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Flüchtlingshilfe Kritik an Bezahlkarte: Wie Geflüchtete in Salzwedel an mehr Bargeld kommen

Gutscheintausch oder Einkaufstandems: Helfer im Altmarkkreis zeigen legale Wege auf, wie Migranten die starke Bargeldeinschränkung durch die Bezahlkarte umgehen können.

Von Beate Achilles 10.03.2025, 11:21
Ein afrikanischer Flüchtling betrachtet das Infomaterial zum Gutscheintausch in Salzwedel.
Ein afrikanischer Flüchtling betrachtet das Infomaterial zum Gutscheintausch in Salzwedel. Foto: Beate Achilles

Salzwedel. - Von Flüchtlingsorganisationen wird sie scharf kritisiert: die Bezahlkarte. Sie war mit Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes im Mai 2024 in Deutschland als Möglichkeit der Leistungsgewährung eingeführt worden. Der Altmarkkreis Salzwedel hat im Dezember 2024 mit der Ausgabe von Bezahlkarten begonnen. Der Kreispressestelle zufolge haben bis zum 20. Februar 2025 insgesamt 125 Leistungsberechtigte die Karte erhalten. Erstmalig sei für diese Personen die Leistung für den Monat Januar 2025 auf die Bezahlkarte gebucht worden. Karteninhaber können monatlich pro Person maximal 50 Euro Bargeld abheben.

Bezahlkarte oft nicht einsetzbar

Viel zu wenig, meint der Salzwedeler Flüchtlingshilfe-Verein Exchange. Es sei problematisch, dass die Bezahlkarte in kleineren Geschäften oder Imbissen nicht akzeptiert werde, da den Läden dadurch Gebühren entstünden. Auf Floh- oder Wochenmärkten, in Secondhand-Läden und auf Onlineportalen wie „Kleinanzeigen“ sei die Bezahlkarte ebenfalls nicht nutzbar. „Dabei sind Käufe von gebrauchten Gegenständen für Menschen mit geringem Einkommen zwingend notwendig“, so Exchange in einer aktuellen Pressemitteilung. „Selbst bei der Tafel in Salzwedel kann man mit der Karte nicht bezahlen“, so eine Flüchtlingshelferin bei Exchange, die namentlich nicht genannt werden möchte.

Per Tausch zu Bargeld

Auf unkonventionelle Weise versucht die Organisation, den betroffenen Geflüchteten nun zu helfen: mit einem Gutscheintausch oder Einkaufstandems. Die Idee: Der Inhaber einer Bezahlkarte kauft in einem Ladengeschäft damit einen Gutschein, etwa für Lebensmittel oder gewisse Online-Angebote, und tauscht diesen Gutschein dann bei jemand anderem gegen Bargeld ein. Noch direkter kann der Bargeldtausch mit einem Einkaufstandem funktionieren, bei dem ein Bezahlkarteninhaber einer anderen Person einen Einkauf bezahlt und von dieser den Einkaufswert dann in bar direkt zurückerstattet bekommt. Aktuell informiert der Verein Exchange in Salzwedel Geflüchtete über diese legalen Wege, um trotz Bezahlkarte an Bargeld zu kommen. Besser wäre es jedoch aus Sicht des Vereins, die Einführung der Bezahlkarte für Geflüchtete komplett zu stoppen. „Es gibt keine rechtliche Vorschrift, die in Sachsen-Anhalt die Bezahlkarte zwingend macht“, so der Verein in einer aktuellen Mitteilung.

Dies bestätigt die Pressesprecherin des Altmarkkreises, Inka Ludwig: „Das Asylbewerberleistungsgesetz nennt die Bezahlkarte gleichwertig mit anderen Möglichkeiten der Leistungsgewährung wie (...) Sachleistungen oder Geldleistungen.“ Das Land Sachsen-Anhalt habe mittels Erlass geregelt, dass die Gewährung von Geldleistungen weitestgehend auf Leistungen in Form von Bezahlkarten umgestellt werden sollten. Ausnahmen seien zugelassen.

Bezahlkartet kostet das Land Sachsen-Anhalt Millionen

„Für ehrenamtlich unterstützende Menschen und Verwaltungsmitarbeiter, vor allem aber für die Geflüchteten bedeutet die Bezahlkarte bisher einen großen Mehraufwand mit vielen Ärgernissen“, kritisiert Exchange. Zudem seien die Kosten enorm: Das Land Sachsen-Anhalt hat laut einer Antwort der Landesregierung auf eine parlamentarische Anfrage der Fraktion Die Linke für 2025 1,1 Millionen Euro und für 2026 1,21 Millionen Euro für den Betrieb des Bezahlkartensystems eingeplant.

Keine Belege für Überweisungen an Schlepper

Offizielle Begründung für die Einführung der Bezahlkarte war seitens der Bundesregierung, Deutschland sei für Asylbewerber zu attraktiv und Leistungen aus dem Asylbewerberleistungsgesetz würden teilweise an Schlepper überwiesen. Dem wolle man einen Riegel vorschieben.

Auf die parlamentarische Anfrage der Linken im Landtag von Sachsen-Anhalt, von welchen Überweisungen durch Asylbewerber an Schlepper seit 2015 die Landesregierung konkret wisse, musste diese passen: „Erkenntnisse im Sinne der Fragestellungen liegen der Landesregierung nicht vor“, heißt es in der Antwort vom 13. Januar 2025.