Meerforellenprojekt erfolgreich / Mehr als 300 Fische gezählt, darunter auch Aal und Neunauge "Das war unsere Vision"
Die Gewässerqualität von Jeetze und Dumme zu verbessern und die vorhandenen Arten ins natürliche Gleichgewicht zu bringen, war das Ziel der Salzwedeler Angler, als sie das Meerforellen-Projekt starteten. Nach einer Zählung des Fischbestandes im Herbst ist klar: Die Mühe hat sich gelohnt.
Salzwedel l "28 - 26 - 12 - 14 - 27." Nein, das ist keine Zahlenreihe, die der Biologe Ingo Borkmann vom Potsdamer Institut für Binnenfischerei seiner Kollegin, Umweltschutztechnikerin Nicole Hannemann, als Rätsel diktiert. Die beiden sitzen am Ufer der Dumme und haben einen Behälter vor sich, in dem Fische schwimmen. Und die legt Ingo Borkmann auf ein Zentimetermaß, misst ihre Länge, sagt sie an, und setzt die Fische zurück in den Flusslauf. Platsch! Schon wieder hat Ingo Borkmann einen in die Freiheit entlassen, und das Tier verschwindet unter einem herabgestürzten Ast im Wasser, während Nicole Hannemann einen Strich auf ihrer Liste macht.
Die beiden Mitarbeiter des Institutes für Binnenfischerei haben die Fische mit einem Elektro-Fischfanggerät leicht betäubt. Mit einem Kescher fangen sie die Tiere ein. Als der Behälter sich füllt und die größeren Fische munter werden und drohen, in den Flusslauf zurückzuspringen, ist es höchste Zeit fürs Zählen.
"Es muss einen Grund geben"
Dass die zwei Fachleute an diesem herbstlichen Vormittag mit Wathosen ausgerüstet durch die Dumme streifen und den Fischbestand protokollieren, ist dem Salzwedeler Angelsportverein zu verdanken. Denn erst durch dessen Engagement ist die Beobachtung des Gewässers zum Automatismus geworden. "Es muss einen Grund geben, damit etwas geschieht", erzählt Thomas Koberstein, der nicht nur Mitglied des Angelsportvereines ist, sondern auch Gewässerwart. Der Fischfreund ist schon von Kindesbeinen an dem Angeln verfallen und setzt sich mit Gleichgesinnten, vor allem mit Vereinsvorsitzendem Norbert Tschenisch, für die Verbesserung der Qualität der Gewässer in Salzwedel und Umgebung ein, insbesondere für die Strukturgüte. Sie lässt Schlüsse auf die Naturnähe des Flussbettes und des angrenzenden Überschwemmungsgebietes zu.
Folgendes hatten die Angler beobachtet: Es gab zwar Fische unterschiedlicher Arten, doch diese waren mengen- und altersmäßig nicht im richtigen Verhältnis vertreten. Deshalb setzten sich Koberstein und Tschenisch für die Ansiedlung von Meerforellen ein. Thomas Koberstein: "Das war unsere Vision. Und wenn einer den anderen nicht gehabt hätte, wäre aus der Idee nie Realität geworden".
Smolts wandern zu den Küsten Europas
Meerforellen finden Ingo Borkmann und Nicole Hannemann während der Zählung nicht. Die in diesem Jahr eingesetzten Brütlinge lassen sich nicht von den hiesigen Bachforellen unterscheiden, da sie im Jugendstadium gleich gefärbt sind. Die im Vorjahr eingesetzt Fische, die sogenannt Smolts, sind längst abgewandert und werden erst zum Laichen von den Küsten Europas zurückkehren. Sie können anhand der unterschiedlichen Beschaffenheit der Gewässer erkennen, wann sie wo quasi abbiegen müssen, berichtet Thomas Koberstein fasziniert. Ähnlich lang, wie der Weg, den eine Meerforelle zurücklegt, war auch der Weg der Angler, ehe sie ihr Ziel erreichten. Zumindest gefühlt.
Das Projekt hatten sie ab dem Jahr 2007 in Angriff genommen. Damals habe bei den Angelsportlern ein Umdenken stattgefunden. Sie verfolgen zwar nach wie vor ein sportliches Anliegen. Jedoch funktioniere auch das nur, wenn sich die Natur im Gleichgewicht befindet.
2010 schließlich hatten es Norbert Tschenisch und Thomas Koberstein geschafft. Erste Voruntersuchungen fanden statt. Die Gewässer um Salzwedel waren für das Wanderfischprogramm noch gar nicht vorgesehen. Durch die tolle Wasserqualität, die nach der Bode die zweitbeste im Land sei, wurden Jeetze, Dumme und Tangelnscher Bach aber auf die Prioritätenliste gesetzt und für das Meerforellen-Projekt ausgewählt. 2012 wurden 30000Brutfische in Jeetze, Dumme und den Tangelschen Bach eingesetzt. Sie sind der besagte Grund, aus dem nun etwas geschieht: die ökologische Durchlässigkeit wird erhalten beziehungsweise hergestellt. Nicht nur auf sachsen-anhaltischer Seite, sondern auch auf niedersächsischer Seite, war dafür schon vorgearbeitet worden. "Gott sein Dank", kommentiert Thomas Kobertstein. Er hofft nun, dass die Qualität der Gewässer weiter steigt und bald die ersten Meerforellen zum Laichen nach Salzwedel zurückkehren.
Die Auszählung des Fischbestandes lässt sich Thomas Koberstein natürlich nicht entgehen. Er hat sich den Vormittag freigenommen - so wie immer, wenn ein Team vom Institut für Binnenfischerei zum Zählen kommt.
Gespannt bahnt er sich seinen Weg am Ufer entlang zu den beiden Mitarbeitern, die im knietiefen Wasser hocken. Zwischen Sträuchern hindurch, über umgestürzte Bäume hinweg, aber nicht zu nah am Uferbereich, um die Fische nicht zu verschrecken oder gar zu verscheuchen, die gezählt werden sollen. Es dauert nicht lange, da fangen Thomas Kobersteins Augen an zu glänzen. "Hier, ein 35 Zentimeter langes Weibchen, wirklich schön", sagt Ingo Borkmann und zeigt die Forelle, die noch nicht abgelaicht hat, dem Salzwedeler Angelfreund.
Große und kleine Forellen bevölkern den Fluss
Wie es scheint, haben sich die Mühen, die auch von Rückschlägen gekennzeichnet waren, gelohnt. Nicht nur die Dichte, also die Anzahl der Fische, erfüllt die Erwartungen Thomas Kobersteins. Große und kleine Fische lassen darauf schließen, dass sie sich vermehrt haben, also unterschiedliche Generationen von Bachforellen den Fluss bevölkern.
In den ersten Jahren waren es gerade mal 20 Fische, alle aus der gleichen Generation, die die Mitarbeiter in dem etwa 500Meter langen Untersuchungsbereich fanden. Diesmal dokumentieren die Experten mehr als 300 Forellen. Sogar einen Aal fischen die zwei aus dem Wasser. Sie finden auch einige Neunaugen. "Diese Fische sind ein Indikator für gute Wasserqualität", sagt Thomas Koberstein. Er ist überglücklich.