27 Aktionskünstler aus Russland, der Ukraine und Deutschland gestalten ausdrucksstarkes Riesenwandbild Kunst in Kaulitz: Friedensfresko am Bahnhof
Kunst am Kaulitzer Bahnhof: 27 Aktionskünstler aus Russland, der Ukraine und Deutschland machten aus dem Gebäude von 1922 ein Wandbild auf über 300 Quadratmetern Fläche. Das im Oktober 2013 fast abgebrannte Haus ist nun nach der ersten Notsicherung auch äußerlich mit Qualität saniert.
Kaulitz l "Innen muss sich natürlich noch einiges tun - aber dieser Teil der Sanierung ist Zukunftsmusik", erklärt Martin Krämer-Liehn. Der Deutsche, der über 15 Jahre lang in der Ukraine lebte, leitet die Künstlergruppe, die den alten Bahnhof farblich aufpeppt. Es sind Künstler, Lehrer, Journalisten und Freischaffende aus Russland und aus der Ukraine, die in ihrer Heimat teilweise verfolgt wurden. "Und der politische Hintergrund der Unruhen ist auch in den Wandbildern wiederzufinden", so Krämer-Liehn. "Wir sind zwar ein geteiltes Land, aber keine geteilte Baustelle."
"Vielleicht sollte man Politiker mal zum gemeinsamen Malen einladen."
Martin Krämer-Liehn
Ziel sei ein gemeinsam geschaffenes Friedensfresko. "Vielleicht sollte man die Politiker unserer Länder mal zum gemeinsamen Malen einladen", mutmaßt Krämer-Liehn.
Aber bevor es an die künstlerische Umsetzung des Modellentwurfs ging, waren aufwendige Vorbereitungsarbeiten nötig. Denn nach dem Brand im Oktober 2013 war das alte Gebäude von 1922 nur notdürftig instand gesetzt worden. "Die Notsicherung löst jetzt Qualität am Bau ab", betont er.
"Zwei Wochen lang hieß es die Wände vorzunässen", erinnert er an den Anfang. Danach mussten drei Lagen Kalkputz nass in nass aufgetragen werden. "Unsere Motive malten wir auf den noch feuchten Putz", beschreibt er. Beim Trocknen werde der Untergrund allmählich strahlend weiß und habe nichts mehr mit dem frühen hellbraunen Untergrund der altmärkischen Bahnhöfe gemein. Anschließend folgte eine fünflagige Lasierung.
"Diese Methode ist die aufwendigste und zugleich sanfteste Restaurierungsweise für Kalkwände."
Träger der Maßnahme ist der AK (Arbeitskreis) Riebau, Eigentümer des Objekts der Verein DubStation Kaulitz. Gefördert wird das Projekt durch das Landesjugendamt Sachsen-Anhalt. "Außerdem müssen wir auf Eigenmittel zurückgreifen, und wir erhalten Spenden", so Krämer-Liehn. So habe ein bayerischer Unternehmer die Farbe gesponsert - teures Material aus Erd- und Mineralpigmenten.
Die besonders auffallend weißen Flächen an der Giebelwand - "unsere Schokoladenseite" - sind veredelt mit Marmormehl. "Auch ein Geschenk, das hätten wir uns sonst nie leisten können", macht Krämer-Liehn deutlich.
Der 43-Jährige hat sich mit der nackten Reiterin auf dem doppelköpfigen Löwen verewigt, den Kunsterzieherin Alla Schkolnikova (51) aus Moskau malte. Das Motiv ist an Georg Büchners "Hessischen Landboten" als Sinnbild für das Steuern verschlingende und verschleudernde korrupte Staatswesen gemeint.
Ältester der Gruppe ist Alexander "Schurig" Saguro, dessen Familie aus der Ukraine stammt, ein Kurierfahrer. Er schuf die "Walpurgisnacht" auf der Bahnhofswand.
"Ansonsten sind alle unter 27 Jahre", so Krämer-Liehn. Jüngste ist seine dreijährige Tochter Oktobriska, die mit Hilfe ihrer Mama, der Physikerin Mascha Katritsch, auch ein kleines Kunstwerk an der Mauer hinterlassen hat. Von seiner Frau selbst stammt die überdimensionale Friedenstaube.
"Der immer währende Kampf des Guten gegen das Böse, der Freiheit gegen die Unterjochung, Krieg und Frieden, das ist unser Thema", sagt Krämer-Liehn. Und lädt zum Schauen ein.
Spätestens am 6. und 7. September, wenn auch am Bahnhof Kaulitz das Festival Wagen Winnen startet. Dann sind auch Bilder von Vitaly Zagovenyew aus dem russischen Altaigebirge zu sehen. Der 29-Jährige studierte an mehreren Kunstakademien, unter anderem in Leningrad, und wirkte am Fresko mit.