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Welttag der seelischen Gesundheit Wenn Angst den Alltag bestimmt

Heute ist Welttag der seelischen Gesundheit. Damit beginnt auch eine Aktionswoche des deutschen Aktionsbündnisses für seelische Gesundheit. In diesem Jahr lautet das Motto: „Zusammen der Angst das Gewicht nehmen“. Frank Petzke, Pressesprecherin der Salus Altmark Holding gGmbH, hat zu dem Thema mit dem Facharzt Jewgenij Wolfowski gesprochen.

Aktualisiert: 10.10.2023, 15:59
„Das Gefühl der Angst ist nicht nur nützlich, sondern sogar überlebensnotwendig: Es signalisiert uns Gefahren, warnt  und versetzt uns dadurch in die Lage, sinnvoll zu reagieren“, erklärt Facharzt Jewgenij Wolfowski.
„Das Gefühl der Angst ist nicht nur nützlich, sondern sogar überlebensnotwendig: Es signalisiert uns Gefahren, warnt und versetzt uns dadurch in die Lage, sinnvoll zu reagieren“, erklärt Facharzt Jewgenij Wolfowski. picture alliance/dpa

Altmark (vs) - Die World Federation for Mental Health (zu deutsch: Weltverband für psychische Gesundheit) hat den Welttag der seelischen Gesundheit 1992 ins Leben gerufen. Er soll auf die Belange von psychisch erkrankten Menschen aufmerksamen machen. Daran beteiligt sich auch das deutsche Aktionsbündnis für seelische Gesundheit, die sich in diesem Jahr unter dem Motto „Zusammen der Angst das Gewicht nehmen“ mit dem Thema von Ängsten in Krisenzeiten auseinandersetzt. Der Facharzt Dr. med. Jewgenij Wolfowski, Chefarzt der Klinik für Allgemeine Psychiatrie und Psychotherapie des Salus-Fachklinikums Uchtspringe spricht über einige Aspekte zum Thema Angst.

Gefühle von Angst kennen wir alle, zumeist bereitet der Gedanke daran großes Unbehagen. Warum ist es dennoch ein nützliches Empfinden? Dr. Jewgenij Wolfowski: Das Gefühl der Angst ist nicht nur nützlich, sondern sogar überlebensnotwendig: Es signalisiert uns Gefahren, warnt und versetzt uns dadurch in die Lage, sinnvoll zu reagieren. Das betrifft zum einen die sofortige Reaktion auf akute Bedrohungen, wie zum Beispiel das reflexartige Ausweichen vor einem heranbrausenden Auto. Zum anderen ist das Angstempfinden auch ein wichtiger Navigator, um bei real bestehenden Risiken vorsichtig zu sein und abzuwägen: Wie weit wage ich mich hinaus? Muss ich mich schützen? Und wenn ja – wie?

Wie kommt man zu solchen Entscheidungen?Die muss jeder Mensch für sich selbst finden - der eine ist ängstlicher, der andere risikofreudiger. Generell ist es jedoch nie verkehrt, Vernunft und Vorsicht walten zu lassen: Wenn Sicherheitsdienste zum Beispiel vor Terroranschlägen in einem Land oder in bestimmten Touristenzentren warnen, wäre es sehr vernünftig, nicht dorthin zu fahren. Wenn der Wetterdienst heftige Regengüsse, Sturm und Hagel ankündigt, ist es sinnvoll, das eigene Verhalten danach auszurichten und geeignete Schutzmaßnahmen zu ergreifen. Wenn ich Angst vor Infektionen habe, könnte es eine gute Idee sein, die empfohlenen Schutzimpfungen machen zu lassen und bei Menschenansammlungen auch freiwillig eine Maske zu tragen. Das sind nur einige Beispiele.

