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"Sterben muss man in Wien" Liedermacher Hans-Eckardt Wenzel gibt Konzert in Krumke

Von Astrid Mathis 03.11.2011, 05:25

Krumke l Das Kavaliershaus in Krumke war für Dienstagabend schon wochenlang ausgebucht. Für ihn - Hans-Eckardt Wenzel aus Berlin. Der Künstler, der 2006 zum ersten Mal die Herzen der OLITA-Fans höher schlagen ließ, wurde mit seinem Programm "Seit ich am Meer bin" zum ersehnten Wiederholungstäter.

Entgegen seinem letzten Auftritt in der Altmark begann Wenzel mit Texten ohne Musik. Eine Stunde lang lauschten die 65 Zuhörer seiner Stimme, "begleiteten" ihn auf seinen Reisen nach Istanbul und ans Meer. "Ich bin nicht anders als der Wind. Auf mich kannst du nicht bauen," zitierte er und: "Ich treib\' mich selbst ins Ferne." Er gestand: "Nur der Provinz mit ihrem stinkenden Atem entkam ich nicht. Lustlos fraß sie meine Seele Stück für Stück. [...] Ich bin die Provinz, die nach der Welt greift."

In seinen Gedichten erzählte er von Pilzsuche und Mea Culpa, vom misslungenen Versuch, früh zu sterben und vom Meer, das der Veranstaltung den Namen gab. Er raunte ins Mikrofon: "Seit ich am Meer bin, träume ich wieder schwer. Dort, wo ich her bin, blieben die Nächte leer." Angetan von seiner Lyrik, Gefühls- und Naturbeschreibungen blieben die aufmerksamen Blicke am Künstler haften. Auch beim Vortrag der Beschreibung von zwölf Monaten in Wenzels Lieblingsexil in Vorpommern bewiesen die Zuhörer langen Atem. In der Pause stürmten sie zum Büchertisch und kamen mit dem Berliner ins Gespräch.

Dass er gar kein Berliner ist, verriet er im musikalischen Teil des Abends: "Eigentlich stamme ich aus einer Kleinstadt, die noch grausamer ist als ihre." Die Gäste lachten auf, Wenzel holte aus:. "Wir Deutschen fühlen uns immer besser, wenn wir wissen, anderen geht es noch beschissener." Wie erstaunt war das Publikum, als der Name Wittenberg fiel. Ja, ja, die Deutschen haben laut Wenzel ohnehin Probleme mit ihrer Identität: "Wir wollen immer weg und bleiben immer hier." Passend dazu erzählte er von der 1989/1990 entstandenen DEFA-Produktion "Letztes aus der DaDaeR", die Jahrzehnte keinen interessierte, bis sie bei Kanadiern landete, die aber lieber Fallen stellten, und schließlich wieder mit digitalen Verwertungsrechten in Deutschland auftauchte. Das heiße nichts anderes, als dass sie jetzt als DVD erhältlich sei. "DVD - das ist keine Partei, das ist ein Format. Partei und Format schließen sich aus", behauptete Wenzel. Gleich im Nachsatz merkte er mit spitzer Zunge an, die Politik hätte derzeit mit Hilfe guter dramaturgischer Führung Operettenpotenzial - Unschuld vom Lande, vietnamesisches Waisenkind, gegelter Baron taugen alle mal dazu.

Hans-Eckardt Wenzel kann aber auch romantisch-heiter, zum Beispiel vom Techtelmechtel mit einer Bioschlüpperfrau singen oder lang und breit sein Geburtstagslied "Lebensreise" ankündigen, in dem er sich sehnt, "nach Paris verliebt zu fliehn", und rät: "Aber Sterben muss man in Wien." Seine Begleiter waren stets Gitarre, Akkordeon, Piano, manchmal ein ironischer Unterton. Mit Zugaben und Autogrammen verabschiedete sich der Künstler von dem Osterburger Publikum.