Leben Gemeinsam statt einsam
Ein Projekt, das Herzen im Kreis Stendal verbindet: Senioren besuchen die Kita „Jenny Marx“ in Osterburg und erleben bei einem Tag voller Aktivitäten, warum Spielen glücklich macht.
Osterburg. - Die Kindertagesstätte „Jenny Marx“ pflegt besonders gut die Nachbarschaft. Seit fünf Jahren besuchen Kinder die Senioren in der Tagespflege „Pio“. Jetzt waren zehn Rentner bei den Knirpsen zu Gast. Eine nachahmenswerte Aktion, findet Kita-Leiterin Ute Löschner.
„Noch mal gähnen! Wer hat Haare auf den Zähnen?“, hieß es beim Frühsport in der Kita „Jenny Marx“. Als die Erzieherin „Mit dem Köpfchen nick, nick, nick“ anstimmte, wurden bei den Senioren Erinnerungen wach. Und wer konnte, machte begeistert mit. Das „Gute-Laune-Lied“ fegte auch bei den Spätaufstehern den Schlaf aus den Augen.
„Einmal im Monat geht die mittlere Gruppe für eine Stunde in die Tagespflege“, erzählt Ute Löschner. „Da wird gebastelt und gesungen, was das Zeug hält.“ Seit 2017 ist Sandra Hoffmann dort die Leiterin – für das Projekt war sie sofort offen. Den Kontakt zur Kita hatte vor fünf Jahren eine Mitarbeiterin von ihr angeregt, deren Kind die Einrichtung besuchte.
Abwechslung mit Stationen
Um den Tag abwechslungsreich zu gestalten, hatten alle Kita-Gruppen eine Station vorbereitet, an der die Senioren aktiv werden konnten. Sie luden beispielsweise zum Büchsenwerfen, Medizinballrollen und Kegeln ein.
Als es galt, mit kleinen Bällen in einen Ring zu treffen, war Horst Tietz gleich durchschaut. Der 89-Jährige spielte in jungen Jahren links außen bei Dynamo Osterburg, wie der Osterburger Fußballclub (OFC) früher hieß. Er genoss den Ausflug zu den Kleinen, denn „das Leben wird immer einsamer“. Er spürt am eigenen Leib: „Je älter man wird, um so einsamer wird man auch.“
Gudrun Patitz aus Osterburg findet die Tagespflege eine tolle Alternative zu den eigenen vier Wänden und genießt die Gesellschaft in geselliger Runde: „Dadurch ist man nicht allein zu Hause. In der Volkssolidarität ist ja gerade auch nicht viel los. Außerdem freundet man sich wieder mit anderen an.“ Als Lehrerin hatte sie früher Kinder heranwachsen sehen. Jetzt freut sie sich, zum Nachwuchs zurückzukehren. Regine Vieweg ist wiederum eine zugezogene Rentnerin, die sehr zu schätzen weiß, auf diese Weise Anschluss zu finden.
„Wir sind heute mit Senioren aus der Tagespflege und vom Betreuten Wohnen hier“, erzählte die „Pio“-Leiterin. „Vorher haben wir Essen vorbereitet, denn unsere Gäste und Bewohner helfen gerne in der Küche mit.“
Lebenshilfe mit dabei
Dienstag und Mittwoch sind seit Anfang des Jahres die liebsten Wochentage von Sandra Theiß. Die 31-Jährige arbeitet in der Lebenshilfe in der Holzwerkstatt und wohnt in der Ernst-Thälmann-Straße, unweit vom „Pio“ entfernt. Als sie gefragt wurde, ob sie gern auch in der Tagespflege arbeiten würde, stimmte sie sofort zu. „Es macht so einen Spaß“, schwärmt die Osterburgerin, die nicht nur handwerkliches Talent hat, sondern außerdem sehr gern schreibt und rechnet. Bonuspunkte, die in der Tagespflege gefragt sind. Sie liebt Kontakt zu anderen Menschen und verteilte jetzt freudestrahlend die Eisbecher an die Rentner. Als Überraschung hatte Ute Löschner an diesem Tag den Eiswagen von Anja Schumann bestellt.
„Das müssen wir unbedingt noch mal machen“, sagt Kita-Leiterin Ute Löschner. „Wenn schlechtes Wetter ist, können wir ja auch drinnen Stationen aufbauen.“ Das Miteinander von Senioren und Kindern könnte beziehungsweise sollte Schule machen, ist ihre Meinung. Keiner sollte allein zu Hause sitzen. In diesem Sommer gibt's auf jeden Fall eine Wiederholung.