Jagd Der Tod lauert im Lauf
Mit Fallen und Waffen wird der Wildtierbestand geregelt. Doch es werden im Altmarkkreis auch Tiere getötet, deren Bestand gefährdet ist.
Altmarkkreis l 10 550: So viele Wildtiere sind im Jagdjahr 2018/19 von Jägern erlegt worden. Darunter 267 Rotwild, 1059 Damwild, 21 Muffelwild, 5643 Rehwild und 3560 Schwarzwild. Für Tierschützer kaum zu fassen, für Waidmänner nichts Besonderes. Doch warum werden Wildtiere getötet? Und welche Arten werden überhaupt geschossen? Die Volksstimme schaute hierzu in die Streckenlisten des Altmarkkreises und sprach mit dem Kreisjägermeister, Kreisnaturschutzbeauftragten und einem Mitarbeiter des Naturschutzbunds (Nabu).
„Um einen gesunden Wildbestand zu erhalten und keine größeren Wildschäden in Forst und Landwirtschaft zuzulassen, muss der Wildtierbestand mit Waffe und Fallenjagd auf einem vertretbaren Bestand gehalten werden“, erklärt Kreisjägermeister Hans-Ulrich Brückner. Doch ein Blick auf die Streckenlisten des Landkreises in den drei vergangenen Jagdjahren, also gewissermaßen die „Todesliste“ für Wildtiere, lässt Zweifel daran aufkommen. Denn darin finden sich auch weniger häufig anzutreffende Wildtiere wie Baummarder, Waldschnepfen, Rebhühner oder Hermeline. Aber auch diese Tiere dürfen erschossen oder, wie es in der Jägersprache heißt, entnommen werden. Denn auch sie unterliegen dem Jagdrecht, so der Kreisjägermeister.
Dem stimmt der Kreisnaturschutzbeauftragte Ralf Knapp zu: wenn auch mit Vorbehalten. „Jeder Jäger ist aber auch dem Tierschutz verpflichtet.“ Das heißt, dass die Waidmänner einen vernünftigen Grund für die Tötung eines Tieres brauchen. „Dass es jagdbar ist, stellt allein noch keinen solchen Grund dar“, wird Knapp deutlich. Im Wesentlichen gebe es fünf triftige Gründe für einen Abschuss: Das Tier ist verletzt oder leidet, es dient der Ernährung des Menschen, es geht für Personen eine Gefahr aus, die steigende Population gefährdet schutzwürdige Arten oder auch für wissenschaftliche Zwecke.
„Auch der Nabu bekennt sich zu einer naturverträglichen Jagd“, sagt indes Hartwig von Bach, zuständig für das Jagdwesen in Sachsen-Anhalt beim Naturschutzbund. Doch nur, wenn sie den Kriterien der Nachhaltigkeit und den ethischen Normen nicht widerspreche. Denn erlegtes Wild solle sinnvoll genutzt, der Bestand nicht gefährdet werden. Deshalb lehne der Nabu die Jagd auf einige Tiere ab. „Gerade Waldschnepfe, Hermelin und Rebhuhn zählen zu den seltensten Arten in Sachsen-Anhalt“, sagt Hartwig von Bach. Damit ist er nah beim Kreisnaturschutzbeauftragten. „Aufgrund der geringen Populationsdichte würde ich das ablehnen“, so Ralf Knapp. „Rebhühner sind durch die Intensivierung der Landwirtschaft, vor allem den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln und das Fehlen von artenreichen Brachflächen, extrem zurückgegangen im Bestand.“ Mehr als 90 Prozent sei der Bestand gesunken. „Der Nabu spricht sich seit Langem für ein striktes Jagdverbot aus.“ Die Waldschnepfe sei in manchen Aufenthaltshabitaten in einem bejagbaren Bestandstatus, sagt Hans-Ulrich Brückner. „Ähnlich ist die unterschiedliche Bestandsdichte bei Fasan und Rebhuhn“, ist sich der Kreisjägermeister hingegen sicher.
Das aber sehen nicht alle seiner Jäger im Kreis so. Ein erfahrender Waidmann berichtete, dass er viele Jahre keine Waldschnepfe mehr zu Gesicht bekam. Auch ein befreundete Jäger, der es auf Rebhühner absehe, da er sie noch nie vor die Flinte bekam, komme nicht zum erhofften Abschuss. Er finde schlichtweg keine.
Es sind aber noch weitere Tiere, deren Jagd Fragen bei Naturschützern aufwerfen. Beispielsweise Ringel- und Türkentaube sowie Höckerschwäne. „Die Ringeltaube hat noch die Eigenart, Schäden auf landwirtschaftlichen Kulturen anzurichten“, weiß der Kreisnaturschutzbeauftragte. Hier müsse der Jäger abwägen, ob ein Abschuss gerechtfertigt und zielführend ist. „Die Entnahme, nur zum Zwecke der Ernährung, muss der Jäger nach eigener Einschätzung der Bestandsgröße treffen.“ Doch dabei sollen die Grünröcke bedenken, dass die Ringeltauben Greifvögeln wie dem Wanderfalken als Nahrungsgrundlage dienen, sagt Ralf Knapp.
Weniger Verständnis zeigt Ralf Knapp für den Abschuss von Höckerschwänen: „Es bedarf schon einer Portion ästhetischer Gleichgültigkeit, um solche eleganten und schönen Tiere zu schießen.“ Der Kreisnaturschutzbeaftragte ist sich bewusst, dass Höckerschwäne in hoher Konzentration Wiesenflächen arg verschmutzen können. „Insofern könnte es sich auch um eine Schadensabwehr handeln.“
„Die Bestandsdichten der Wildtiere sind im Altmarkkreis sehr unterschiedlich und von territorialen Bedingungen abhängig“, erklärt der Kreisjägermeister. So würden Wasserläufe gerade für Gänse, Kormorane und Schwäne eine große Rolle spielen. Ebenfalls treffe dies auf Waschbären, Marderhunde und Hermeline zu. Dadurch seien aber boden- und baumbrütende Federwildarten sehr gefährdet.
Einen Grund für den Abschuss von Baummardern sieht der Kreisnaturschutzbeauftragte nicht. „Der Baummarder lebt zurückgezogen in unseren Wäldern, räubert hin und wieder auch mal ein Vogelnest aus.“ Dies sei aber ganz normal und stehe im Zusammenhang mit der Nahrungskette. Daher könne sich Knapp eine ganzjährige Schonzeit für das Tier im Landkreis vorstellen. Gleiches gelte für das Hermelin. „Die wirkliche Höhe des Bestandes ist ganz schwer einzuschätzen. Insofern verbietet sich auch hier die Bestandsregulierung“, sagt Ralf Knapp.