Schicksalsträchtiger Nussbaum wird im Zuge eines Hausabrisses gefällt / Bürger holt sich "Brennholzantiquität" Bomberpilot landet im Walnussbaum hinter der Post
Beim Abriss des Hauses Breite 2 in Barby wurde auch ein Walnussbaum gefällt. Um ihn rankt sich eine besondere Geschichte, die sich vor fast 70 Jahren ereignete: Das Besatzungsmitglied eines abgeschossenen Bombers Boeing B 17 Flying Fortress der US Army Air Forces landete darin.
Barby l Jürgen Ballerstedt besitzt einen Heizkessel, der mit Holz befeuert werden kann. Das hilft Energiekosten sparen und hat eine sportliche Note: transportieren, sägen, spalten, hacken ... Also hält der Barbyer stets seine Augen offen, wo Brennholz anfällt. So war es auch beim Abriss des Hauses Breite 2, hinter dem ein alter Walnussbaum stand. Im Zuge des Hausabrisses wurde er gefällt. Jürgen Ballerstedt fragte die Bauarbeiter, die froh waren, das Holz los zu sein. Walnussbäume können bis zu 160 Jahre alt werden.
Besatzungsmitglied wurde von einem Zivilisten gelyncht
Was der 63-Jährige nicht wusste war, dass er demnächst ein Stück Barbyer Geschichte in den Ofen schieben wird. Jedenfalls im übertragenen Sinne. Denn dieser uralte Walnussbaum wurde 1944 zum Schicksalsort für das Besatzungsmitglied eines amerikanischen Bombers.
Heinz Ulrich recherchierte für sein Buch "Kriegschronik Barby/Elbe" dazu folgendes Ereignis: "Über Barby wurde von der Luftverteidigung am 2. November 1944 ein amerikanischer Bomber B 17 ¿Flying Fortress\' abgeschossen, der in der Feldmark beim Vorwerk Zeitz abstürzte. Die Besatzung des viermotorigen Bombenflugzeuges konnte sich durch rechtzeitigen Fallschirmabsprung retten.
Ein Besatzungsmitglied schwebte am Fallschirm direkt in das Stadtzentrum nieder und verfing sich in einem großen Walnussbaum im Gehöft der Breiten Straße neben dem Postamt. Er wurde von deutschen Militärs, die in der Gaststätte ¿Grüner Anker\' am Markt zeitweilig stationiert waren, sofort gefangen genommen und vor aufgebrachten Einwohnern geschützt."
Soweit die Chronik. Der Amerikaner hatte in der Tat Glück im Unglück, in der Höhle des Löwen gelandet zu sein. Denn die Bomberbesatzungen galten in Kreisen der Bevölkerung als Inkarnation des Bösen. Schließlich waren viele deutsche Städte im angloamerikanischen Bombenhagel verglüht. Wobei man außer Acht ließ, dass Nazi-Deutschland damit angefangen hatte, Warschau, Rotterdam oder englische Städte zu zerbomben.
Seit dem Kriegseintritt der Vereinigten Staaten verständigten sich die beiden Luftwaffenverbände auf eine Art von "Arbeitsteilung", die darin bestand, dass die Royal Air Force (RAF) aufgrund ihrer hohen Verluste bei Tagesangriffen nur noch bei Nacht flog, während die United States Army Air Forces (USAAF) Tagesangriffe unternahm. Wurde also ein abgeschossenes Besatzungsmitglied erwischt, drohte von Seiten fanatischer Zivilisten Lynchjustiz. Die gab es auch in Barby. Heinz Ulrich schreibt: "Weniger Glück hatte ein anderes Besatzungsmitglied. Der Amerikaner, der mit seinem Fallschirm bei der Holländer Mühle nieder ging, wurde von Obstplantagenbesitzer Gustav Möbes, der in der Nähe seinen Wohnsitz hatte, mit dem Revolver erschossen ... Das Schicksal der übrigen Besatzungsmitglieder des abgeschossenen US-Bombers ist unbekannt."
US-Forscher fanden 2010 bei Zeitz ein Flugzeugteil
Der Zweite Weltkrieg hat tiefe Spuren hinterlassen, die bis in die heutige Zeit reichen. Noch immer suchen Angehörige und Organisationen nach Personen, die in den Kriegsereignissen verschollen sind und in vielen Familien Lücken hinterlassen haben, die nicht geschlossen werden konnten.
Im August 2010 versuchte ein Forscherteam der amerikanischen Militärbehörde JPAC-Hawaii (Joint POW/MIA Accounting Command), das Schicksal von US-Piloten auch im Raum Barby zu klären, möglichst ihre sterblichen Überreste zu finden und diese zu bestatten. Mit Metalldetektoren ausgerüstet entdeckten sie an einer Absturzstelle zwischen der Wachsfabrik (Pömmelte) und Zeitz Metallteile auf dem Acker.
Bis heute werden noch zwischen 1500 und 2000 amerikanische Soldaten aus dem Zweiten Weltkrieg vermisst. Dazu zählt auch Allen D. Young, der mit besagtem Bomber am 2. November 1944 um 12.30 Uhr nahe Barby abgeschossen wurde. Auf der Karteikarte eines deutschen Kriegsgefangenenlagers, die die Forscher aus Hawaii in ihren Unterlagen hatten, ist in der Spalte "Verwundungen, Verletzungen oder Tod" nur knapp das Wort "Tod" unterstrichen. Handschriftlich findet man die (spätere) englische Randnotiz "Died 5. November 1944 at 12:30 o\'clock at Barby near Calbe". Also verstarb der Flieger drei Tage nach dem Abschuss. Ob es der Mann aus dem Nussbaum ist, konnte nicht geklärt werden.