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Erdgas-Altlast Angst vor dem Quecksilber in Steinitz

Bei Steinitz werden kontaminierte Rohre gereinigt. Eine Messung ergab erhöhte Quecksilberwerte. Was steckt dahinter?

Von Alexander Walter 26.08.2016, 02:00

Steinitz l Ein Bericht des Mitteldeutschen Rundfunks (MDR) hat die Einwohner von Steinitz und Umgebung in Aufregung versetzt. Nach Recherchen der freien Journalistin Heidi Mühlenberg reinigt das Unternehmen Gaz de France/Engie E&P auf einem Platz unweit des Dorfes ausgediente Erdgasrohre unter freiem Himmel, die nach jahrelangem Einsatz mit Krusten aus hochgiftigen Schwermetallen wie Quecksilber und radioaktiven Elementen belastet sind.

Doch wie ist die Belastung um Steinitz tatsächlich einzuordnen? Was kommt als Ursache in Frage? Und vor allem: Gelangen Quecksilber, andere Schwermetalle und radioaktives Material durch das Reinigen der Rohre unter freiem Himmel in die Umwelt?

Eine der Volksstimme vorliegende Messung hat an mehreren Punkten der Umgebung erhöhte Quecksilberbelastungen im Boden um den Platz und um den Unternehmensstandort Steinitz nachgewiesen.

Heidi Mühlenberg kommt anhand der Messungen zu einem eindeutigen Ergebnis: Mit einem Wert von 3,6 Miligramm Quecksilber je Kilogramm Trockensubstanz ist der Waldboden direkt neben dem Steinitzer Reinigungsplatz 50-fach höher belastet als der Boden einer Nullprobe (völlig unbelastet) 400 Meter von der Anlage entfernt. Noch höher sind die Werte allerdings nahe einer Erdgastrocknungsanlage an einer ganz anderen Stelle des Unternehmensstandorts. Hier stellte die Messung 11 Milligramm je Kilogramm Trockensubstanz fest – das 160-fache der Nullprobe.

Alle 18 Messwerte lagen unterhalb der gesetzlichen Grenzwerte. Zum Vergleich: Für Park- und Freizeitanlagen gilt laut Bundes-Bodenschutzverordnung aktuell ein Grenzwert von 50 Milligramm Quecksilber je Kilogramm Trockenmasse, selbst für Kinderspielflächen liegt das Limit bei 10 Milligramm. Andererseits: Der so genannte Vorsorgewert, der negativen Folgen einer erhöhten Schadstoffbelastung langfristig vorbeugen soll, gibt ein Limit von 0,1 Milligramm Quecksilber je Kilogramm Trockenmasse in Sandböden vor.

Unabhängig von diesen Befunden: Einen Zusammenhang der erhöhten Quecksilberwerte mit dem Betrieb des Reinigungsplatzes sieht das zuständige Landes-Wirtschaftsministerium nicht:

„Aus derzeitiger Sicht gehen vom Platz keine Gefahren für Mensch und Umwelt aus – auch nicht für die Beschäftigten“, sagt Sprecher Robin Baake. Das nachgewiesene Quecksilber sei vielmehr Folge einer Altlast aus der Erdgasförderung zu DDR-Zeiten.

Dort, wo die Daten der aktuellen Messung genommen wurden, sei früher Erdgas abgefackelt worden. „Auch Lagerstättenwasser ist damals ausgetreten – daher war der Boden stark mit Quecksilber belastet“, so Baake. Die belasteten Böden wurden nach der Wende mit dem Zielwert von 30 Milligramm je Kilogramm saniert. Die Messung bestätige, dass dieses Ziel erreicht worden sei. Weitere Bodensanierungen seien nicht nötig, sagte Baake.

„Eine Gefahr für Mensch und Umwelt geht von diesem Platz nicht aus“, betont auch Stefan Brieske, Sprecher von Engie E&P. Die kontaminierten Rohre würden bei Transport und Lagerung mit Schutzkappen versehen. „Während des Reinigungsprozesses werden sie in eine geschlossene Reinigungsanlage eingespannt. Alle Behandlungsarbeiten erfolgen innerhalb von gedichteten Betonbecken. Die Mitarbeiter vor Ort kommen bei diesem Prozess also nicht mit den kontaminierten Stoffen in Kontakt.“

Gehen also vom Reinigungsplatz keinerlei Gefahren aus?

Genau das bezweifeln Einwohner umliegender Dörfer. Anrufer kündigten am Donnerstag an, im Wald gesammelte und getrocknete Pilze nicht mehr essen zu wollen. Ein Anrufer berichtete, dass bis vor wenigen Jahren noch ein Zelt über der Rohrreinigungsanlage auf dem Platz bei Steinitz gestanden habe. Nach dessen Abbau habe er immer wieder Mitarbeiter in Voll-Schutzkleidung Rohre reinigen sehen. Der dabei entfernte Schmutz sei ohne weitere Filterung in die Luft gelangt.

Der Uelzener Wasserbau-Ingenieur Bernd Ebeling, der sich seit längerem mit den von der Erdgasförderung ausgehenden Umweltgefahren befasst, bezweifelt „dass die halbautomatische Rohrreinigung in einem geschlossenen System erfolgt.“ Bei mehreren Arbeitsvorgängen an der Anlage seien deutlich sichtbar Aerosole, Stäube und/oder Wasserdampf sichtbar gewesen. Wegen der Kontamination der Rohre könnten diese Emissionen nach Einschätzung Ebelings neben Schwermetallen wie Quecksilber auch radioaktive Stoffe wie Blei und Radium enthalten, die je nach Windstärke und -richtung auch auf Flächen außerhalb der Anlage gelangen.

Unternehmenssprecher Stefan Brieske hat allerdings auch für die beobachteten Aerosole eine Erklärung: „Der Wasserdampf entsteht beim Ausspannen der schon gereinigten Rohre aus der Anlage“, sagte er.