57000 Tiere tot Nach Großbrand von Alt Tellin: Kritiker von Schweineanlage Wasmerslage sehen ihre Befürchtungen bestätigt
Alt Tellin/Wasmerslage
Das Nachrichtenmagazin „Fokus online“ schrieb wenige Tage nach dem Großbrand von Alt Tellin von einem „Fukushima für alle Megaställe“. Analog zum beschlossenen Atomausstieg angesichts der Katastrophe in Japan, wurde Alt Tellin in Medien und sozialen Netzwerken schnell zum „Point of no Return“ erklärt. Spätestens nach diesem Vorfall könne es nicht wie bislang weitergehen. Was ist passiert?
Am 30. März sind laut Auskunft der Polizeiinspektion Anklam in Alt Tellin (südöstlich von Demmin) alle 18 Stallungen der LFD-Holding-Sauenzuchtanlage in Brand geraten. Dabei verendete fast der komplette Tierbestand: rund 57000 Sauen und Ferkel. 1300 Schweine konnten laut LFD Holding durch Feuerwehr, Rettungskräfte und Mitarbeiter noch aus den Ställen geführt werden. Die im Internet kursierenden Bilder und Videos von angebrannten, quietschenden Schweinen muten apokalyptisch an. Der finanzielle Schaden beläuft sich laut Polizei „auf einen hohen zweistelligen Millionenbetrag“. Das Kriminalkommissariat Anklam habe unmittelbar nach dem Brand eine Ermittlungsgruppe gebildet, die Staatsanwaltschaft sei noch am Tag des Brandes verständigt worden. „Die Ermittlungen gestalten sich weiterhin schwierig und sind nicht abgeschlossen“, teilte Polizeisprecher Andrej Krosse am Dienstag mit.
Wasmerslage und Alt Tellin laut LFD Holding nicht vergleichbar
Die LFD Holding teilt mit, dass all ihre Betriebsstätten „stets unter Einhaltung der jeweils erteilten Betriebsgenehmigung sowie einer vorliegenden Brandschutzverordnung betrieben“ werden. Noch am Tage vor dem Brand habe ein Kontrolltermin stattgefunden. Davon ab seien die Anlagen AltTellin und Wasmerslage vom Bautyp her nicht vergleichbar. „Sowohl die Anlage im laufenden Betrieb wie auch die nach der geplanten Modernisierung in Wasmerslage erfüllt alle Brandschutzauflagen“, informiert Ralf Beke-Bramkamp als Sprecher der LFD Holding. Er betont, dass es sich beim geplanten Umbau der Anlage von aktuell knapp 11000 Tierplätzen auf letztlich rund 45500 Ferkelplätze um keine Erweiterung, sondern eine Modernisierung handele. Auch sei die Bezeichnung „Schweinemastanlage“ falsch, „es ist ein Ferkelaufzuchtbetrieb“.
Osterburgs Stadtwehrleiter Sven Engel sieht bauliche Unterschiede zwischen Alt Tellin und Wasmerslage. „Die Ställe dort standen sehr eng, in Wasmerslage ist mehr Luft dazwischen.“ Ein Brand in Wasmerslage sei deswegen aller Wahrscheinlichkeit nach eingrenzbar. Engel verweist darauf, dass das Bauordnungsrecht seinem Wissen nach keine Vorgaben für Stallanlagen mache.
Gerade Brandschutz war in Wasmerslage Teil der Kritik
Osterburgs Bürgermeister Nico Schulz (Freie Wähler) sieht im Großbrand einen Beleg dafür, dass Osterburg mit seinem Klageweg gegen den großen Umbau der Schweineanlage Wasmerslage richtig liegt. „Es ging uns ja gerade immer um den Brandschutz. Man kann die Tiere in der Not nicht schnell genug evakuieren.“ Nicht zuletzt, weil angesichts der Personalknappheit in der Feuerwehr der so wichtige Erstangriff gar nicht immer gewährleistet werden könne, was auch Engel bestätigt.
Helmut Sasse, Sprecher der „Bürgerinitiative gegen die Erweiterung der Schweinemastanlage Wasmerslage“ äußert: „Wir hoffen, dieser Brand läutet die längst überfällige Zeitenwende in der industriellen Tierproduktion ein.“ Derart hatten sich gleich nach dem Brand auch Osterburgs Stadtratsmitglied David Elsholz und die Landtagsabgeordnete Dorothea Frederking (beide Bündnisgrüne) in einer gemeinsamen Pressemitteilung zu Wort gemeldet.
Alt Tellin soll laut Backhaus Modellanlage werden
Derweil kündigt Dr. Till Backhaus (SPD) als Agrar- und Umweltminister von Mecklenburg-Vorpommern an: „Das Brandschutzkonzept für diese Anlage – es umfasst 70 Seiten plus 150 Seiten Anhänge – muss in Frage gestellt werden. Daraus müssen wir Lehren ziehen. (...) Wenn wir die Tierhaltung verbessern wollen, müssen wir über Obergrenzen sprechen. Wir haben daher mit Brandenburg eine Bundesratsinitiative auf den Weg gebracht“, heißt es in einer Pressemitteilung. Alt Tellin soll nicht wieder wie gehabt aufgebaut werden. Man habe sich darauf verständigt, dort „ganz neue Wege zu gehen“. Backhaus spricht von einer „Modellanlage der Zukunft“, einem „Stall 4.0“ mit bodengebundener Landwirtschaft, die wissenschaftlich begleitet wird. Die LFD Holding hält sich dazu bedeckt.