Gardeleger verunsichert
Ein gekündigter Chefarzt erhebt schwere Vorwürfe gegen das Altmark-Klinikum. Im Raum stehen Abrechnungsbetrug und angeblich unnötige Operationen. Die Nachrichten verunsichern offensichtlich auch die Gardeleger.
Gardelegen l Landrat Michael Ziche würde sich auch nach den jüngsten Negativschlagzeilen "jederzeit im Gardeleger Krankenhaus behandeln lassen", Bürgermeister Konrad Fuchs ebenfalls: "Immerhin haben mir die Ärzte hier bereits zwei Mal das Leben gerettet." Andreas Brendtner, niedergelassener Arzt in der Hansestadt, wird seine Patienten "weiterhin guten Gewissens" in das Altmark-Klinikum überweisen. Doch längst nicht alle Bürger teilen dieses Vertrauen, wie eine spontane Umfrage der Volksstimme gestern ergab: "Ich bin absolut verunsichert", erklärte zum Beispiel Marion Vahldieck aus Jeseritz. Sie will künftig einen zweiten Mediziner zu Rate ziehen, ehe sie sich im Gardeleger Klinikum behandeln lässt. Ursula Barnieck aus Lüffingen hätte gar "Angst", sich in das Gardeleger Krankenhaus einliefern zu lassen. Vier von sieben Befragten äußerten Bedenken. Sicher keine repräsentative Umfrage, dennoch zeigt sie deutlich, wie verunsichert die Bürger reagieren.
Denn die Vorwürfe, die der ehemalige Chefarzt der Chirurgischen Abteilung, Dr. Bernd Falkenberg, gegenüber dem Mediziner Michail T. vorbringt, sind schwer. Der Neurochirurg, der seit rund zwei Jahren mehrmals wöchentlich als Honorararzt im Neurologischen Zentrum in Gardelegen arbeitet, soll laut Aussagen von Falkenbergs Rechtsanwalt Uwe Bitter Patienten unter anderem wegen Bandscheibenvorfällen operiert haben, die ein Radiologe zuvor nicht bestätigen konnte.
"Die Entscheidung, ob eine Operation erfolgt, wird in interdisziplinären Gesprächen diskutiert", versichert Dr. Michael Schoof, ärztlicher Direktor im Gardeleger Krankenhaus. Schoof, der sich auf der Pressekonferenz am Mittwoch gemeinsam mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden Michael Ziche, Geschäftsführer Matthias Hahn und der für medizinisches Kontrolling zuständigen Oberärztin Erika Olbrich den Fragen zu den aktuellen Vorwürfen stellte, kann seinen Ärger nur schwer unterdrücken.
Als "unglaublich", bezeichnet Schoof, "dass wir uns als Mediziner kriminalisieren lassen müssen." Er sei überzeugt, so Schoof, dass sich seine Kollegen an den hippokratischen Eid gebunden fühlen. Gegen die Vorwürfe verwahrt sich ebenfalls Erika Olbrich. "Alle Fälle wurden von uns korrekt abgerechnet", versichert die Oberärztin. Selbst der Medizinische Dienst der Krankenkassen - immerhin das Prüforgan der geldgebenden Krankenkassen -, der "fast wöchentlich Akteneinsicht hatte", habe "in keinem Fall eine Fehlindikation festgestellt."
Rechtsanwalt Uwe Bitter hält indes an den Vorwürfen seines Mandanten fest. Seine Kanzlei versendet derzeit Anfragen an Patienten, die von Dr. T. operiert wurden. "Einige haben sich bereits gemeldet. Und auch andere Kollegen haben mich schon auf den Fall angesprochen", sagt Bitter.
Briefe erhalten ehemalige Patienten übrigens von beiden Seiten. Denn auch das Altmark-Klinikum hat kürzlich in rund 500 Schreiben um eine Rückmeldung gebeten.
"Sehr viele Anrufe von Patienten, die uns versichern, das sie zu uns stehen", habe es bereits gegeben, berichtet gestern Geschäftsführer Matthias Hahn. Das Klinikum hatte unmittelbar nach Kenntnis der Vorwürfe ein unabhängiges Wirtschaftsprüfungsbüro mit einer Sonderprüfung der Patientenakten beauftragt. Es hatte "keine Anhaltspunkte für Manipulationenoder Abrechnungsbetrug" festgestellt.
Eine Überprüfung der Vorwürfe wird es zudem seitens der Krankenkassen geben, wie Volker Schmeichel, Sprecher des Landesverbandes der Ersatzkassen bestätigte. "Nur eine lückenlose Aufklärung kann dafür sorgen, den Menschen die Angst zu nehmen", betonte Gardelegens Bürgermeister Konrad Fuch.
Ohne Angst sind offensichtlich die aktuellen Patienten des Neurochirurgen Dr. T. Nach Informationen der Volksstimme hatten am Mittwoch 30 Patienten einen Termin in der örtlichen Sprechstunde des Berliner Facharztes. Keiner hatte seinen Termin abgesagt.