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Geocaching Die elektronischen Schatzsucher von Barby

Geocaching ist kein Sport für schlichte Gemüter. Die anspruchsvolle Art der Schatzsuche funktioniert mit GPS-Geräten oder Smartphones. Es gibt Gleichgesinnte, die verstecken Behälter mit Logbuch und veröffentlichen die Koordinaten im Internet. Zwei davon sind Elisabeth Fischer und Wolfgang Dyballa aus Barby.

Von Thomas Linßner 03.09.2023, 06:15
Geocacher Elisabeth Fischer und Wolfgang Dyballa.
Geocacher Elisabeth Fischer und Wolfgang Dyballa. Foto: Thomas Linßner

Barby - Der Elbdamm zwischen Schloßpark und Eisenbahnbrücke ist ein beliebtes Spaziergängerrevier. Hier flanieren junge Eltern mit Kinderwagen, verliebte Halbwüchsige, Leute mit Hunden oder Radwanderer gerne entlang. Die älteren Spaziergänger rasten gerne auf einer der Bänke, von wo aus sie einen schönen Blick auf den Fluss und die Auen haben.Eine der Bänke ...

In Sichtweite wohnt Herr Eliswolf, der vom Balkon seiner Wohnung eine noch bessere Aussicht und vor allem Übersicht hat.

Nun werden eingeweihte Barbyer monieren, dass es in der Lindenallee keinen „Herrn Eliswolf“ gibt. Dies sei wohl mal wieder eine Erfindung der Presse.

Cache-Owner spitzen dagegen die Ohren: „Klar, kennen wir Eliswolf!“ Das ist doch der, der in Barby so anspruchsvolle Caches einrichtet.

Ehe wir noch mehr ins Fach-Anglizistische abgleiten, und der Leser womöglich weiter blättert, weil er nur Bahnhof versteht, sei gleich mal erklärt: Owner ist ein Besitzer, Cache ein Versteck. Also eine Person, die etwas versteckt, was Gleichgesinnte finden müssen.

Es geht um das anspruchsvolle Hobby Geocaching. Ein Spiel, bei dem in freiem Gelände versteckte Behälter mithilfe von GPS-Koordinaten gesucht und anschließend am selben Ort wieder versteckt werden (siehe Infokasten). Wenn man so will eine elektronische Schnitzeljagd.

Um auf die Elbdamm-Bank und „Herrn Eliswolf“ zurückzukommen. Hinter diesem Kunstnamen verbirgt sich Wolfgang Dyballa (65). Der stammt aus Barby, lebte und arbeitete 45 Jahre in Berlin, um mit Eintreten des Vorruhestandes wieder in die alte Heimat zurückzukommen. Seine Wohnung befindet sich in der Lindenallee, von wo aus man einen schönen Blick auf eine ... aber das hatten wir ja schon.

Und was hat die zuvor erwähnte Bank mit ihm und seinem Hobby zu tun? Eine Menge! Dort befindet sich ein äußerst pfiffiges Geocache-Versteck, das dem Normalmenschen verborgen bleibt und den Cache-Sucher entzückt. Letzterer findet die Koordinaten des Sitzmöbels mithilfe eines GPS-Gerätes oder eines Smartphones.

Aber nicht einfach so: Denn die Sitzbank sieht aus wie jede andere. Wo ist das Versteck? Darunter? Hinter der Lehne? In den Betonfüßen? Ein magerer Tipp wird den Suchenden noch gegeben: „unsymmetrisch“. Wer jetzt um die Ecke denkt, stellt fest: Auf der einen Seite sind die Bankhölzer mit fünf, auf der anderen mit vier Schlossschrauben befestigt.

Also eine zu viel, oder eine zu wenig. Holzauge sei wachsam! Um es abzukürzen. Der ehemalige technische Teamleiter Wolfgang Dyballa hat in bester James-Bond-Manier eine Schlossschraube angefertigt, die keine Verbindungsfunktion hat, sondern ein hohler Vogel ist. Darin ist ein Mini-Logbuch (Schriftrolle) verborgen, in das sich der Finder einträgt.

Auch hier Probleme! Aber dann half eine Stimme vom Balkon.Cool gemacht!

Wer den präparierten Schraubenkopf gefunden hat, ist happy. Denn selig sind die Suchenden ... Wenn der 65-Jährige von seinem Balkon schaut, kann er manchmal einem Gleichgesinnten helfen, wenn es nötig ist. Die quittieren ihren Fund auf einer speziellen Geochachingseite im Netz. Was dann so klingt: „Auch hier Probleme! Aber dann half eine Stimme vom Balkon. Cool gemacht!“, schreibt „Amundsen 17“. Auch der zuerst ratlose „Specht5354“ bedankt sich für „die Hilfe aus der Ferne“.

