1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Schönebeck
  6. >
  7. Der "Taubenflüsterer" von Großmühlingen

Stephan Kralisch ist seit 34 Jahren Züchter und jetzt auf dem Höhepunkt seiner Laufbahn Der "Taubenflüsterer" von Großmühlingen

Von Andreas Pinkert 22.12.2012, 02:25

Ein Erlebnis als Zwölfjähriger war der Auslöser dafür, dass Stephan Kralisch den Tauben regelrecht verfallen ist. Seitdem betreibt der Großmühlinger die Zucht mit ungebrochener Leidenschaft. In Leipzig wurde er zum Europa-Champion gekürt.

Großmühlingen l "Gurr, Gurrr, Gurrrr": Die Laute aus dem Mund von Stephan Kralisch klingen irgendwie befremdlich. Nachdem sich der 46-Jährige inmitten des großen Taubenschlags zwischen seine umherflatternden Schützlinge hockt, werden diese plötzlich ganz ruhig. "Guuur, Guuuuur": Die Tauben scheinen an seinen Lippen zu hängen, die wie bei einem Mantra immer wiederkehrende Laute formen.

"Tauben kann man schon im Alter von 15 Wochen anfagen zu trainieren", erklärt Stephan Kralisch. Seine Spezialität sind Schlesische Kropftauben. Die idealen Merkmale der schlanken und aufgerichteten Tauben sind ein großer Kropf, der am Ansatz über der Brust tailliert und am oberen Ende am weitesten ausgedehnt eine Form ähnlich einer Birne haben muss. Der Kropf sollte so hoch reichen, dass der Schnabel aufliegt. Dazu muss sich der Kropf natürlich mit Luft füllen.

Von der Variante, den Kröpfer durch den Schnabel "aufzublasen", hält Stephan Kralisch schon aus hygienischen Gründen überhaupt nichts. "Das muss die Taube schon allein machen."

Schließlich nimmt der gelernte Fleischer behutsam einen schwarz-blau schimmernden Vogel in beide Hände. "Das ist mein Champion", sagt der Züchter und gibt wieder leise Laute von sich. Das Tier setzte sich bei der Leipziger Europaschau Anfang Dezember gegen rund 580 Schlesische Kröpfer aus Deutschland und weiteren europäischen Ländern durch. Die Preisrichter vergaben die mit der Maximalpunktzahl 97 die Bestnote "vorzüglich". Im Auge eines Züchters das perfekte Tier. Der Champion füllt seinen Kropf mit Luft und sitzt majestätisch in den Händen des Züchters. "Das ist reine Übungssache, für die man Geduld braucht", erklärt Stephan Kralisch. Wieder kommen die Laute über seine Lippen.

Eigentlich hat sich Stephan Kralisch als Kind eher für Pferde interessiert. "Als ich zwölf Jahre alt war, konnte ich mich mit um die Pferde eines älteren Großmühlingers kümmern. Als Dank bekam ich vier Tauben geschenkt. Mit denen begann alles", erinnert er sich zurück. Die Leidenschaft ging sogar soweit, dass er im Unterricht in der Großmühlinger Schule aus dem Fenster schaute und plötzlich seine Tauben, aufgeschreckt von einem Greifvogel, flattern sah. Ohne zu Zaudern sprang er auf und lief aus dem Klassenzimmer zum heimischen Taubenschlag. 1972 stellte er zum ersten Mal aus. 1978 trat er dem Großmühlinger Rassegeflügelzüchtern bei. Stets habe er nebenbei gearbeitet, um seinen Tauben etwas Gutes zu tun. "Ein Sack Weizen kostete schließlich 50 Mark. So wurde es öfter eine Tüte Erbsen. Die gabs schon für 45 Pfennige", sagt Kralisch, der heute hunderte Euro in sein Hobby steckt.

Gleich nach der Armeezeit widmete er sich wieder der Zucht seiner Lieblinge. Ehefrau Ellen war von Anfang an klar, dass es ihren Mann nur in Verbindung mit den Tauben gibt. Sohn Martin (21) hat die Liebe zu den Tauben mit in die Wiege bekommen. "Heute ist er auch ein hervorragender Züchter", ist Stephan Kralisch stolz.

Der Keller ihres Hauses bietet schon jetzt kaum Platz, um alle Urkunden, Pokale, Plaketten, Medaillen oder Teller zu präsentieren. Die Fahne des Europachampions hat er einen Ehrenplatz an seiner Wand zugedacht. "Eine größere Auszeichnung gibt es bislang einfach nicht", so Kralisch, der auch stolz ist auf das gute Abschneiden seiner Züchterkollegen Alexander Sternke, Hendrik Fries, Bernd Andreßek, Hans Ferl sowie Holger und Tobias Zwernemann.

Am 25. und 26. Dezember sind die preisgekrönten Tauben bei der Vereinsschau in der Ausstellungshalle in der Gnadauer Straße zu sehen. Und vielleicht sind dann wieder ungewöhnliche Laute von Stephan Kralisch zu hören.