Orgelmusik in Pömmelte Böttcher Orgel in Pömmelte restauriert
Nach zwei neuen Bronzeglocken hat die Pömmelter Johanniskirche jetzt auch wieder eine bespielbare Orgel. Große Verdienste hat daran Dieter Kohle. Die Reparatur kostete rund 96.000 Euro.
Pömmelte. - Es gibt Dinge zwischen Himmel und Erde, die man sich zuweilen nur schwer erklären kann: Als der Volksstimme-Reporter am Mittwoch die Türklinke der St. Johanniskirche herunter drückt, donnert der erste Ton des Präludiums in F-Dur von Johann Caspar Simon (1701–1776) durch das Gotteshaus. Als seien Klinke und Orgelmanual miteinander verbunden. Die Sonne scheint, draußen trompeten Kraniche am blauen Spätherbsthimmel, die gemeinhin als Vögel des Glücks bezeichnet werden. Glück haben auch die Pömmelter. Doch dazu später.
In der Winterkirche, einem geheizten Andachtsraum unter der Orgelempore, hat Dieter Kohle Akten bereit gelegt, derweil über ihm das Präludium erklingt. Der Vorsitzende des Gemeindekirchenrates ist als ehemaliger Ordnungsamtsleiter erstens von Hause aus mit der Bürokratie vertraut und zweitens sparsam mit Emotionen. Doch als Werner Jankowski Manuale und Pedale betätigt, die jahrzehntelang nichts weiter als totes Holz waren, huscht ein zufriedenes Lächeln über das Gesicht des Pömmelters. Die Papiere vor ihm dienen der Orgelabnahme, die heute erfolgen soll. Es müssen Unterschriften geleistet werden, damit die Rechnungen bezahlt werden können.
Orgel wird erstmals bespielt
Oben, auf der Empore, scheint sich Werner Jankowski warm zu spielen, als wolle er vor dem englischen Königshaus ein Konzert geben. Doch der Kantor des Kirchenkreises Egeln checkt nur ab, ob die Spezialisten der Halberstädter Orgelbaufirma ihre Arbeit gut gemacht haben. Jankowski bedient die beiden Manuale, tritt die Pedale, zieht abwechselnd Registerknöpfe, die sich rechts und links des Spieltisches befinden. Darauf stehen Worte, die der Laie nicht versteht: „Octavhals“, „Subbass“, oder „Manual-Coppel“. Mithilfe von Letzteren können die gezogenen Register eines anderen Werkes oder die Töne einer anderen Oktave erklingen. (Und noch ein Beispiel aus der Fachsprache: Der Klang des Subbass ist rund und grundtönig, sehr obertonarm, dunkel und unbestimmt. Keine weiteren Fragen.)
Das alles sind für Orgelfachmann Werner Jankowski so geläufige Begriffe, als würde der Autofahrer von Luftdruck und Tankfüllung sprechen.
Mittlerweile trudeln ein paar Pömmelter Bürger ein. Die Orgelabnahme ist für die evangelische Gemeinde ein besonderer Moment, da will man dabei sein, das Instrument zum ersten Mal wieder hören. Auch Johannes Hüfken, Chef der Halberstädter Orgelbaufirma und zwei seiner Mitarbeiter sind gekommen. Kantor Jankowski hat die Gabe, Musikfachliches populär dem „Normalverbraucher“ zu erklären. Er begrüßt Firmenchef Hüfken als Prinzipal und deutet dabei auf den Prospekt der Orgel. Hier sei das Prinzipal das klangliche Rückgrat. Jankowski gibt ganz den Kirchenmann, wenn er aus dem Johannesevangelium ein Gleichnis zitiert: „Der Wind weht, wo er will“. Das Geräusch, das er macht, höre man, aber wisse nicht, woher der Wind eigentlich komme und wohin er sich bewege. Genau das gelte auch für jeden Menschen, der neues Leben aus dem Geist Gottes empfangen habe. Auch die Orgel braucht „Wind“. Instandgesetzt wurde im Zuge der Restaurierung der elektrisch betriebene Blasebalg, der sich auch wieder per Hand bedienen lässt, wenn mal der Strom ausfällt.
Orgel in Pömmelte spielt jahrzehntelang nur schiefe Töne
Bei all dem steht Dieter Kohle still dabei und scheint den Moment zu genießen. Der Pömmelter hat wesentlichen Anteil daran, dass die Orgel spielt und die Glocken läuten.
Nach dem Kraftakt, zwei neue Glocken für die Pömmelter Johanniskirche gießen zu lassen, ist nun auch die Orgel grundsaniert. Die Kostenschätzung dafür betrug 90.000 Euro, die Endabrechnung rund 96.000 Euro. Eine Verteuerung, die in der heutigen Zeit nicht sonderlich atemberaubend ist. Was auch Kohle den Satz sagen lässt: „So viel teurer ist die Reparatur der Orgel gar nicht geworden“. Alles ist relativ. Dennoch fehle Geld, das man aber über Spenden und Benefizkonzerte „reinholen“ möchte.
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„Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie Fräulein Erich bei meiner Konfirmation Orgel spielte“, meint Dieter Kohle. Das war 1963. Danach befragt, wann zum letzten Mal ein „ordentlicher Ton“ das hölzerne Gehäuse verließ, mutmaßt der Pömmelter nur: „Das ist mindestens 40 Jahre her!“
Carl Böttcher aus Magdeburg baute Orgel in Pömmelte
Auch Birgit Neugebauer, die heutige Organistin, verzieht das Gesicht, wenn sie von „ordentlichen Tönen“ hört. Die habe es in den 1970er Jahren schon nicht mehr gegeben, als sich die Organisten mehr schlecht als recht musikalisch durch die Gottesdienste hangelten.
Die Kirchengemeinde hatte Werner Jankowski 2019 um Begutachtung gebeten. Der untersuchte das Instrument ausführlich und fasste dessen „Vita“ zusammen. 1864 baute Carl Böttcher aus Magdeburg die kleine Orgel mit ihren zwei Manualen und zwölf Registern auf. Und zwar in der alten Pömmelter Dorfkirche, der zu jenem Zeitpunkt – wie sich bald erweisen sollte – keine große Zukunft mehr beschieden war. Denn nur sechs Jahre später wurde sie abgebrochen und 1871 ein Neubau eingeweiht. Die Orgel wurde ab- und wieder aufgebaut.