Auf süßer Mission Premiere mit Drohne: Jägerschaft Osterburg rettet 41 Rehkitze vorm Tod durch Mähmaschinen
Die Jägerschaft Osterburg ist gerade auf süßer Mission. In den frühen Morgenstunden sucht sie mittels Drohne Wiesen nach Rehkitzen ab, die sonst wenige Stunden später in den Schredder der Mähmaschine geraten würden. Möglich macht’s ein neuer Verein und ganz viel ehrenamtlicher Einsatz. Am Donnerstag in Rengerslage mit besonders großem Erfolg.

Rengerslage - Nur der frühe Vogel findet das Kitz. Nach 9 Uhr braucht man nicht mehr loszufliegen. „Dann erkennt man die Kitze auf der Wärmebildkamera nicht mehr, weil die Wiese sich schon zu sehr aufgewärmt hat“, sagt Lars Falke. Er ist Vorsitzender der Jägerschaft Osterburg und nicht zimperlich, wenn es heißt „wir treffen uns um 5 Uhr“. Auch mitten in der Woche vor der Arbeit. Die Idee zur Kitzrettung gab es schon länger. Denn alljährlich fallen viele Jungtiere dem Mähwerk zum Opfer, so sehr sich Landwirte auch bemühen, die Wiese vor der für Rehe gefährlichen ersten Mahd zu kontrollieren, die Ricke zum Beispiel am Abend davor zu stören. In der Hoffnung, dass sie ihr Junges rechtzeitig wegträgt.
Drohne fliegt in 80 Metern Höhe
Nun gibt es technische Unterstützung. Wie Lars Falke erzählt, haben einige Mitglieder des Landesjagdverbandes den Verein Wildtierretter Sachsen-Anhalt gegründet und darüber zunächst fünf hochwertige Drohnen mit Wärmebildkamera angeschafft. Eine davon wurde vor drei Wochen hiesigen Jägern im Norden ausgehändigt. Zur Freude Falkes gibt es genügend vor allem jüngere Jäger, die bei der Kitzrettung helfen. Seit Sonntag und bis Donnerstag hat die Jägerschaft Osterburg mit Unterstützern bereits 41 Kitze aufgespürt. Immer direkt vor der Mahd. Am Donnerstag rund um Rengerslage war das Drohnenteam besonders erfolgreich. Auf knapp 100 Hektar machte es 16 Kitze aus – in nur zwei Stunden. Die Drohne wird dabei mit Hilfe von „Google Earth“ programmiert. Sie fliegt in etwa 80 Metern Höhe selbstständig und flott die Fläche ab. Jemand aus dem Kitzrettungs-Team verfolgt per Live-Kamera, was sie sieht. „Man hat den Blick schnell raus“, sagt Falke. Besteht der Verdacht auf einen Fund, steuert der Mann an der Drohne selbige hinunter. Die Läufer auf der Wiese werden auf diese Weise und mit Unterstützung von Funksprechgeräten zu den Kitzen geführt.
Gefahr von Leichengiften im Tierfutter
In den meisten Fällen werden die süßen Knopfaugen dann an selbiger Stelle in eine gut luftdurchlässige Kiste gesetzt. Die Kiste wird mittels Fähnchen markiert und der Landwirt mäht kurze Zeit später drumherum. Er macht es gerne, sagt etwa Gerhard Hupe, Geschäftsführer der Agrargenossenschaft Klein Schwechten. Bei ihm spürten die Herren am Sonntag eine Handvoll Kitze in der Luzerne auf. „Das ist für uns eine große Hilfe“, so Hupe. Vorher habe man in Absprache mit den Jägern gemäht, die dann am Abend mit Hunden durchgegangen sind. Immer in der Hoffnung, die Ricke schleppt ihre Jungen weg. Wenn sie sie aber nur auf die nächste Wiese bringt, ist es ein Problem. Oder wenn sie gar nichts tut. „Mit der Drohne ist es auf jeden Fall effektiver und sicherer“, sagt Hupe. Niemand wolle ein Kitz zerschreddern, „das ist wirklich nicht schön“. Außerdem bestehe immer die Gefahr, dass man sich übers Futter Leichengifte in den Stall holt. „Das kann man wirklich nur so technisch lösen“, ist Hupe überzeugt und dankbar. Die Kitzretter arbeiten ehrenamtlich, perspektivisch werde es laut Falke so sein, dass die Landwirte eine Aufwandsentschädigung an den Wildtierretter-Verein zahlen.
Trefferquote quasi bei 100 Prozent
Die Trefferquote mit Drohne liege quasi bei 100 Prozent. „Was natürlich in der meist kurzen Zeit passiert, bis die Mähmaschine kommt, haben wir nicht unter Kontrolle“, so Falke. Die Jägerschaft Osterburg möchte sich zusätzlich eine eigene Drohne anschaffen, um noch effektiver zu sein.
So manch’ im Kitzalter vom Jäger gerettetes Reh wird später von einem Jäger erschossen werden. Passt das zusammen? „Da muss man sich eben fragen, was besser ist: Ein zerschreddertes Kitz - und sie sind ja nicht immer gleich tot – oder ein vom Jäger sauber erlegtes Stück Wild, das der Mensch auch noch essen kann. Wir möchten doch qualitativ höherwertiges Fleisch“, so Falk. Außerdem wolle ja auch der Wolf noch etwas fressen. Und: „Die Bauern sind laut Tierschutzgesetz ohnehin dazu verpflichtet, vorzusorgen. Da gab es schon Urteile und die Strafen sind sehr hoch.“ Die meisten Landwirte hier würden sich aber rechtzeitig melden.
Rehkitze stellen sich bei Gefahr tot
Das Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft und Energie (MULE) zur Kitzrettung: Jedes Jahr werden tausende Kitze und andere Wildtiere von Mähmaschinen verletzt oder getötet. Fachkreise schätzen die Zahl jährlich geschädigter Rehkitze in Deutschland auf bis zu 100000. Rehmütter legen ihre neugeborenen Kitze an geschützten Orten ab und suchen diese nur drei bis vier Mal am Tag direkt auf. Die übrige Zeit bleiben die Kitze allein und werden von ihren Müttern aus sicherer Entfernung beobachtet. Bei Gefahr flüchten die Kitze insbesondere in den ersten Lebenswochen nicht: Ihre angeborene Schutzstrategie besteht im Liegenbleiben und dem sogenannten Drücken. Da sie keinen Eigengeruch verbreiten und fast unsichtbar sind, wirkt dieser Schutzmechanismus gut gegen Beutegreifer, aber natürlich nicht gegen Mähtechnik. Moderne Mähmaschinen sind so schnell und haben so große Arbeitsräume, dass den Maschinenführenden ein Erkennen der Kitze und rechtzeitiges Stoppen unmöglich ist.

