd laufen.
„Jeder hat irgendwas, sagen wir ihm immer, und dass er etwas besonderes ist“, so die stolze Mama, die im Übrigen alles andere als eine „Helikopter-Mutter“ sei. Soviel wie möglich soll Benny alleine machen. Er muss es lernen. „Hallo, ich bin Benny und habe Glasknochen.“ Das sagt er, seitdem er sprechen kann. Bennys Eltern hoffen, dass ihr einziges Kind 1,30 Meter wird. Dass beruflich etwas aus ihm werden kann, weiß er längst: Sein Spezialarzt in Köln hat auch Glasknochen.