In Diesdorfer Brennerei entstehen preisgekrönte Obstbrände Edle Tropfen: Aromatest durch die Nase
Die Plakette "Edelbrand des Jahres" prangt jetzt auf den Quittenbrand-Flaschen aus der Edeldestille der Diesdorfer Süßmost- und Weinkelterei. Aber wie entsteht überhaupt ein derart edler Tropfen?
Diesdorf l Der Duft von vergorenem Obst empfängt den Besucher beim Eintritt in die Brennerei. Leises Plätschern und Summen des Rührwerkes verrät den Betrieb der glänzenden Anlage in der Ecke. "Finden Sie mal heraus, was jetzt gerade destilliert wird", fordert Matthias Schulz schmunzelnd die olfaktorischen Fähigkeiten des Gastes heraus. Also riechen und konzentrieren. Äpfel? Eher nicht. Aber hat Matthias Schulz nicht gerade für einen Quittenbrand bei der "Destillata" in Österreich den Titel "Edelbrand des Jahres" gewonnen? Also: "Quitten?" "Fast", erwidert Matthias Schulz und löst das Rätsel, "Pfirsich. Das ist aber auch ziemlich schwer zu erkennen." Am kleinen Sichtfenster des Behälters unter der Brennblase wogt die Maische im satten Gelb.
Von der Brennblase kommt das Destillat in die sogenannte Kolonne, wo der Dampf mehrmals kondensiert. Jedes Mal steigt dabei der Alkoholgehalt. Am Ende fließt ein Brand mit einem Alkoholgehalt von etwa 80 Prozent in einen Eimer.
Kunden mögen es mild, Fachleute frisch
Soviel wird während des Besuchs klar: Ein guter Obstbrand braucht vor allem Zeit. Das beginnt bereits bei der Maische, dem Brei aus zerkleinertem Obst. Dem wird Hefe zugesetzt, die den Zucker der Früchte in Alkohol umwandelt. "Auf diesem Weg wird die Maische konserviert", erklärt Matthias Schulz. Der Prozess dauert etwa vier bis sechs Wochen. Die Pfirsich-Maische, aus der jetzt ein Brand destilliert wird, habe er Anfang Dezember vergangenen Jahres angesetzt.
Im Pressraum des Diesdorfer Unternehmens stehen bereits die nächsten Behälter bereit. Eine Maische ist ein Gemisch aus Äpfeln und Birnen, im anderen Behälter befindet sich eine trübe Apfelmaische. Letztere ist für einen besonderen Zweck gedacht, verrät Matthias Schulz später. Daraus will er einen Jubiläumsbrand für das Dienstjubiläum seines Chefs, Professor Dietrich Knorr, Inhaber des Lehrstuhls für Lebensmittelbiotechnologie an der Technischen Universität Berlin, destillieren. Nach dem Studium der Lebensmitteltechnologie schreibt Matthias Schulz derzeit seine Doktorarbeit in Berlin. An den Wochenenden ist er jedoch zu Hause in Diesdorf und kümmert sich um die Brennerei. Der Pfirsich-Brand ist der dritte an diesen Tag. Zwei weitere mit anderem Obst plant er noch.
Der Brennprozess selbst dauert etwa zweieinhalb bis drei Stunden - relativ kurz im Vergleich zum gesamten Zeitraum, bis der Brand endlich abgefüllt in Flaschen zum Verkauf angeboten wird. "Durch die Lagerung wird der Brand milder. Das wird von den Kunden gewünscht." Fachleute wie die Jurymitglieder bei der "Destillata" bevorzugen dagegen frischen Brand.
Die Geschichte des Brennens in Diesdorf begann mit Tiefkühl-Himbeeren, zu wenig, um sie für die Fruchtsaftproduktion zu verwenden, aber zum Wegwerfen zu schade. "Daraus haben wir damals Himbeer-Geist destilliert", erinnert sich Matthias Schulz. Für einen Geist werden Früchte in einem bestimmten Mischungsverhältnis mit Alkohol versetzt und dann destilliert, erläutert er den Unterschied zum Obstbrand.
