Tierhaltung Ein Gnadenhof für Waschbären
Hund, Katze, Maus: Die Haustier-Klassiker fallen nicht weiter auf. Manchen wollen aber größere oder ausgefallenere oder Gefährten.
Altmarkkreis Salzwedel l Es gibt manche Bilder, die einfach zum Stadt- und Landleben dazugehören: Eine Kuh auf der Weide, ein Hund auf dem Hof, und so weiter. Andere Tiere fallen da völlig aus dem Rahmen – entweder weil die Umgebung auf den ersten Blick nicht zu ihnen passt oder sie gar nicht in Deutschland beheimatet sind.
Die Volksstimme hat im Kreis Salzwedel nach Haltern von ungewöhnlichen Tieren gesucht, und da ganz verschiedene Größenordnungen gefunden. Das erste Beispiel ist klein genug, um in einen Handteller zu passen. Innerhalb ihrer Spezies ist sie aber ein Gigant: Afrikanische Riesenschnecken, auch Achatschnecken genannt.
Während sich normal-große Schneckenexemplare in jedem Garten finden, ist der Aufwand für diese Art nicht viel größer, da sie schon recht weit verbreitet ist. Auf Plattformen wie den ebay Kleinanzeigen werden sie einem schon „hinterhergeworfen“, wie etwa Stephanie Felix, Schneckenhalterin aus Böddenstedt, erzählt. Und tatsächlich, die Tiere gibt es dort schon für wenige Euro.
Felix war von der Größe beeindruckt, die die Tiere erreichen können, und davon, wie süß sie in Groß ausschauten. Daher wollte sie sich zunächst in einer Facebook-Gruppe erkundigen, stieß aber gleich auf Bernd und Gisela – ihre zwei ersten Schnecken – als sie jemand aus der Gruppe abgab.
Mittlerweile hat sie sieben Stück. Es wären aber pro Woche Hunderte mehr, da die Tiere viele Eier legen, die gefrostet und hinterher beseitigt oder verfüttert werden müssen.
Petra Bielefeld hält auf ihrem Gnadenhof in Siedentramm verschiedene Tierarten. Ihre Hauptattraktion wird in der Wildnis eher als Plage wahrgenommen, ihren Charme zeigen sie dafür in der Domestizierung: Waschbären.
Elf der Tiere leben gerade auf ihrem Hof, den Leute auf Instagram unter dem Account „joerdhof“ anschauen oder sogar selbst besuchen können – gegen eine kleine Futterspende oder Ähnliches. In dem Gehege muss nur aufgepasst werden, denn die neugierigen Kleinbären greifen alles, was lose rumhängt und kratzen oder zwicken, wenn auch selten sehr fest.
Ein wenig erinnern sie an Affen oder ungewöhnlich geschickte Welpen, auch durch ihre hohe Intelligenz, wie Bielefeld zusammenfasst: „Wenn sie Daumen hätten, hätten sie die Weltherrschaft.“
Wer Waschbären halten will, sollte sich auf hohe Ansprüche einstellen. Zunächst muss genug Platz vorhanden sein: Mindestens 30 Quadratmeter als Grundlage und zwei Quadratmeter für jedes weitere Tier.
Ein Sachkundenachweis ist ebenfalls nötig, ebenso wie genügend Spielzeug zur Beschäftigung. Vor allem muss der Käfig sicher sein, was Bielefeld schon merkte, als ihre Waschbären in der Vergangenheit ausgebüxt sind. „Man braucht ein Fort Knox“, sagt sie – bei sich könne sie mittlerweile sogar Königstiger halten.
Im Dorf werden die Waschbären skeptisch gesehen, nicht nur wegen ihres Fluchtversuchs. Waschbären haben allgemein einen schlechten Ruf, weil sie zum Beispiel den Vogelbestand gefährden. Dennoch hält sie den Ruf nicht für gerechtfertigt.
Waschbären haben in Deutschland wenige tierische Feinde, dafür menschliche. Sie fallen nicht unter den Naturschutz und dürfen ganzjährig gejagt werden. Dadurch bleiben jedoch ganze Würfe an Welpen zurück, die Höfe wie der von Petra Bielefeld bei sich aufnimmt – dauerhaft.
Die größten (oder längsten) Haustiere, die wir gefunden haben, gehören Hannes Biermann: Eine Boa constrictor und eine Königspython, jeweils etwa zwei Meter lang. Bei denen gestaltet sich vor allem die Fütterung recht unkompliziert mit ein paar lebenden Ratten alle vier bis sechs Wochen. Die Beute erlegen sie selbst, ihre Halter nicht – ganz im Gegenteil: „Es ist ein echt schönes Gefühl, wenn man sie sich um den Hals legt“, versichert der 32-Jährige.
Als Wechselblüter mögen sie menschliche Wärme und schmiegen sich an. Die Bewegungen sind sanft, aber kraftvoll. „Fast eine Physiotherapie und extrem beruhigend.“ Hat er keine Angst? „Wovor?“, fragt Biermann. Menschen seien allein wegen des Geruchs schon weitestgehend uninteressant für Schlangen. Würgeschlangen würden zudem nur Beute töten, die sie auch verschlingen können. Menschen schaffen sie nicht.
Gänse sieht man häufig, dann aber als Nutz- oder Wildtiere. Die Mühe, sie selbst aufzuziehen, statt sie in der Masse aufwachsen zu lassen, machen sich wenige.
Daniela Bommert aus Bombeck bildet da eine Ausnahme. 2018 bekam sie ein Gänseküken von einer Züchterin, das zu spät aus dem Ei geschlüpft war. Sie taufte es Nils, nach der Buchfigur Nils Holgersson, der auf Wildgänsen reitete. Bommerts Nils war ein Weibchen, wie sich herausstellte. Der Name blieb trotzdem, weil sie auf den hört.
Hing Nils vorher stets an ihren Besitzern, ist sie mittlerweile schon unabhängiger geworden. Besonders schwer war die Aufzucht nicht, sagt Bommert: Sachen wie den Nestbau oder das Schwimmen hat sich die lernfreudige Gans selbst beigebracht.
Sonst vergleicht Bommert das Tier mit einem Hund – mit einer besonderen Gemeinsamkeit: Gassi gehen funktioniert nämlich auch mit einer Gans. Auf Spaziergängen ist Nils oft dabei, ausgerüstet mit Leine und Schirm.
Das Hobby macht zwar gerade eine Pause. Vorher kam Nils aber viel rum, auch in Großstädten wie Berlin. Da erregt sie immer noch etwas Aufmerksamkeit, nur sind die erstaunten Reaktionen manchmal etwas fehlgeleitet: „Boah, ne Ente!“