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Sie empfehlen also den gesunden Menschenverstand?!Gefahren auf ihre Wahrscheinlichkeit zu überprüfen und entsprechend zu reagieren, ist aus meiner Sicht ein guter Weg für den Umgang mit angstbesetzten Empfindungen. Eine klare Analyse ist besser als das ständige Grübeln darüber, was alles passieren könnte. Natürlich gibt es auch Ereignisse, von denen Menschen aus heiterem Himmel getroffen werden. Oder auch krisenhafte Entwicklungen, bei denen persönliche Risikoabwägungen kaum möglich sind. All das kann zu nachvollziehbarem Unbehagen und diffuser Furcht führen. Wir sollten uns davon aber nicht beherrschen lassen. Es wäre falsch, sich zu verkriechen und in Angst zu verharren. Stattdessen gilt es, die Balance zwischen realen Gefahren und Risiken, eigenem Empfinden und persönlichen Handlungsoptionen zu finden.Krisen scheinen sich in Deutschland und der Welt derzeit aufzutürmen. Kein Wunder, dass viele Menschen ängstlicher werden und sich ohnmächtig fühlen. Wie kann man da gegensteuern? Sprechen Sie darüber. Teilen Sie Sorgen und Erfahrungen. Reden hilft. Das können Sie zum Beispiel mit Freunden, Familienmitgliedern und im Kollegenkreis machen. Hinterfragen Sie dabei die Ereignisse und Zusammenhänge, die Ihnen Angst bereiten. Können Sie diese beeinflussen? Können Sie etwas daran ändern? Vielleicht können Sie mehr beeinflussen, als Sie bisher denken? Aus der Hilflosigkeit ins Handeln zu kommen, also Selbstwirksamkeit zu erleben, ist besonders wichtig. Damit kann man auch Ängsten, die in Krisenzeiten entstehen, etwas Gewicht nehmen. Machen Sie darüber hinaus Dinge, die Ihnen guttun und Ihrem Alltag Stabilität geben. Vielfach kann es außerdem hilfreich sein, Methoden zu erlernen, die auch bei der Bewältigung psychischer Erkrankungen eine Rolle spielen, so zum Beispiel Entspannungstechniken und Achtsamkeitsübungen. Wie unterscheidet man ängstliche Unsicherheit oder Überforderung von einer behandlungsbedürftigen Angststörung? Wenn die Angst sich verselbstständigt und unangemessen so in den Vordergrund drängt, dass die Lebensqualität in vielen Bereichen stark bedroht ist, kann eine Angststörung vorliegen. Die Betroffenen ziehen sich beispielsweise aus dem Alltag, aus bestimmten Situationen oder von bestimmten Orten völlig zurück. Viele unserer Patientinnen und Patienten leiden zugleich unter schlechtem Schlaf sowie unter körperlichen Beschwerden wie Herzrasen, Kopfschmerzen oder Schweißausbrüchen. Angststörungen sind übrigens kein seltenes Phänomen: Sie gehören neben den Depressionen zu den häufigsten psychischen Erkrankungen in Deutschland. Rund 15 Prozent der erwachsenen Bevölkerung leiden darunter.

Warum und wann sollte man eine professionelle Hilfe in Anspruch nehmen? Unbehandelt wird eine Angststörung oft chronisch und schränkt die Lebensqualität der Betroffenen auf lange Sicht enorm ein. Zudem besteht ein erhöhtes Risiko für weitere psychische Erkrankungen wie Depression oder Sucht. Professionelle Hilfe sollte man suchen, wenn die Dauer und Häufigkeit von Angstzuständen zunehmen, man sie aus eigener Kraft kaum überwinden kann und die Lebensumstände eigentlich gar keinen Anlass dafür bieten. Wenn beispielsweise schon der Gedanke, am nächsten Tag ins Auto steigen und einkaufen zu müssen, Panik verursacht und den Schlaf raubt. Oder eben – wie bei der generalisierten Angststörung - die allgemeinen Unsicherheiten des Lebens stets und ständig als gewaltige Bedrohung für sich selbst wahrgenommen werden. Betroffene sollten ihre Beschwerden zuerst bei einer hausärztlichen Konsultation ganz offen ansprechen. Unsere ambulant tätigen Kolleginnen und Kollegen können dann über die weiteren therapeutischen Möglichkeiten beraten.Welche sind das zum Beispiel?Die Erfahrung zeigt, dass in vielen Fällen vor allem eine Verhaltenstherapie hilfreich ist, bei der die Bewältigung Angst auslösender Situationen gezielt trainiert wird. Betroffene Menschen in der Altmark können dabei unter anderem auf die Angebote im Salus-Fachklinikum Uchtspringe sowie in den dazugehörigen Institutsambulanzen und Tageskliniken Salzwedel, Seehausen und Stendal zurückgreifen.