Nach der Entscheidung, die Produktion von Fruchtsaft und -wein um eine Brennerei zu erweitern, ging die Anlage am ersten Advent 2008 erstmals in Betrieb. Für Matthias Schulz und seine Eltern ein nachhaltiges Erlebnis. "Wir haben damals einen Brand aus Apfelwein destilliert", blickt er zurück. Ein Monteur der Herstellerfirma und der Berater Klaus Hagmann seien ebenfalls dabei gewesen. Hagmann, Autor von Fachbüchern, habe ihnen damals einen Crash-Kurs in Sachen Brennen erteilt. Inzwischen sei er ein Freund der Familie geworden.
Experimente startet Matthias Schulz nicht nur im Rahmen seiner Promotion in Berlin. Auch zu Hause in Diesdorf probiert er Neues aus, beispielsweise Apfel-tresterbrand in Zusammenarbeit mit einem Institut der Humboldt-Universität.
Nach einiger Zeit fließt aus der Brennanlage der sogenannte Vorlauf ab, etwa ein bis eineinhalb Liter Brand, die nicht verwendet werden. Sie dürfen aber auch nicht ohne weiteres entsorgt werden - Stichwort Branntweinsteuer. Wenn der Betrachter vor der Brennanlage steht und genau hinsieht, entdeckt man sie: zahlreiche kleine Plomben, angebracht vom Hauptzollamt Magdeburg. Von der Anlage ist nur ein Teil frei zugänglich. Kolonne und Glasbehälter für den Vorlauf sind hinter Glas verschlossen. "Wir dürfen als Erzeuger nicht an die alkoholdampfführenden Teile", sagt Matthias Schulz. Die Diesdorfer Brennerei ist Inhaber eines sogenannten Verschlussbrennrechtes. Vor allem in Süddeutschland sind verstärkt die Abfindungsrechte üblich, Rechte, die auch verkauft oder vererbt werden können.
Regelmäßiges Protokollieren ist Pflicht, die entsprechenden Listen sind zusammengeheftet und ebenfalls mit Plomben versehen. In unregelmäßigen Abständen kommen Mitarbeiter des Hauptzollamtes in Diesdorf zur Kontrolle vorbei, erzählt Matthias Schulz. Das Amt sorgt auch für die Entsorgung des Brandes, der nicht verwendet wird.
Inzwischen läuft der Brand literweise in einen Edelstahleimer. Matthias Schulz misst den Alkoholgehalt. 80,1 Prozent zeigt das Messgerät an. Vor der Flaschenabfüllung wird der Brand verdünnt und kalt gefiltert.
Geschmack wird durch Alkoholgehalt beeinträchtigt
Bei der Überprüfung, ob das Brennen gelungen ist, verlässt sich Matthias Schulz vor allem auf seine Nase, weniger auf die Geschmacksnerven. Für die erste Probe verreibt er etwas Brand auf dem Handrücken. Doch auch die Geruchsprobe im Glas gehört immer wieder dazu. "Der Geschmack wird durch den Alkoholgehalt auch zu sehr beeinträchtigt", erklärt er.
Die Brennerei-Geschichte in Diesdorf ist noch jung, aber bereits erfolgreich. Gold-, Silber- und Bronzemedaillen bei der "Destillata" und Bronze- und Goldprämierungen der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft hat Familie Schulz für ihre Brände bereits erhalten. Dass in dieser kurzen Zeit so viele Brandsorten produziert werden, hätte er damals, im Advent 2008, nicht für möglich gehalten, sagt Matthias Schulz mit Blick auf die Vitrine. Neben den "Klassikern" wie Williamsbirne seien inzwischen auch Heidel- oder Stachelbeer-Brände dabei. Und eben auch Pfirsich-Brand. Am Ende des Brennprozesses fließen, den Vorlauf abgerechnet, acht Liter in den Stahleimer. Der Behälter für die Maische fasst 300 Liter. "Eine Ausbeute von 2,6 Prozent" errechnet Matthias Schulz. Bei Pfirsich-Maische sei die Ausbeute generell nicht hoch.
Genau 2 Stunden und 40 Minuten dauerte der Brennprozess. Dampf steigt auf, als Matthias Schulz die Maische ablaufen lässt. Mit dem Wasser aus der Kühlung wird die Brennanlage gereinigt. Neue Maische wird in den Behälter gepumpt. Dieses Mal ist es Apfel.