Salzwedeler Freundeskreis gefordert / Kritik an Helena-Demuth-Standbild in St. Wendel Ein "Missgeschick" im Hause Karl Marx
Fast schon empört hat sich Norbert Fehr aus St.Wendel im Saarland an den Salzwedeler Freundeskreis Jenny Marx und Stadtarchivar Steffen Langusch gewendet. Anlass: ein Standbild der Marx-Haushälterin Helena Demuth. Es unterstellt, Marx könnte der Vater ihres Kindes sein.
Salzwedel/St.Wendel l Helena Demuth als werdende Mutter und in ihrer Hand das Bild eines Mannes - dieses Standbild ist im saarländischen St. Wendel eingeweiht worden. Was das mit Salzwedel zu tun hat? Helena Demuth war 38 Jahre lang Haushälterin im Hause Karl und Jenny Marx. Und auf das Abbild jenes Karl Marx blickt die im Standbild dargestellte werdende Mutter, die im Mai an der St. Wendeler Stadtmauer aufgestellt wurde - nachdenklich schaut sie, vielleicht in sich gekehrt. "Sie war eine Frau, die wir heute emanzipiert nennen würden, und verfügte über eine hohe politische Kompetenz. Ich habe sie so erschaffen, wie ich sie mir vorstelle. Zu ihrem emanzipierten Wesen gehörte auch der Mutterwunsch", zitierte die Saarbrücker Zeitung (14.Mai 2012) Künstler Kurt Tassotti, der das Werk schuf.
Sein Portrait der gebürtigen St.Wendelerin sorgte allerdings durchaus auch für Gesprächsstoff. Unterstellt es doch, dass Marx der Vater ihres - wohlbemerkt - unehelichen Kindes ist - was von der damaligen Gesellschaft als eine Schande angesehen wurde. Zwischenzeitlich soll Marx\' Freund Friedrich Engels die Vaterschaft anerkannt haben.
Einwohner Norbert Fehr sieht Helena Demuth verunglimpft - und vielleicht auch Jenny Marx. Denn er wandte sich mit der Bitte an den Salzwedeler Freundeskreis Jenny Marx, doch auf das Standbild zu reagieren: "Mein Anliegen an den Freundeskreis Jenny Marx wäre, dass er gegenüber unserem Herrn Bürgermeister seine Entrüstung ob dieser Darstellung ausdrücken würde, weil die große Leistung, die Helena Demuth für die Familie Marx erbrachte, das ¿Missgeschick\' bei weitem übertraf und weil 99,9Prozent der Passanten dieses Hintergrundwissen nicht haben,..."
"Übertriebene 30000Euro für ein Schandmal"
Norbert Fehr selbst forderte sogar eine Bürgerbefragung in seinem Heimatort, monierte in einem Leserbrief an die Saarbrücker Zeitung, dass die Stadt St. Wendel "übertriebene 30000Euro für ein Schandmal" ausgegeben hat. "Lenchen Demuth würde bestimmt einen Anwalt beauftragen, der dafür sorgt, dass das Schandmal eingeschmolzen wird", ist er sich sicher.
Und was würde wohl Jenny Marx dazu sagen, könnte man sich im 600Kilometer entfernten Salzwedel fragen. Betrug an der Frau, die in der Hanse- und Baumkuchenstadt am 12. Februar 1814 als Johanna Bertha Julie Jenny von Westphalen zur Welt kam und ihre ersten Lebensjahre in Salzwedel verbrachte?
Stadtarchivar Steffen Langusch, auch Mitglied im Salzwedeler Freundeskreis Jenny Marx, reagiert entspannt - aber auch vage: "Es gibt zwar Anzeichen, dass es in der Beziehung zwischen Jenny und Karl Marx eine gewisse schwierige Phase gegeben haben könnte." Jene Phase falle in die Zeit von Helena Demuths Schwangerschaft. War sie mehr als nur die Haushälterin, Nebenbuhlerin der sechs Jahre älteren Jenny um die Gunst des Gesellschaftstheoretikers Marx?
Aus Quellen, die Langusch dem St. Wendeler nennt, geht seiner Ansicht nach hervor, "dass schon 1976 kaum noch jemand die Vaterschaft von Karl Marx für Frederick Demuth bestritt". Er räumte allerdings ein: "Mit der Notlüge Engels konnte vielleicht etwas bemäntelt oder gerettet worden sein." Und weiter: "Am Ende ist es friedlich ausgelaufen." Karl blieb bei Jenny, und Helena blieb bei den Marx\'.
Eine Reaktion von Seiten des Freundeskreises Jenny Marx wird es auf das St. Wendeler Denkmal wohl nicht geben. Die Geschichte sei eher für Leute interessant, die sich für die Familie interessieren, zu der Helena Demuth im weitesten Sinne gehörte, wie Langusch sagte.
Das Standbild dürfte Geschmacksache sein. "Manche Kunstwerke verherrlichen Personen, vor allem in der moderneren Darstellungen werden Menschen aber als Menschen gezeigt", sagt Steffen Langusch. Tassottis Abbild von Helena Demuth dürfte genau das sein: allzu menschlich.