Soll heißen: Wolfgang Dyballa, der kreative Vorruheständler, beobachtet seine Bank mit diebischer Freude vom Balkon aus. Wenn die Cacher kommen und er deren Ratlosigkeit bemerkt, ruft er ihnen Tipps zu.

Wie aber kommt man auf einen Nicknamen (Spitzname) wie Eliswolf?

An dieser Stelle kommt V3raCruz ins Spiel, die mit bürgerlichem Namen Elisabeth Fischer (61) heißt, aus Osnabrück stammt und die Lebenspartnerin von Wolfgang ist. Wie schon der komplizierte Nickname verrät, tickt Elisabeth genauso wie Wolfgang. (Aus diesem Grund setzte der Barbyer Silben ihres und seines Vornamens zusammen. Eliswolf, eben.) Deswegen ist auch klar, wie die Freizeitbeschäftigungen der beiden aussehen. Hin und wieder treffen sich die Gleichgesinnten der Cacher-Gemeinde (wie am Silvestertag im Eichelwald) und fachsimpeln. Spätestens dann schütteln sich leibhaftige Menschen aus Fleisch und Blut die Hände, die sich bisher nur virtuell über Nicknamen kannten.

Bei diesem Geocache muss man mehrere Stationen besuchen, um das Versteck zu finden.

Sein Meisterstück - und das räumt auch die versierte V3raCruz ein - ist Wolfgangs aktueller „Multi“ in Barby. „Bei diesem Geocache muss man mehrere Stationen besuchen, um das Versteck zu finden“, sagt Dyballa. Und vor allem muss man alle Sinne aktivieren.

Dessen erster Hinweis findet sich an einem Infokasten der Marienkirche. Daran stehen winzige Koordinaten für einen zweiten Ort der Schnitzeljagd. (Weil Geocacher nicht nur um die Ecke denken, sondern auch so praktizieren, finden Normalverbraucher den kryptischen Code kaum.) Station zwei ist ein Werbeplakat am Laden in der Nähe. Kleine geometrische Zeichen, die an geheimnisvolle Gaunerzinken erinnern, sind nichts anderes als Koordinaten: 51 Grad nördlicher Breite und 11 Grad östlicher Länge.

Und wo ist das? Richtig: Ein Haus im Magdeburger Tor. (Die genauen Orte werden auf Wunsch der Versteck-Akteure nicht verraten, um potenziellen Suchern nicht den Spaß zu nehmen. ) An dessen altem Teil befindet sich ein Schlüsselkasten aus Edelstahl, der sich nur über einen Zahlencode öffnen lässt. Deswegen wird dem Suchenden mit auf den Weg gegeben, dass er eine 9-Volt-Batterie und eine UV-Taschenlampe dabei haben muss. Denn eher knackt Egon Olsen einen Franz-Jäger-Berlin-Tresor, als ein Unbedarfter Eliswolfs Metallkiste. Auf deren Unterseite findet man ein fröhliches Hinweisgewimmel. Erst beim Beleuchten mit der UV-Lampe kristallisieren sich die Code-Zahlen heraus. Nach Öffnung der ersten Tür ist man aber noch nicht am Ziel.

Jetzt kommt der 9-Volt-Block zum Einsatz. Zwei „Klebchen“ mit plus und minus geben die Richtung vor. Ein Magnet klickt und Tür zwei geht auf. Wenn man nicht den Alarm eines Bewegungsmelders ausgelöst hat, den Dyballa auch noch installierte.

Halleluja!

Jeder Geocacher trägt für seine Verstecke die Verantwortung mit allen Rechten und Pflichten.

Und dann, ja dann, ist der Geochacher am Ziel seiner Träume. Das Logbuch wird sichtbar und er trägt sich ein. Wer das geschafft hat, macht im Anschluss sicherlich eine Flasche Champagner auf.

Wie Elisabeth Fischer und Wolfgang Dyballa unterstreichen, trägt jeder Geocacher für seine Verstecke die Verantwortung mit allen Rechten und Pflichten und spreche sie mit den Gebäudeeigentümer ab. Dazu gehört auch die regelmäßige Pflege und Wartung des Geocaches. Und eines dürfte nach dieser Geschichte wohl deutlich werden: Geocacher lassen sich im Leben nicht so schnell die Butter vom Brot nehmen ...