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Über eine fast vergessene Arzneipflanze, die auch im Winter wächst Süß und heilsam - der Tüpfelfarn

Von Günter Brennenstuhl 05.02.2013, 01:18

Salzwedel l Selbst im Winter sind botanische Beobachtungen möglich. Denn gerade jetzt - schneefreier Boden vorausgesetzt - kann in unseren Kiefernwäldern ein zierlicher, immergrüner Farn besonders reich entdeckt werden. Es ist der Gewöhnliche Tüpfelfarn (Polypodium vulgare), auch Engelsüß genannt, der im Kreisgebiet verstreut vorkommt.

Der Farn fällt durch seine auch im Winter grünen Wedel und die im Alter Quadratmeter großen Bestände auf. Diese entstehen durch Verzweigung der flach im Boden liegenden Wurzelstöcke (Rhizome). Die Wedel werden um die 20 Zentimeter lang und stehen zweizeilig am Rhizom. Ihre Blattfläche ist lederartig und fliederteilig zerschlitzt. An der Unterseite sind die Sporenhäufchen (Sori) als kreisrunde Tüpfel (daher der Name der Pflanze) zu erkennen. Eine Verwechslung mit anderen heimischen Farnen ist nicht möglich.

Der Tüpfelfarn besiedelt schattige Felsen und Mauern sowie lichte Eichen- und Kiefernwälder. Reiche Vorkommen sind in den Dünen entlang der Ostseeküste zu finden. Bei uns, wo Felsen grundsätzlich fehlen und es auch an geeigneten Mauern mangelt, kommt er hauptsächlich in lichten Kiefernwäldern (mit so genanntem Stangen- und Baumholz) vor. Bei Groß Bierstedt konnte aber auch die Besiedlung eines flachen Lesesteinhaufens beobachtet werden.

Früher wurde der Wurzelstock medizinisch genutzt. Als besonders wertvoll galten die Rhizome, die von den Pflanzen stammten, die auf der Rinde alter Eichen wuchsen. Unter der Bezeichnung Polypodium quercinum (von Quercus, dem lateinischen Wort für Eiche) fand der Wurzelstock Aufnahme in das erste amtliche, deutsche Arzneibuch, der 1547 von Senat der Freien Reichsstadt Nürnberg durch Dekret für verbindlich erklärten Vorschriftensammlung des Valerius Cordus. Auch in einem 1678 erschienenen Kräuterbuch wird der Farn unter dem Namen Engelsüß, der auch heute noch gebräuchlich ist, beschrieben und gegen zahlreiche Krankheiten empfohlen.

Die Anwendungsgebiete waren, wie damals für eine Vielzahl von Pflanzen üblich, sehr umfangreich. Neben dem Einsatz bei Erkrankungen der Milz heißt es zum Beispiel für ein aus dem Wurzelstock destilliertes Wasser: "Es reinigt das melancholische Geblüt, verhütet den Aussatz, befördert den Auswurf, vertreibet die Melancholy und schweren Träume, ist gut gegen das viertägige Fieber... ."

Später ging die Bedeutung wesentlich zurück. Aber noch lange galt die Droge als husten- und harntreibendes Mittel, was durch die nachgewiesenen Saponine auch berechtigt war. Außerdem enthält das Rhizom noch acht Prozent fettes Öl und neben den üblichen sekundären Pflanzeninhaltsstoffen auch fünf Prozent Zucker. Durch letzteren werden somit die Namen Engelsüß, Süßfarn oder Süßwurzel gerechtfertigt. Der Geschmack des Wurzelstocks ist "süß mit einer geringen Bitterkeit".