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  7. Weihnachten in Salzwedel: Traditionsparty im Hanseat seit den 1980ern

Live-Musik statt Sissi Party nach der Bescherung im Hansa: Darum gehen viele Salzwedeler Weihnachten feiern

Im Hanseat wird Weihnachten traditionell vor der Bühne gefeiert. Auch Kneipen haben geöffnet. Doch warum gehen die Salzwedeler Heiligabend und zu den Festtagen an den Tresen? Eine eigenwillige Tradition, deren Ursprung in der DDR zu finden ist.

Von Alexander Rekow Aktualisiert: 27.12.2023, 10:46
"Crushing Caspers" heizten den Gästen im Salzwedeler Hanseat nicht nur einmal zur Weihnachzeit ein.
"Crushing Caspers" heizten den Gästen im Salzwedeler Hanseat nicht nur einmal zur Weihnachzeit ein. Archivfoto: T. Adam

Salzwedel. - „O Tannenbaum, o Tannenbaum – wie treu sind deine Blätter“ dudelte es am Abend des 26. Dezembers 2009 aus unzähligen Boxen der Republik. Anderswo verliebte sich zum x-ten Mal Sissi in den österreichischen Kaiser, während Oma schluchzend auf dem Sofa mit dem Taschentuch ihre Tränen aus dem Gesicht wischte. Nicht so in Salzwedel, wo der Weihnachtsmann mit Ohrenstöpseln am Tresen eines Musikclubs saß.

Denn zu diesem Zeitpunkt feierten zahlreiche Einwohner gerade zum dumpfen Gitarrensound einer Hardcoreband.

Umtrunk an Weihnachten in Salzwedel: Ursprung der Weihnachtsparty 1985

Und das schon sehr lange, wie sich Hanseat-Chef Marian Stütz erinnert. Den Ursprung des festlichen Umtrunks in der Jeetzestadt gebe es schon seit den 1980ern, erzählt er. 1985 habe er mit 22 Lenzen den Jugendclub im Wohngebiet Arendseer Straße aufgemacht.

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Jenes Objekt, das nach der Wende den Namen Musik-Café Sky trug. 1985 oder 1986 habe er schließlich die erste Weihnachtsparty dort geschmissen. Nach der Wende sei die Salzwedeler Bescherung im Hanseat fortgeführt worden.

Im Hanseat tropfte am 2. Weihnachtstag 2009 mal wieder der Schweiß von der Decke. Die Jugend in Partylaune. Grund dafür war die Rostocker Band Crushing Caspers um ihren Frontmann Snoopy. „Die haben viele Jahre bei uns gespielt“, so Marian Stütz. In den 2000ern, 2010ern und letztmals 2019. Stets zur Weihnachtszeit gabs auf die Ohren.

Marian Stütz hat die musikalischen Weihnachtspartys für die Jugend in Salzwedel etabliert, wie er sagt.
Marian Stütz hat die musikalischen Weihnachtspartys für die Jugend in Salzwedel etabliert, wie er sagt.
Archivfoto: Alexander Rekow

Aber nicht nur die Caspers haben den Club zur lautesten Wichtelstube gemacht. „2003 hatten wir beispielsweise kubanischen Salsa“, so der Hanseat-Geschäftsführer. Ein Jahr später lockte eine 80er Party die Salzwedeler in ihren Musikclub.

An jenem 26. Dezember 2009 war das Hanseat mal wieder ausverkauft. Dicht an dicht drängten sich die Besucher von der Bühne zum Tresen und wieder zurück. Viele Gäste hielten sich im Barbereich auf, waren gekommen, um Freunde zu treffen. Denn auch das ist Weihnachten im Hanseat. Ein Ort des Wiedersehens. Nächstenliebe zwischen Bier und Vodka-O.

Treffpunkt Hanseat an Weihnachten

Der Altmarkkreis im Norden Sachsen-Anhalts ist eine strukturschwache Region, vom demografischen Wandel gezeichnet. Die Jugend zieht es für Ausbildung, Studium und Arbeit über die Landesgrenze hinaus. Hamburg, Berlin; die Großstädte nur wenige Auto- und Zugstunden entfernt. Braunschweig und Magdeburg nicht weit weg.

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Weihnachten aber, da kamen und kommen sie zurück in den Schoß der Familie. Zumindest bis der festliche Teil im Elternhaus vorüber ist. Nicht wenige treffen sich schon seit Jahrzehnten regelmäßig im Hanseat. Am Heiligabend, wenn das Hanseat-Team seine Christkinder zum Kneipenabend am Tresen begrüßt. Oder am 2. Weihnachtsfeiertag, wenn die Musi richtig spielt. Das ist in diesem Jahr nicht anders.

„Heiligabend öffnen wir die Türen ab 21 Uhr“, so Marian Stütz. Wenn Turmblasen und Bescherung vorüber sind, das üppige Mahl im Magen ist.

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X-Mas-Beats, unter diesem Motto steht der 26. Dezember 2023. In diesem Jahr bekommt die tanzwütige Jugend vom TIHT-Kollektiv aus der Landeshauptstadt die Bässe serviert. TIHT – die Abkürzung stehe für Trance-, Industrial und Hard-Techno, so Stütz. Einlass wird ab 20 Uhr gegen 10 Euro gewährt. Erfahrungsgemäß füllt sich gegen 22 Uhr das Hansa.

Das THIT-Kollektiv aus Magdeburg will den Salzwedelern zur Weihnachtszeit ein tanzbares Geschenk aus der Landeshauptstadt mitbringen.
Das THIT-Kollektiv aus Magdeburg will den Salzwedelern zur Weihnachtszeit ein tanzbares Geschenk aus der Landeshauptstadt mitbringen.
Foto: Veranstalter

Die Menükarte für das Weihnachtsmahl im Hanseat steht also. Dieses Mal mit Techno statt handgemachter Musik. „Der Musikgeschmack der Jugend hat sich einfach verändert“, erklärt Marian Stütz, „das ist ein genereller Trend.“ Bis 2019 hatte der Musikclub noch auf Gitarre und Drumset gesetzt, nach Corona auf Plattenteller.

Jede Musik hat ihre Zeit und irgendwann kommt vieles wieder. Das wissen die Eltern der aktuellen Jugend nur zu gut. Mittlerweile läuft teils ihre Musik in den Kopfhörern der Sprösslinge. Die schrillen 1990er sind zurück - die 1980er waren gefühlt nie weg.

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Eines aber ist geblieben: Weihnachtstanz im Hanseat. Von einigen stets argwöhnisch beäugt, zeigt es doch nur, wer die Kulturhauptstadt der Altmark ist.