Natur BUND Sachsen-Anhalt und NABU Schönebeck wollen Renaturierung Alter Dornburger Elbe zwischen Magdeburg und Elbenau
Elbenau/Magdeburg
Sylvia und Thoralf Winkler aus Schönebeck sind häufig mit dem Fahrrad unterwegs. Wenn die beiden an den Elbenauer Kleingärten vorbei fahren, auf einen Waldweg abbiegen und die Alte Elbe queren, kommen sie irgendwann an einen Weg, der immer weiter verwildert. Nur Kenner wissen, was sich dort verbirgt.
„Für einen Wanderweg“, sagt Thoralf Winkler, „wäre das hier eigentlich optimal“. Wenn die Tage wärmer werden, wächst der schmale Trampelpfad ganz im Osten von Schönebeck immer weiter zu. Die Natur holt sich ihr Idyll dann ganz langsam zurück. Dabei gäbe es für Wanderer viel zu entdecken. An einer ganz besonderen Stelle stehen Birken im Wasser. Was exotisch anmutet, liegt direkt vor der Haustür. Nur kennt dieses Stück heute kaum noch jemand. „Früher war das hier sehr belebt“, erinnert sich Sylvia Winkler an die Stelle unweit der „Elbenauer Schweiz“. Ein Ausflugsziel. Ein Ort, an dem Menschen die Natur hautnah erleben können. Sehr gut gepflegt„In den 90er Jahren war der Weg dort gut gepflegt“, erinnert sich Michael Wunschik von der Ortsgruppe des Nabu Schönebeck. „Eine wirklich schöne Ecke.“ Schön auch, weil dort viele seltene Tiere und Pflanzen vorkommen. Kraniche, weiß der Experte, hätten dort ihr Brutgebiet. Die Wasseraloe, auch Krebsschere genannt, findet in diesem Areal hervorragende Bedingungen. „Das allein spricht schon für das Gebiet“, so Wunschik.
Michael Wunschik für Wanderweg
Aber sollte es dann überhaupt ein Anziehungspunkt für Wanderer werden? „Die Menschen sollen die Natur kennenlernen“, sagt Wunschik. Er würde es deshalb begrüßen, wenn dieser Teil Schönebecks bishin in die Landeshauptstadt mehr Beachtung finden würde.
Doch das Biotop ist in akuter Gefahr. Seit Jahren verlandet der alte Flusslauf zusehends, wie Volksstimme-Autor Konstantin Kraft recherchierte. Schuld daran ist der relativ niedrige Pegel der Elbe. In der Folge trocknet der Altarm, der als in Deutschland längster gilt, aus. An vielen Stellen ist augenscheinlich nur noch Schilf zu sehen.
Auch auf Schönebecker Gebiet an der Grenze zu Magdeburg ist dies teilweise so. Wenn nicht bald etwas geschieht, könnte das Gewässer ganz verschwinden.
„Es ist fünf vor zwölf“
„Es ist fünf vor zwölf“, sagt Ralf Meyer vom BUND-Landesverband Sachsen-Anhalt über die dramatische Situation an der Dornburger Alten Elbe. Er ist Projektleiter für eine erste Revitalisierungsmaßnahme an dem Altwasser. Konkret geht es darum, die Habitate für die Rotbauchunke, die Grüne Mosaikjungfer (eine Libellenart) sowie streng geschützte Vogelarten wie Kranich und Blaukehlchen am Altarm zu erhalten. Dafür sollen drei Abschnitte im Bereich des „Haberlanddammes“, direkt unterhalb des Umflutkanals zum Teil auf Schönebecker Gebiet, umfangreich entschlammt werden. Ferner sollen dort die Röhrichtflächen um etwa die Hälfte verringert werden. Die Entschlammungsarbeiten sollen im Herbst 2021 beginnen. Das Naturschutzprojekt hat ein Volumen von rund 740 000 Euro. 555 000 Euro davon kommen aus europäischen Fördermitteln.
Bevor der Schlamm ausgebaggert wird, müssen letzte Genehmigungen eingeholt und Schutzzeiten abgepasst werden. „Die Entschlammung selbst dauert nicht lange“, sagt Christian Kunz, Landesgeschäftsführer beim BUND Sachsen-Anhalt.
Renaturierung: Teures Unterfangen
Um den Altarm der Elbe zwischen Magdeburg und Schönebeck dauerhaft zu erhalten, kann es nicht bei dieser einzigen Maßnahme bleiben. Das machen die Akteure vom BUND deutlich. Die Naturschützer wissen aber auch, dass eine umfassende Revitalisierung der Dornburger Alten Elbe mehrere Millionen Euro kosten dürfte. Dafür braucht es Rückendeckung aus Kommunal- und Landespolitik. Ebenso müssen Fördermittel in Größenordnungen eingeworben werden. Das kann dauern, wiewohl ein unmittelbarer Anschluss an das aktuelle Projekt die Ideallösung wäre. Die Revitalisierung der Dornburger Alten Elbe steht schon länger auf der Tagesordnung. 2017 hatten Vertreter aus Politik, Verwaltung und Naturschutz eine gemeinsame Erklärung unterzeichnet. Allein es passierte offenbar immer noch nichts, jedenfalls nichts direkt Sichtbares, was wiederum für Ungeduld und Unmut sorgte. Hohe ArtenvielfaltZwischen Juni 2017 und Dezember 2019 habe das BUND Auenzentrum Burg Lenzen ein naturschutzfachliches Konzept entwickelt, auf dessen Grundlage die bevorstehenden Sofortmaßnahmen durchgeführt werden, stellt Ralf Meyer klar. Darin ist festgehalten worden, dass gerade für Unke, Libelle und Kranich akuter Handlungsbedarf bestehe.
Das Ziel des BUND wäre weiterhin, die Lebensräume mit einer hohen Artenvielfalt zu renaturieren, so Meyer, konkret durch eine Entschlammung größerer Altarmabschnitte. „Wir wetten auf eine positive Zukunft“, sagt Christian Kunz. Immerhin kann nicht ausgeschlossen werden, dass sämtliche Renaturierungsmaßnahmen im Zuge des fortschreitenden Klimawandels in einigen Jahren wieder hinfällig werden. „Wenn wir für 20 Jahre eine hohe Artenvielfalt am Altarm bewahren können, dann soll es uns das wert sein“, sagt Ralf Meyer und wirbt für den gestaltenden Naturschutz.
Parallel zur Entschlammung setzt die aktuelle Revitalisierungsmaßnahme an der Dornburger Alten Elbe auf die Förderung eines Umweltbewusstseins bei Jung und Alt. Die Öffentlichkeit soll aktiv mit einbezogen werden. Ein Lehrpfad am Altarm wird ergänzt. Das könnte auch ein passendes Projekt für Schönebeck sein.