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Corona-Pandemie Wenn mein Kind die Impfung will - Hausärzte in Salzwedel verweigern Pieks mit Hinweis auf Stiko-Empfehlung

Eigentlich wollte sich Anna (15) in Salzwedel impfen lassen. Sie will im August ein internationales Camp in Bayern besuchen. Die Delta-Variante macht ihr Angst. Eine Schutzimpfung hat sie trotzdem nicht bekommen. Nun fürchtet ihr Vater, dass sie das Virus aus der Ferne mitbringen könnte.

Von Alexander Rekow und Gesine Biermann 30.06.2021, 00:45
Ein  15-Jähriger wird  vom Hausarzt mit dem Impfstoff  von Biotech/Pfizer gegen das Coronavirus geimpft. In Salzwedel ist ein solcher Termin schwer zu kriegen.
Ein 15-Jähriger wird vom Hausarzt mit dem Impfstoff von Biotech/Pfizer gegen das Coronavirus geimpft. In Salzwedel ist ein solcher Termin schwer zu kriegen. Foto: dpa

Salzwedel - Anna (Name geändert) freut sich auf die Sommerferien. Endlich Pause von der Schule. Die 15-Jährige hat sich zudem zu einem Sommercamp in Bayern angemeldet, erzählt ihr Vater.

Mit dem Aufkommen der Delta-Variante ist Anna aber ins Grübeln gekommen. „Zu dem Camp kommen Kinder und Jugendliche aus ganz Europa“, erzählt ihr Vater, „auch aus England.“ Nach Medienberichten über die Auswirkungen der Delta-Variante auf der Insel habe Anna einen Entschluss gefasst: Sie will eine Impfung! Ihr Vater steht dem aufgeschlossen gegenüber. „Mit Blick auf die sich rasant ausbreitende Delta-Variante und die Fälle in Schulen und Kitas wäre unserer Meinung nach eine Impfung durchaus angebracht“, sagt er. Außerdem hat der Salzwedeler in einer Mitteilung des Altmarkkreises gelesen, dass Impfungen für unter 16-Jährige mit ärztlicher Empfehlung möglich seien.

Also hätten sich beide auf den Weg zum Kinderarzt der 15-Jährigen gemacht. Doch den Mediziner habe die Schülerin gar nicht erst zu Gesicht bekommen. „Derzeit gibt es keine allgemeine Impfempfehlung der STIKO für Kinder und Jugendliche von 12 bis 17 Jahren. Nur bei einem besonderen Risiko“, hieß es am Empfangstresen der Praxis.

Wenn sie Ende August aus Bayern wiederkommt, könnte sie die Delta-Variante nach Salzwedel mitbringen.

Vater einer impfwilligen Tochter (15)

Nun ist der Vater irritiert: „Wenn sie Ende August aus Bayern wiederkommt, könnte sie die Delta-Variante nach Salzwedel mitbringen.“ Daher könne er Entscheidungen wie diese nicht nachvollziehen, zumal die 15-Jährige das Virus auch in ihre Schule tragen könnte.

Streng an die Empfehlungen der STIKO hält sich auch die Salzwedeler Hausärztin Edita Pociute-Kurlaviciene. Grundsätzlich könnten Kinder ab 12 Jahren geimpft werden, sagt sie, aber eben nur mit Vorerkrankungen. „Es gibt dazu derzeit auch noch zu wenig Studien.“ Kurzzeitig sei es möglich gewesen, auch ohne Vorerkrankung zu impfen. Doch die Empfehlung sei zügig widerrufen worden.

„Ich habe bisher erst eine 17-Jährige geimpft“, sagt die Medizinerin, diese leide an einer Form von Krebs. Eine weitere Minderjährige mit Asthma habe sich auch gemeldet. Doch ob sie geimpft wird, sei noch offen. „Ich muss in einem Gespräch erstmal rausfinden, wie sich ihr Leiden auswirkt.“

Sprich: Nimmt sie Medikamente, hat sie Anfälle? Erst dann sei überhaupt eine Impfung, und wenn nur mit dem Impfstoff von BionTech/Pfizer, möglich.

Auch weitere Hausärzte der Region haben der Volksstimme signalisiert, sich an der STIKO-Empfehlung zu orientieren. Für den Vater der 15-jährigen Schülerin ist die Situation indes unbefriedigend.

Die Delta-Variante wird vor allem für Kinder zum Problem.

Karl Lauterbach (SPD), Epidemiologe

Der Salzwedeler verweist auf Aussagen des Politikers und Epidemiologen Karl Lauterbach (SPD) kürzlich in der Rheinischen Post. Dort fordert Lauterbach die STIKO auf, ihre eingeschränkte Empfehlung zu überdenken: In Großbritannien seien bereits viele Kinder mit Covid in Kliniken. Und so titelte die Rheinische Post mit Lauterbachs mahnenden Worten: „Die Delta-Variante wird vor allem für Kinder zum Problem.“ Die STIKO argumentiere, dass Covid für Kinder harmlos sei. „Für die Delta-Variante gilt dies meiner Ansicht aber nicht“, so der Gesundheitsökonom. Vielmehr brauche es eine hohe Impfquote, um wieder Normalität zu erreichen, die aber ohne Kinder-Impfungen nicht erreicht würden.

Eltern, die sich – gemeinsam mit ihren Kindern – dafür entschieden haben, haben es im Altmarkkreis aber offenbar schwer, einen Arzt zu finden.

Auch in der Kreisverwaltung kann man nicht weiterhelfen: „In den Impfzentren werden Jugendliche unter 16 Jahren nicht geimpft, da eine ausführliche Beratung nicht gewährleistet werden kann“, schreibt Inka Ludwig, Mitarbeiterin der Pressestelle. Es sei anzunehmen, dass Haus- und Fachärzte dieses Beratungsgebot ebenso gewissenhaft vornehmen und daher sei eine pauschale Aussage, ob und unter welchen Umständen in den jeweiligen Praxen Kinder und Jugendliche geimpft werden können, nicht möglich.

Auch Heike Liensdorf, Sprecherin der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsen-Anhalt, betont auf Nachfrage: „Jeder Arzt entscheidet selbst, welche ärztlichen Leistungen er anbietet.“ Allerdings gebe es noch einen weiteren Impfgrund, außer der Vorerkrankungen: „Kinder und Jugendliche ab 12 Jahren können auch geimpft werden, wenn sich in ihrem Umfeld Kontaktpersonen mit hoher Gefährdung für einen schweren Verlauf befinden, die selbst nicht geimpft werden können oder bei denen begründeter Verdacht auf nicht ausreichenden Schutz nach Impfung besteht.“